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Hirn an Roboter

Neurotechnik. - Roboter mit der Kraft der Gedanken steuern ist ein sehr aktives Forschungsfeld. Das langfristige Ziel ist es, vollständig gelähmten Patienten wieder einen Handlungsspielraum zu eröffnen. Das Steuern eines Computercursors mit Gedankenkraft gelingt schon mit verschiedenen experimentellen Apparaturen. Einen Roboterarm frei im Raum zu steuern ist viel schwieriger. Forscher aus den USA zeigen in der heutigen Ausgabe der Zeitschrift "Nature" mit Hilfe von Rhesusaffen, dass es im Prinzip möglich ist.

Von Volkart Wildermuth | 29.05.2008
    Ein Rhesusaffe sitzt auf einem kleinen Stuhl, vor ihm befindet sich eine Weintraube. Offensichtlich möchte er sie gerne essen, allein er kann sie nicht erreichen, seine Arme stecken in Plastikrohren. Trotzdem ist er nicht hilflos, denn von seinem Kopf geht ein Kabel an die Decke. Elektroden leiten die Aktivität von Nervenzellen aus seinem Gehirn über einen Computer an einen Roboterarm. Der sitzt dicht an der Schulter des Rhesusaffen und ist etwa doppelt so groß, wie dessen eigener Arm. Plötzlich beginnen sich die Metallgelenke zu strecken, ein wattierter Greifer schließt sich um die Weintraube und führt sie zum Mund des Affen. Der beißt genüsslich zu und steuert den Roboterarm gleich zur nächsten Weintraube an einer anderen Position.

    "”Es gab noch keine Studie bei der die freie Steuerung eines Roboterarms durch den Raum in Echtzeit gelang. Wir konnten zeigen, dass der Affe den Arm über längere Zeit steuern und die Richtung jederzeit ändern konnte.""

    Manchmal verschiebt Meel Velliste, ein Neurowissenschaftler an der Universität von Pittsburgh, plötzlich die Weitraube. Dann macht der Roboterarm eine ganz natürlich wirkende Ausgleichsbewegung, der Affe erreicht seinen Leckerbissen ohne Probleme. Letztlich wollen die Forscher gelähmten Menschen helfen, bis das System verlässlich funktioniert wird es aber erst einmal an Rhesusaffen erprobt. In ihr Gehirn wurde ein winziges Netz von gut 100 Mikroelektroden hinein operiert. Es verfolgt die Aktivität der Nervenzellen im Motorcortex. Diese Hirnregion kontrolliert die Muskeln im Arm des Affen. Jede Nervenzelle dort hat eine bevorzugte Richtung, bei Bewegungen in diese Richtung feuern sie am stärksten. Die Elektroden reagieren zwar nicht auf einzelne dieser Nervenzellen, sondern nur auf große Gruppen, aber ihr Signal ist ebenfalls je nach Bewegungsrichtung unterschiedlich stark. Diesen Effekt machten sich Meel Velliste und seine Kollegen für die Steuerung des Roboterarms zunutze. Velliste:

    "”Einem Menschen hätten wir einfach gesagt: ‚Stellen Sie sich vor, Ihren eigenen Arm zu bewegen.’ Die Affen mussten wir extra trainieren. Anfangs benutzen sie einen Joystick um den Roboter zu kontrollieren. So lernten sie, ihren eigenen Willen mit den Bewegungen des künstlichen Arms zu verknüpfen.""

    Anfangs wurde der Roboter nur durch den Joystick kontrolliert. Nach und nach übertrugen die Forscher die Kontrolle dann auf die Signale von den Elektroden im Gehirn des Affen. Nach langem Üben holte er sich seine Belohnung dann nur mit der Kraft seiner Gedanken. Inzwischen geht der Affe so selbstverständlich mit dem Roboterarm um, als sei er ein Teil seines eigenen Körpers, hat Meel Velliste beobachtet.

    "”In einem der Videos sieht, man, wie der Affe den Greiffinger ableckt oder wie er mit dem Arm eine Weintraube in den Mund schiebt, die er zuerst nicht erwischt hat. Das haben wir ihm nicht beigebracht, das hat er selbst durch die direkte Erfahrung mit der Umwelt herausbekommen.""

    Es ist offenbar möglich, einen Roboter ganz natürlich mit den Gedanken, mit der Hirnaktivität zu steuern. Derzeit arbeiten die Forscher an einem verbesserten Roboterarm, der auch noch ein drehbares Handgelenk bekommen soll. Damit würden sich zum Beispiel auch Türklinken herunterdrücken lassen. Auch den neuen Arm werden erst einmal Rhesusaffen erproben. In zwei Jahren, so hofft Meel Velliste, ist das System dann so ausgereift, dass es erstmals an komplett gelähmten Menschen eingesetzt werden kann.