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Henri de Bresson: "Jeder versucht, seine eigene Lösung zu bevorzugen"

Der EU-Sondergipfel, der am Sonntag beginnt, ist überschattet von einer Auseinandersetzung zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy über den richtigen Weg zur Rettung des Euro. Europa müsse "einen neuen Schritt machen in Richtung Föderalismus", meint der Chefredakteur des Magazins "ParisBerlin".

Henri de Bresson im Gespräch mit Christian Bremkamp | 22.10.2011
    Christian Bremkamp: In Griechenland gibt es Massenproteste, Brüssel ringt um den Euro, Frankreich zittert um seine Einsernote bei den Ratingagenturen, doch die Europäer kommen im Kampf gegen die Schuldenkrise nur mühsam und in kleinen Schritten voran. Grund für die schleppenden Beratungen sind nicht nur Parlamentsrechte in einigen Mitgliedsstaaten, sondern auch tiefgreifende Meinungsunterschiede über den Umfang und die Art der Eurorettung. Zwar beschwichtigt der Bundesfinanzminister Schäuble gestern, Deutschland und Frankreich seien gar nicht verhakt in unterschiedlichen Positionen, glauben mag man das indessen nur schwer. In Zeiten, in denen es ans Eingemachte geht, tun sich Gräben auf, plädiert der eine dafür, den EFSF in eine Art Bank zu verwandeln, während die andere genau das strikt ablehnt. Wie steht es um die deutsch-französischen Beziehungen, von denen gerade jetzt doch so viel abhängt? Das möchte ich von Henri de Bresson wissen, er ist Chefredakteur des Magazins "ParisBerlin". Guten Morgen erst mal!

    Henri de Bresson: Guten Morgen!

    Bremkamp: Ja, wie schätzen Sie die aktuellen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich ein?

    de Bresson: Ja, wir sind jetzt in einem ganz schwierigen Moment, und es ist klar, dass jeder versucht, seine eigene Lösung zu bevorzugen. Es ist schwierig, überhaupt eine technische Lösung zu finden, schwierig auch, über diese technische Frage zu gehen. Es hat vor zwei Tagen eine deutsch-französische Erklärung noch mal gegeben, wo man spricht natürlich von der EFSF, aber auch von der europäischen Regierung, was man da auch ändern soll. Es gibt jetzt zwei Gipfel, und man will schon sehen, was die beiden Regierungen zusammen machen können.

    Bremkamp: Jeder verfolgt seine eigenen Lösungsansätze, haben Sie gesagt, wo bleibt denn da der europäische Geist?

    de Bresson: Ja, das kann man sich manchmal fragen, nicht nur auf der Euro-Frage. Wenn man guckt diese Debatte, schwierige Debatte momentan, ob der Agrarfonds noch weiter Zuschüsse für arme Leute zahlen soll oder nicht. Es ist auch die Frage von Schengen, von alles das. Der europäische Geist jetzt ist momentan auf dem Tisch.

    Bremkamp: Frankreichs Finanzminister soll inzwischen ja Kompromissbereitschaft angedeutet haben in Sachen EFSF. Ist das ein gutes Zeichen oder heißt es am Ende womöglich, Paris ist vor Berlin eingeknickt?

    de Bresson: Nein, seit Anfang der Krise versucht man immer zu wissen, ob die Deutschen vor Paris einknicken oder die Franzosen vor Deutschland. Es sind auch schwierige Fragen, technische Fragen, nicht nur politische Fragen, technische auch, und natürlich, wie Sie sagten, der europäische Geist ist nicht immer da in allen unseren Ländern. Es hat gestern Abend in Deutschland, in Berlin, auch eine komplizierte Krisensitzung bei der Koalition gegeben, in Frankreich ist die Lage, die politische Lage von Sarkozy auch nicht so einfach. Das macht natürlich die Sache nicht einfacher.

    Bremkamp: Halten Sie Angela Merkel und Nicolas Sarkozy eigentlich für ein geeignetes Duo bei der Krisenbewältigung?

    de Bresson: Ja, man kann sich manchmal fragen, ob die beiden wirklich eine europäische Vision haben, das ist seit Anfang an. Die haben irgendwie gelernt, zusammen zu arbeiten, aber das scheint manchmal sehr mühsam, obwohl Leute wie Schäuble eher in Frankreich viel Confiance [Vertrauen] haben.

    Bremkamp: Beide, Frau Merkel und Herr Sarkozy, lächeln ja immer wieder gemeinsam in die Fernsehkameras – wie würden Sie das einschätzen, wie ist denn da so das aktuelle Verhältnis der beiden?

    de Bresson: Ja, das haben sie natürlich gut gelernt, die beiden, vor der Kamera zu lächeln. Die haben immer ein kompliziertes Verhältnis, aber am Ende, die haben irgendwie verstanden, dass die konnten nichts anderes machen, als am Ende eine Vereinbarung zu treffen. Bon – ob sie sich leiden oder nicht, das ist eine zweite Frage.

    Bremkamp: Wären Helmut Kohl und François Mitterrand, wären Gerhard Schröder und Jacques Chirac möglicherweise anders an die Sache herangegangen?

    de Bresson: Ja, wahrscheinlich Mitterrand und Helmut Kohl hätten vielleicht größere Züge, hätte versucht, etwas weiter zu denken, aber man muss auch gestehen, dass die beiden haben auch deswegen für manche technische Fragen irgendwie nicht gefunden oder so an die Seite geschoben, und man zahlt manchmal diese Sache, man zahlt dafür jetzt auch.

    Bremkamp: Müssen wir denn diesen Preis bezahlen, aus europäischen Idealen an diesem Euro jetzt festzuhalten, an der Währung Euro?

    de Bresson: Ja, der Preis, wenn ich die Frage richtig verstanden habe, dass wir heute bezahlen, ist, dass jetzt wir sind gerade dran an den schwierigen Fragen – muss Europa einen neuen Schritt machen in Richtung Föderalismus. Ich glaube, gerade die Länder der Eurozone können nicht weitergehen, ohne große Reformen in ihrer Art und Weise sich zu regieren - zusammen.

    Bremkamp: Henri de Bresson war das. Er ist Chefredakteur des europäischen Magazins "ParisBerlin", und ich danke für das Gespräch!

    de Bresson: Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.