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Heizen ohne Feuer

Wenn der Deutsche ein Haus baut, dann denkt er trotz steigender Energiepreise fast immer an eine Erdgas- oder Ölheizung. Dabei gibt es längst klimafreundliche Alternativen, etwa die Erdwärmeheizung, bei der lediglich der zusätzliche Strom für eine Wärmepumpe anfällt. Doch Ingenieur Klemens Oskar Waterkotte musste fast 30 Jahre auf den Durchbruch seiner Erfindung warten.

Von Theo Geers | 23.11.2007
    Wenn Klemens Oskar Waterkotte zeigen will, wie das Heizen ohne Feuer funktioniert, führt er seine Besucher immer den Raum, in den andere Unternehmer einen Besucher nie hineinlassen, dorthin, wo die Server für das unternehmenseigene Computernetz monoton vor sich hin brummen. Doch nicht die Server sind der Stolz von Klemens Oskar Waterkotte, sondern die zwei Apparate in der anderen Ecke, beide etwa so groß wie ein Wäschetrockner:

    "Wir haben die komplette Heizung unseres Betriebes im Server-Raum untergebracht. Diese Maschine beheizt ungefähr 2000 Quadratmeter Fertigungsfläche, und die kleine heizt die Büroflache mit 400 Quadratmetern."

    In der Produktionshalle in dem eher tristen Industriegebiet in Herne ist es in der Tat angenehm warm, ebenso im nagelneuen Hochregallager nebenan, dessen Fußbodenheizung natürlich auch mit Erdwärme beheizt wird. Die wäschetrocknergroßen Wärmepumpen fördern die Erdwärme aus zwölf Sonden, die neben der Halle in Bohrlöchern mit dem Durchmesser eines Bierdeckels etwa 100 Meter tief ins Erdreich führen. Das ganze funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank. Der einzige Unterschied: Beim Kühlschrank nutzt der Mensch die kalte Seite des Systems, Waterkotte nutzt die warme.

    "Heute wird mir erst bewusst, was ich ausgelöst habe, dass ich eigentlich die ganze Heizungsbranche verändert habe, das heißt weg vom Feuer und von der Verbrennung hin zu erneuerbarer Energie. Das war mir damals natürlich nicht bewusst, wird mir aber immer bewusster."

    Damals - das war Ende der 60er Jahre, als der heute 75-jährige Wärmepumpenpionier an der Münchner U-Bahn mitbaute. In 35 Metern Tiefe hatte er den Untergrund auf Minustemperaturen herunterzukühlen, damit die Fundamente für den U-Bahn-Knotenpunkt unter dem Stachus überhaupt erst gegossen werden konnten. Wegen der Erdwärme kein leichtes Unterfangen, doch eben diese Wärme brachte den Kälteingenieur auf die Idee, auch sein Eigenheim in Bottrop damit zu heizen.

    "Ich hatte keine kommerziellen Absichten. Mir ging es nur darum, sparsamer zu heizen. An Umwelt hat man damals noch wenig gedacht. Diese sparsame Heizung ist mir auch gelungen gegen einen damaligen Ölpreis von umgerechnet neun Cent je Liter."

    Diese sparsame Heizung läuft bis heute. Und bis heute ist auch der Wille zum Sparen Waterkottes Triebfeder. Grünes Denken ist seine Sache nicht:

    "Es gibt Leute, die als Wanderprediger durch die Gegend ziehen und allen anderen verkünden, was sie alles tun sollen, um die Umwelt zu schonen. Zu den Leuten gehöre ich nicht. Ich gehöre eher zu den Leuten, die den Nutzen im Sparen selbst sehen. Natürlich ergibt sich bei unserer Technik alles Weitere von alleine."

    Etwa der Beitrag zum Klimaschutz, den Erdwärmeheizungen gratis leisten. Mit seinen Wärmepumpen gewinnt Klemens Oskar Waterkotte viermal mehr Heizungsenergie, als das System in Form von Strom verbraucht. In Zeiten wie diesen müssten diese Systeme eigentlich ein Selbstläufer sein, doch dem ist nicht so. Wenn Klemens Oskar Waterkotte beispielsweise auf den umweltpolitischen Rückwind für seine Erfindung angesprochen wird, wird er sehr nachdenklich:

    "Muss ich erst mal überlegen. schwach - oder besser gesagt keinen. Die Fördergelder gehen alle nur dahin, wo es unwirtschaftlich ist. Das Wirtschaftliche wird ja nicht gefördert."

    Strom für 200 oder 300 Euro braucht eine Wärmepumpe, um ein normales Einfamilienhaus ein ganzes Jahr zu beheizen. Dadurch amortisieren sich die höheren Anschaffungskosten schon in wenigen Jahren. Waterkotte selbst hat seinen Jahresumsatz in den letzten zehn Jahren auf 28 Millionen Euro verzehnfacht. Doch in diesem Jahr hat er Mühe, den Umsatz zu halten. Die Flaute im deutschen Eigenheimbau macht der Firma aus Herne zu schaffen. Um 70 Prozent sind die Aufträge für kleinere Wärmepumpen seit dem Wegfall der Eigenheimzulage eingebrochen. Das wiegt derzeit schwerer als die Klimaschutzdebatte, die Appelle zur CO2-Einsparung oder die steigenden Preise für Heizöl oder Erdgas.

    400 Erdwärmepumpen produziert Waterkotte im Monat. Das macht rund 5000 im Jahr, doch es könnten auch 10.000 sein. Klemens Oskar Waterkotte muss sich nach der Decke strecken und ist froh, dass er frühzeitig die Unternehmensstrategie anpasste: Im Inland setzt er zunehmend auf größere Projekte wie Büro- und Verwaltungsgebäude. Eine zweite Stütze ist der Export mit einem Umsatzanteil von inzwischen 50 Prozent.

    "Der Auftragseingang nimmt wieder leicht zu. Wir müssen uns im Vertrieb anstrengen. Das tun wir auch im Ausland, zum Beispiel Irland, England, Frankreich, Portugal, Österreich. Da haben wir gute Zuwachsraten, die im Jahr bei 25 Prozent liegen."