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Hitlers Jünger im Hörsaal

Die Prügelei zwischen einem Neonazi- und einem Antifa-Aktivist an der Mainzer Universität hat Anfang des Jahres bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Das Antifa-Mitglied erlitt erhebliche Verletzungen und zeigte den Neonazi wegen schwerer Körperverletzung an. Nun hat die Verhandlung vor dem Strafgericht begonnen - und mit ihr die Diskussion darüber, ob sich rechtes Gedankengut an deutschen Hochschulen auf dem Vormarsch befindet.

Von Ludger Fittkau | 08.08.2008
    "Natürlich spiegelt sich auch an den Hochschulen ein gesellschaftliches Spektrum wieder, indem es auch hin und wieder Tendenzen gibt von Rechtsradikalismus."

    Sagt der rheinland-pfälzische Wissenschaftsstaatssekretär Michael Ebling. Dennoch gäbe es in Rheinland-Pfalz über Einzelfälle wie dem in Mainz hinaus kein gravierendes Problem mit rechtsradikalem Denken an den Hochschulen. Ähnlich sieht das der Mainzer Uni-Vizepräsident Jürgen Oldenstein. Auch rechte Burschenschaften spielen aus seiner Sicht an der fünfgrößten deutschen Universität bisher keine große Rolle:

    "Im Grunde genommen treten sie kaum in Erscheinung. Ab und zu kriegt man etwas mit, aber zum Beispiel gibt es eine Senatsbeschluss, dass Couleur-Tragen an der Universität verboten ist, entsprechend finden solche Aktivitäten wenn überhaupt vor der Universität oder außerhalb der Universität statt. Es gab mal irgendwo vor der Uni einen Fackelzug, das ist jetzt auch schon wieder einige Zeit her, aber im täglichen Erscheinungsbild fallen diese Burschenschaften einfach nicht auf."

    Allerdings: Vor allem in Mitgliedsgruppen der international organisierten sogenannten "Deutschen Burschenschaft" sei in der Vergangenheit immer wieder rechtsradikales Gedankengut laut geworden. Daran erinnert Dr. Michael Kohlstruck von der TU-Berlin. Er leitet im dortigen Zentrum für Antisemitismusforschung die Arbeitsstelle Jugendgewalt und Rechtextremismus. Unter den Studierenden hierzulande gäbe es allgemein eine leichte Verschiebung hin zu rechtem Denken. Michael Kohlstruck verweist auf eine neue Untersuchung der Uni Konstanz zu politischen Haltungen Studierender:

    "Da lässt sich feststellen, dass seit 1983 bis 2007 sich doch der Anteil derer, die sich einer national-konservativen Richtung verpflichtet fühlen, zugenommen hat. Der hat 1983 noch bei drei Prozent gelegen und der lag 2007 bei sechs Prozent."

    Vor allem die NPD achte zunehmend darauf, dass ihre Mitglieder eine bessere Ausbildung anstreben - bis zum Hochschulstudium. Hochschullehrer müssen sich also darauf einstellen, in Zukunft öfter mal Rechtsradikale in Seminaren sitzen zu haben. Der Mainzer Uni-Vizepräsident Jürgen Oldenstein erklärt, wie Lehrende und Studierende auf den NPD-Funktionär reagieren, der an seiner Uni Geschichte und Philosophie studiert:

    "Der Herr Mattes ist eingeschriebener Student, er ist sicherlich kein dummer Studierender allerdings ist es auch so: Nach einem guten Anfang der Frage - spätestens nach fünf Minuten kommt dann die ganze Tirade aus der rechten Ecke und dann ist die Diskussion einfach unterbrochen, das wollen die Studies dann auch nicht, denn das ist keine wissenschaftliche Auseinadersetzung, sondern einfach ein Runterleiern von Phrasen und ist damit absolut uneffektiv. Und das wird ihm dann auch gesagt."

    Die Uni hatte auch den Exmatrikulationsausschuss gebeten, zu prüfen, ob die Schlägerei, in die der rechtsradikale Student verwickelt war, einen Rausschmiss rechtfertige.

    Nein, lautete die klare Antwort des Ausschusses unter Vorsitz von Bettina Freimund-Holler, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Mainz. Eine Schlägerei reiche nicht - erst ein Angriff auf die Hochschule rechtfertigt das Studienverbot:

    "Man muss sich vor Augen führen, dass Exmatrikulation das schärfste Schwert ist, was der Universität zur Verfügung steht, zumal so eine Exmatrikulation auch an jeder Hochschule der Bundesrepublik Deutschland bekannt gemacht wird."

    Dass ein prügelnder Neonazi weiter studieren darf, versteht an der Mainzer Uni allerdings nicht jeder. Doch der rheinland-pfälzische Wissenschaftsstaatssekretär Michael Ebling kann dem Vorgang auch etwas Gutes abgewinnen. Rechtlich sei zwar nichts zu machen,

    "aber der Umgang auch mit dem Fall an der Johannes-Gutenberg-Universität hat bei allem Schändlichen ja auch einen Vorteil: Er zeigt, das die Menschen wehrhaft sind, das sie sie sich engagiert gegen Rechtsextremismus wenden. Und das in einer klaren Art und Weise, von Seiten der Uni-Leitung her, als auch von Seiten der Studierenden - klar brandmarken und sagen: Das hat hier keinen Platz. Ich finde diese Signale sehr bedeutend."

    Unter dem Strich gilt aber: Man muss an der Uni Mainz den NPD-Aktivisten weiter ertragen - so schwer es manchem auch fällt. Eine "braune" Gesinnung alleine ist an einem Ort weitgehender Meinungsfreiheit eben noch kein Grund für Ausgrenzung. Alles andere - auch die Prügelei - ist Sache des Strafrechts.