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Herbststurm an den Hochschulen

Die Politik wirft den Hochschulen handwerkliche Fehler beim Bolognaprozess vor, die Studierenden gehen die Bachelor- und Masterstudiengänge auf die Barrikaden: Die Hochschulrektorenkonferenz hat Gesprächsstoff bei ihrer Sitzung.

Von Ulf Walther | 24.11.2009
    Der Protest der Studierenden heute richtet sich auch gegen die Hochschulrektorenkonferenz als Institution. Die Konferenz sei nicht, wie sie selbst behauptet, die Stimme der Hochschulen, sondern der Hochschulrektoren und damit eine Vereinigung von Lobbyisten. Die Meinungen der Studierenden spielten dabei nur eine untergeordnete Rolle, sagt Annika Schindlharz vom StudentInnenrat der Uni Leipzig:

    "Das Problem ist, dass ja noch nicht mal alle Rektorinnen und Rektoren wirklich demokratisch gewählt werden. Je nach Bundesland gibt es da ja verschiedene Einsetzungsgremien, dass der Dialog schon in den Universitäten oft nicht stattfindet oder nicht genügend stattfindet."

    Bei allem Verständnis für die Forderungen der Studierenden kann die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz Margret Wintermantel konkret diesen Vorwurf nicht nachvollziehen:

    "Aufgabe der Hochschulen ist es, Forschung, Lehre, Dienstleistung zu betreiben und im Zentrum all unseres Bemühens stehen die Studierenden. Und insofern kann ich das nicht so ganz richtig verstehen, warum man so gegen uns anrennt. Wenn das nicht demokratisch ist, also dann weiß ich nicht, dann müssen wir uns über den Begriff des "Demokratischen" sicherlich auch noch mal unterhalten."

    Im Mittelpunkt der Hochschulrektorenkonferenz steht die Umsetzung des Bolognaprozesses. Dabei gestehen die Rektorinnen und Rektoren ein, dass die Hochschulen bei der Umsetzung des Bolognaprozesses Fehler gemacht haben, so Klaus Dicke, Sprecher der Mitgliedergruppe Universitäten der Hochschulrektorenkonferenz:

    "Es ist teilweise auch durch Überängstlichkeit vor der Verwaltungsgerichtsfestheit der Reform entstanden. Dass in Vorlesungen Anwesenheitspflichten nicht immer sinnvoll sind, hat sich inzwischen rumgesprochen. Aber das sind alles Dinge, die können sich erst sozusagen wirklich eingespielt haben, wenn das Ganze einmal für eine Generation wenigstens durchlaufen ist. Und da sind wir nun im Augenblick gerade dabei."

    Auch andere Fehler, etwa die Dichte der Prüfungen in den Bachelorstudiengängen hätten verhindert werden können, wenn die Hochschulen für die Umsetzung von Bologna mehr Zeit bekommen hätten. Doch dass sei auch den Vorgaben der Politik geschuldet, so Dicke:

    "Wir müssen eingestehen, dass das Ganze relativ konzeptionslos eingeleitet wurde. Es gab kein Kommunikationskonzept. Im Grunde genommen war es an vielen Stellen ein Sprung ins kalte Wasser. Hätte man eine Pilotphase eingelegt, mit dem man das alles hätte abtesten können, wäre wahrscheinlich das Ganze sehr viel leichter gelaufen. Jetzt müssen wir Operation sozusagen am offenen Herzen durchführen."

    Weniger Probleme mit der Umstellung der Studiengänge haben derzeit die Fachhochschulen. Die Einführung der Bachelorstudiengänge ist weitgehend abgeschlossen. Und die Kinderkrankheiten der Reform seien größtenteils beseitigt, sagt Andreas Geiger, Sprecher der Mitgliedergruppe Fachhochschulen bei der Rektorenkonferenz und Rektor der Hochschule Magedeburg-Stendal:

    "Ich kann für meine Hochschule sagen, dass wir schon im Jahre 2005 flächendeckend umgestellt haben. Das heißt, das ist nun über vier Jahre her. Das heißt, wir haben den ersten Studiengang schon durch und wir haben unsere Studiengänge entschlackt, die am Anfang vielleicht einfach nur tatsächlich verkürzt worden sind. Wir haben sie aber in der Tat dann darauf so umgebaut, dass sie wirklich stehen für einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss, was sie ja auch eigentlich bedeuten sollen."

    Dennoch: Bei allen Fehlern, die als "Kinderkrankheiten" bezeichnet werden, bleibt im Kern seitens der Hochschulen die Forderung nach mehr Geld. Die personelle Ausstattung sei absolut unzureichend und die Bolognareform nun mal keine Sparreform, empört sich Geiger:

    "Ich halte es auch für zynisch einfach, was da für Bemerkungen von der Seite der Kultusministerkonferenz kommt, die eben sagen, dass wir gefälligst unsere Hausaufgaben zu tun hätten unter den gegebenen Umständen – sprich dem gegebenen Budget. Wir werden hier auch in Gespräche mit der Kultusminsterkonferenz vonseiten der Hochschulrektorenkonferenz erneut eintreten in Kürze. Da werden schon deutliche Worte gesagt werden müssen."

    Die Kultusminister und die Hochschulrektoren treffen sich in zwei Wochen. Ob dann der Weg freigemacht wird für mehr Entscheidungsfreiheit der Hochschulen - und auch mehr Geld - bleibt abzuwarten.