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Hitze auf der Zugspitze

Umwelt. - Auf der Zugspitze, hinterlässt die Klimaerwärmung bereits ihre Spuren und gefährdet die Stabilität des über 2900 Meter hohen Gipfels. Noch gibt es dort Bereiche, die das ganze Jahr über gefroren sind, doch womöglich nicht mehr lange: Die Folge könnten Bergstürze in die umliegenden Täler sein.

Von Volker Mrasek | 02.07.2008
    Die Zugspitze haben schon viele erklommen, bis in Gipfelhöhe auf knapp 3000 Metern. Doch wer kann schon von sich behaupten, dass er jemals seinen Fuß in den Berg gesetzt hat?

    "Wir befinden uns jetzt im siebten Stock vom Schneefernerhaus. Und hier gibt's 'ne direkte Verbindungstür in den Kammstollen, so heißt der."

    Das Schneefernerhaus. Früher ein Hotel, heute Deutschlands höchstgelegene Umweltforschungsstation. Dass man von hier aus in den Berg einsteigen kann - kaum jemand weiß davon ...

    "Also, dieser Stollen ist im unteren Bereich vielleicht zwei Meter hoch, ein, zwei Meter breit. Bis zum gefrorenen Teil haben wir jetzt ungefähr 400, 500 Meter vor uns. Und dann laufen wir so 100, 150 Meter durch den gefrorenen Fels."

    Michael Krautblatter quält sich nicht zum ersten Mal durch den engen, feuchten Stollen. Für den Geographen und Doktoranden der Universität Bonn ist die Zugspitze zurzeit ein ergiebiges Forschungslabor:


    "Der Fels ist schon viel feuchter hier. Wir kommen jetzt in den Bereich, wo wir so nah an der Nordwand sind, dass wir tatsächlich in den gefrorenen Fels hineinlaufen."

    Der Gipfel der Zugspitze ist so hoch und die Jahresmitteltemperatur in diesen Sphären so niedrig, dass Bereiche des Felsens tatsächlich dauerhaft gefroren sind. Selbst im Sommer. Man spricht von Permafrost ...

    "So, und ab hier wird's jetzt eben ein bisschen glatt. Da müssen wir ein wenig aufpassen."

    Dort, wo das Eis erkennbar zu Tage tritt, wartet schon Sarah Verleysdonk. Auch sie zählt zum Bonner Permafrost-Erkundungsteam. Ziemlich genau 60 Meter unter dem Gipfelgrat verschwinden die Tunnelwände unter einem Teppich von Eiskristallen und von der zerklüfteten Kalkstein-Decke hängen fingerdicke Eiszapfen herab.

    "Meine Aufgabe ist jetzt hier, die Temperatur zu messen. So. Wir kommen jetzt also in Werte um die 0 Grad. Und werden uns gleich in den richtig gefrorenen Bereichen auch in Werten bis unter 0 Grad bewegen."

    Möglicherweise ist die Zugspitze der einzige Flecken in Deutschland, an dem es noch Permafrost gibt. In Gipfelnähe, auf der schattigen Nordseite. Doch seine Tage sind gezählt. Denn gerade in den Alpen schreitet die Klimaerwärmung besonders stark voran. Michael Krautblatters Forschungsauftrag besteht darin, die Relikte zu erfassen: Wie viel Permafrost ist an der Zugspitze überhaupt noch vorhanden? Wie viel Eis steckt in den Spalten und Poren des Kalksteins? Und wo genau?

    "Worauf wir uns spezialisiert haben, das sind Tomographien im Fels. Und wir haben zwei Verfahren dazu entwickelt. Und wir nutzen zwei Materialeigenschaften. Das eine ist die Leitfähigkeit von Gestein. Die verändert sich sehr stark, sobald der Fels gefriert. Das machen wir mit sehr, sehr vielen Elektroden. Also, wir haben hier an der Zugspitze 160 Elektroden angebracht. Und wir können von jeder Elektrode zu jeder beliebigen anderen Strom senden."

    Durch geschickte Überlagerung der Daten erhält man ein räumliches Bild, eine Tomographie. Der Gipfel wird durchleuchtet wie der Kopf eines Patienten im radiologischen Institut:

    "Also, es gibt starke Hinweise darauf, dass der Permafrost hier extrem stark zurückgeht, dass die Zugspitze wirklich zurzeit genau auf der Kippe für Permafrost steht. Wenn wir diese Entwicklung jetzt uns weiterdenken, dann ist es wahrscheinlich so, dass die Permafrost-Linse, die wir dort jetzt mit unheimlichem technischen Aufwand beobachten - dann wird diese Permafrost-Linse nicht mehr sehr lange bestehen."

    Der Permafrost ist wie ein Kitt für den Fels. Taut er weg, wird der Gipfel instabil. Es kommt zu Bergstürzen wie im Hitzesommer 2003. Gleich zweimal lösten sich Felsbrocken vom Zugspitzgipfel und donnerten ins Höllental hinab. Im letzten Herbst gab es einen weiteren Bergsturz im benachbarten Reintal.

    Das Bayerische Landesamt für Umwelt hat einen 60 Meter langen Messtunnel quer durch den Gipfel gebohrt und mit Sensoren bestückt. Sie protokollieren nun Temperatur und Felsbewegungen. Auch Michael Krautblatter und sein Team wollen ihre Messungen noch ausweiten und die Gipfelflanken zusätzlich mit Laser-Scannern überwachen. Die Forschung auf Deutschlands höchstem Gipfel dient zugleich der Risikominderung:

    "Wenn wir die Daten der Abtragung von diesen kleineren Sturzereignissen vergleichen mit anderen Gebieten, dann haben wir unheimlich intensive Abtragungsraten hier. Und vielleicht ist es wichtig auch für unsere Forschung, da auch ein bisschen das Augenmerk drauf zu richten. Wie können wir diese kleinen Sachen vorhersagen? Das dadurch auch keine Touristen zu Schaden kommen."


    "Feierabend?"

    "Feierabend!"

    "Müssen wir runter, nicht?"

    "Ja. Drei Uhr Gondel."