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Hoch hinaus, um tief hinein zu blicken

Es mag paradox klingen: Der Weltraum eignet sich besonders gut, um die Vorgänge im Erdinneren zu untersuchen. Der Grund: In der Schwerelosigkeit kann ungestört mit miniaturhaften Erdmodellen experimentiert werden – und die liefern viel genauere Daten als jede Tiefenbohrung.

Von Thomas Gith | 08.02.2011
    Die Minierde Geoflow II ist nicht viel größer als ein Schuhkarton: Es gibt Motoren, diverse Schläuche und einen Hochspannungsgenerator. Dazwischen befindet sich eine große Glaskugel, die eine kleine Metallkugel umschließt - zwischen den Kugeln ist eine zähe Flüssigkeit eingefüllt. Untergebracht ist all das in einer handlichen Kiste.

    "Raumfahrtexperimente werden ja in der Regel eben auch nach Gewicht und so weiter bemessen, und die Möglichkeit, dass man so ein kleines Experiment immer mal wieder hochtransportiert zur Raumstation und auch wieder zurückbringen kann, ist natürlich sehr viel größer als wenn es jetzt große Experimentschränke wären",

    sagt Professor Christoph Egbers von der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus, der Geoflow II maßgeblich leitet. Mit dem Experiment wollen er und seine Forscherkollegen klären, wie sie das Magma im Erdmantel bewegt. Simuliert wird dieses irdische Magma von der zähen Flüssigkeit zwischen den Kugeln. Um sie fließen zu lassen, ist die innere Kugel, die den Erdkern darstellt, beheizt. Die äußere Glasschale als Erdmantel wird gekühlt, so dass ein Temperaturgefälle entsteht.

    "Man kann sich das sehr gut vorstellen, es ist eine quasi honigartige Flüssigkeit. Wenn sie sich ein Honigglas vorstellen und sie halten an einer Seite dieses Glases ein Feuerzeug unter den Honig, dann schmilzt er ihnen an der Stelle auf, aber im Rest des Glases bleibt er fest. Und genau eine solche Art von Flüssigkeit nutzen wir hier auch in diesem Kugelschalenmodell."

    Wie auch im Erdinneren kommt es durch das Temperaturgefälle zu Strömungen, sogenannten Mantelkonvektionen - eine Laserkamera fotografiert diese Bewegungen. Um die Kräfte, die auf die Erde wirken, zu simulieren, ist das Modell schließlich noch in eine Art Kugellager eingesetzt. Das System wird dann in Rotation versetzt – ähnlich, wie auch die Erde rotiert.

    "Wir legen ein künstliches Kraftfeld an dieses Kugelschalsystem an, die Kugel funktioniert dann quasi wie ein rotierender Kugelkondensator und dieses Kraftfeld ist nötig, um ein künstliches Gravitationsfeld von Planeten wie der Erde zu simulieren."

    Da auf der ISS in 350 Kilometer Höhe Schwerelosigkeit herrscht, können die Forscher elektrisch ein Gravitationsfeld erzeugen. Auf der Erde würde das Experiment verzerrt – wegen des natürlichen Schwerefeldes unseres Planeten. Schwerefeld, Rotation und Temperaturgefälle lassen die Flüssigkeit im All schließlich zirkulieren. Trotz des Größenunterschieds verhält sie sich dabei wie das irdische Magma – das sich mathematischen Berechnungen zufolge pilzkopfförmig im Erdmantel ausbreitet.

    "Und das sind Phänomene, die man in der Mantelkonvektion eben auch sehr gut schon vorhersagen kann. Die wollen wir aber auch in einem Experiment jetzt auch verifizieren. Und insbesondere ist interessant, von welcher Art von Symmetrie beispielsweise innerhalb dieser Kugel solche Instabilitäten in Form von pilzartiger Konvektion auftreten, an welchen Stellen jetzt solche Konvektion auftritt."

    Die Mini-Erde ist dafür bereits in den automatischen Raumtransporter ATV eingebaut. Zusammen mit einer Ariane-5-Rakete wird Geoflow II voraussichtlich Mitte Februar zur ISS starten. Einige Zeit danach wird ATV von der Rakete abgetrennt und etwas später an der Raumstation andocken. Wenn alles gut geht, kann anschließend das Experiment beginnen. Auf der ISS läuft es dann vollautomatisch ab – wird aber von Cottbus aus ständig kontrolliert.

    "Wenn jetzt Fehler während des Betriebs passieren, dass mal eine Temperatur zu heiß wird oder sonst ein Parameter aus dem Bereich läuft, können wir kurzfristig mit unseren spanischen Supportern telefonieren, die versuchen dann, aktiv einzugreifen",

    erklärt Andreas Stöckert, der für den Informationstransfer zuständig ist. In Cottbus wurde dafür ein Kontrollraum eingerichtet: Es ist ein Büro mit vier Computerarbeitsplätzen und einem Projektor, der die Daten des Experiments ständig an die Wand projiziert. 15 Sekunden brauchen die Informationen von der ISS in den Kontrollraum. Die Aufnahmen der Laserkamera werden hingegen nur ein bis zwei Mal am Tag an die Erde gesendet.

    "Auf der ISS steht uns circa 30 Gigabyte Datenspeicher zur Verfügung. Und unsere Experimente erzeugen zwischen drei und acht Gigabyte an Bilddaten an einem Tag. So dass die Daten herunter geladen werden müssen. Wir müssen schauen, dass die Daten valid sind, gültig sind, benutzbar sind, um dann sagen zu können, dass die Festplatte wieder gelöscht werden kann, um neue Experimente zu machen."

    Mehrere Wissenschaftler arbeiten dafür im 24-Stunden-Betrieb. Insgesamt soll Geoflow II vier Monate lang Daten zur Erde senden. Und die Forscher hoffen, schließlich besser zu verstehen, wie sich die Magmaströme im Erdmantel bewegen.