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Huber fordert Veränderung der Rechtsordnung

CSU-Chef Erwin Huber hat die Sozialdemokraten aufgefordert, gemeinsam mit der Union schnellstmöglich ein breit angelegtes Konzept zur Bekämpfung der Jugendkriminalität zu erarbeiten. Verhandlungen darüber könnten schon nächste Woche aufgenommen werden. Angesichts zunehmender Gewalttaten müsse man handeln und könne nicht einfach auf die bestehende Rechtslage verweisen.

Moderation: Elke Durak | 08.01.2008
    Durak: Womit wird denn die CSU-Landesgruppe im Bundestag dieses Jahr in Wildbad Kreuth für Aufregung sorgen? Kreuth und CSU, das hat Klang, das hat Geschichte. Die neue Führung Beckstein/Huber ist seit 100 Tagen tätig. CSU-Politiker mischen kräftig mit im bundespolitischen Streit um Mindestlöhne, Jugendkriminalität und auch um die Eroberung der Mitte. Die CSU hat sich stets als das soziale Gewissen der Union betrachtet und die CDU gelegentlich auch angetrieben. Nun kommt die Bundesvorsitzende gar nicht. CSU allein im Wald? - Am Telefon ist der Vorsitzende der CSU Erwin Huber. Guten Morgen!

    Huber: Guten Morgen!

    Durak: Fühlen Sie sich etwas vernachlässigt?

    Huber: Nein, in keiner Weise. Wir sind eine eigenständige Partei. Wir sind selbstbewusst. Wir stellen in Bayern die Regierung seit langer Zeit, seit 50 Jahren, und regieren erfolgreich dieses Land. Und wir sind ein verlässlicher Koalitionspartner in Berlin, nehmen unsere bundespolitische Verantwortung wahr. Das heißt, wir gehen selbstbewusst in dieses Jahr 2008.

    Durak: Worin, Herr Huber, besteht denn Ihre bundespolitische Verantwortung?

    Huber: Das ist die Teilnahme an dieser Bundesregierung, die in den letzten zwei Jahren aus meiner Sicht gerade im wirtschaftlichen Bereich enorme Erfolge erzielt hat mit der höchsten Beschäftigungszahl, die es jemals gegeben hat. Da rechnen wir uns einen Teil dazu zu. Schließlich stellt die CSU den Bundeswirtschaftsminister, den Bundeslandwirtschaftsminister und wir haben eine starke Landesgruppe. Wir wollen ein stabiler verlässlicher Partner in dieser Bundesregierung sein und wir wollen den Erfolg der Regierung Merkel für diese ganzen vier Jahre.

    Durak: Ein bisschen wundert mich das aber schon, Herr Huber, weil ja die Union nicht ganz allein regiert in dieser Regierung, sondern mit der SPD zusammen und gerade in den letzten Tagen - so hat man den Eindruck - ich sage mal dreschen auch CSU-Politiker auf die SPD ein, warnen vor einem Linksruck, als wär's der Gott sei bei uns. Eine rot-rot-grüne Volksfrontpolitik drohe, wenn die SPD weiter nach links rücke und man sozusagen die Regierung verliere. Der wirtschaftliche Untergang der Bundesrepublik wird beschworen, ungeregelte Zuwanderung, Verfall der inneren Sicherheit und so weiter. Das sind alles indirekte Zitate Ihrer Kollegen. Wenn das so ist, Herr Huber, dann müssten Sie ja ehrlicher und auch konsequenterweise umgehend die Große Koalition verlassen?

    Huber: Nein, denn wir dürfen ja Deutschland nicht in eine Instabilität hineintreiben. Die Ursache dafür ist seit dem Hamburger Parteitag der SPD in der Tat der dortige Linksruck, ist die Nervosität in der Herausforderung von der Partei Die Linke und ist leider unter dem Vorsitzenden Beck ein Zickzack-Kurs, den die SPD einschlägt. Es haben sich in der Tat nach dem Parteitag und jetzt in den Landtagswahlen die Differenzen erhöht. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, weil man natürlich auch Konkurrent ist in den Ländern, in denen gewählt wird. Ich gehe davon aus, dass sich nach den Wahltagen am 27. Januar die Sachlichkeit wieder ergeben wird. Ich sehe die Entschlossenheit von allen drei Parteien, diese Koalition fortzusetzen. Wir fordern aber auch die SPD dazu auf, den Linksdrall zu beenden, eine konsequente Wirtschaftspolitik zu betreiben und vor allem auch im Bereich der inneren Sicherheit entscheidungsfähig zu werden. Angesichts der großen und schlimmen Gewalttaten, der zunehmenden Gewalttaten muss man handeln und kann man nicht einfach auf die bestehende Rechtslage verweisen. Hier ist die SPD gefordert, an einen Tisch zu kommen, mit uns ein breites Konzept auszuarbeiten und damit beizutragen, dass die Bürger Sicherheit im Lande verspüren.

    Durak: Ist denn aber nicht eigentlich die jeweilige Landesregierung zuständig für die innere Sicherheit der Landeskinder?

    Huber: Es ist immer eine geteilte Zuständigkeit. Für den Vollzug, für die Polizei, für den Justizvollzug, sicherlich auch für den Bereich von Integration und in vielen sozialen Fragen sind die Länder zuständig, aber die Rechtsordnung wird durch den Bund gesetzt. Das heißt unsere Forderungen, die Höchststrafen zu erhöhen oder den Warnschussarrest durchzusetzen, das ist eine Frage der Bundesgesetzgebung. Übrigens stellen wir diese Forderung nicht erst jetzt in diesen Tagen, sondern da kann man seit dem Jahr 2000 eine durchgehende Linie verfolgen und auch belegen. Es gibt mehrere Beschlüsse des Bundesrates und Vorschläge der Bundestagsfraktion der CDU/CSU und seit vielen Jahren verweigert sich leider die SPD hier einer Verschärfung von Gesetzen. Wir wissen, dass schärfere Gesetze allein das Problem nicht lösen, aber sie sind ein wichtiger Teil dabei, wenn völlig uneinsichtige Gewalttäter ihr Unwesen treiben, und wenn manche Serientäter eine Latte von 40, 50 Straftaten haben, dann kann man nicht einfach dies als soziales Problem abtun, sondern dann muss der Rechtsstaat konsequent handeln.

    Durak: Der Rechtsstaat kann doch aber jetzt schon mit den vorhandenen Gesetzen ganz gut handeln, indem er schneller urteilt und die Strafen auch ausnutzt, die es gibt.

    Huber: Da stimme ich zu. Wir haben beispielsweise in Bayern im Bereich Jugendkriminalität zwischen der Anklage und dem Urteil im Schnitt eine Zeit von 1,3 Monaten. Das heißt es geht auch durchaus schnell. Auf der anderen Seite muss man eben auch sehen, dass es leider eine Zunahme von Gewalttaten von Jugendlichen gibt, die völlig uneinsichtig sind, . Dort sind wir der Meinung muss man beispielsweise auch schneller abschieben können. Wenn jemand wie die Gewalttäter in München 40, 50 Straftaten auf dem Kerbholz haben, dann muss es doch die Möglichkeit geben, solche Gewalttäter abzuschieben, in die Türkei, möglicherweise auch in EU-Länder. Man muss mit dem Warnschussarrest den Jugendlichen deutlich machen: Die Bewährungsstrafe ist nicht ein Freispruch, sondern da sollen einige Tage, vielleicht auch Wochenenden in einem Jugendarrest verbracht werden, damit man zur Einsicht kommt. Der Rechtsstaat muss entschlossener handeln und deshalb hat Koch das Thema zurecht so stark angesprochen.

    Durak: Auch in der Form, Herr Huber? Ist das auch in der Form in Ordnung?

    Huber: Wenn es darum geht, andere Politiker wachzurütteln, dann muss man zu deutlichen Formulierungen greifen. Ich verstehe nicht, dass erfahrene Politiker der SPD, die ja nun in den Ländern auch viele Jahre in der Erfahrung sind, permanent und so langfristig verstockt geben. Deshalb fordern wir die SPD auf, schon in der nächsten Woche mit uns in Berlin an den Verhandlungstisch zu kommen, gemeinsam ein breites Konzept auszuarbeiten. Es geht nicht nur um Strafen; es geht um ein breites Konzept. Aber da muss auch eine Veränderung der Rechtsordnung mit enthalten sein.

    Durak: Noch mal zum Ton der parteipolitischen Auseinandersetzungen. Der wird ja immer schärfer. Sagt Ihnen der in Gänze zu oder?

    Huber: Politik ist Wettbewerb und ich lehne persönliche Beleidigungen ab. Das macht gar keinen Sinn. Aber dass man die Themen laut und deutlich anspricht, das gehört sicherlich auch zu einer lebendigen Demokratie dazu.

    Durak: Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stefan Kramer, wird heute zitiert in einem ddp-Interview. Er sagt, das Niveau des Wahlkampfes von Herrn Ministerpräsident Koch unterscheidet sich kaum noch von dem der NPD. - Was geht Ihnen da durch den Kopf?

    Huber: Das ist abwegig, denn Roland Koch ist ein Politiker, der erfolgreich das Land Hessen in den letzten acht Jahren regiert hat, der einer der profiliertesten Politiker der Unionsparteien ist. Ich meine da sollte man eben solche Vergleiche nicht machen. Das ist kein guter Stil.

    Durak: Politische Korrektheit ist ein sehr schlechter Ratgeber, wenn es um die Sicherheit in Deutschland geht. Schon wieder ein Zitat von Herrn Ramsauer, dem Vorsitzenden der Landesgruppe. Teilen Sie dessen Auffassung?

    Huber: Natürlich teile ich seine Auffassung.

    Durak: Diese?

    Huber: Politische Korrektheit in diesem Sinne heißt ja betulich sein und möglicherweise nur auf Konsens gehen. Ich bin der Meinung, wenn viele, viele Jahre von Vorstößen im Parlament nichts bringen, wenn man mehr oder weniger ignoriert wird - leider ist es so, dass die Bundesjustizministerin solche Vorschläge in der Vergangenheit ja bekämpft und ignoriert hat -, dann muss man eben auch deutlicher werden.

    Durak: Herr Huber, ich hätte noch eine Frage zum Geld. Sie, Ihre Partei, sie wollen Steuererleichterungen gleich nach der Bundestagswahl. Haben Sie schon überlegt, wie Sie das finanzieren wollen?

    Huber: Aber selbstverständlich. Wir wollen in einem schrittweisen Vorgehen eine Verbesserung vor allem für die Familien als ersten Schritt. Das heißt noch in diesem Jahr muss entschieden werden über eine Erhöhung des Kindergeldes. Das streben wir an zum 1. 1. 2009. Und parallel dazu eine Aufstockung der Kinderfreibeträge. Das muss gemacht werden, denn die Familien sind in besonderer Weise belastet durch die Preissteigerungen im Nahrungsmittelbereich, im Energiebereich. Wir streben dann in der Tat eine größere Steuerreform an. Wir wollen ja deshalb das wirtschaftliche Wachstum weiter voranbringen, damit wir den Spielraum uns erarbeiten für solche Entlastungen auch der Leistungsträger.

    Durak: Herr Huber Entschuldigung, dass ich unterbreche. Die Frage ging nicht dahin, dass Sie es tun wollen, sondern wie Sie es finanzieren wollen.

    Huber: Ja. Das wirtschaftliche Wachstum ist Voraussetzung dafür, dass wir die Spielräume haben. Natürlich - und das sage ich ganz deutlich - machen wir keine Steuersenkungen auf Pump, also nicht um damit die Schuldenlast zu erhöhen. Aber das wirtschaftliche Wachstum wird uns diese Spielräume geben.

    Durak: Das heißt das wirtschaftliche Wachstum, Steuereinnahmen aus den Unternehmen, aus den Steuerabgaben der Bürger?

    Huber: Wenn wir in diesem Jahr beispielsweise doch deutliche Lohnerhöhungen haben, wird das ja zu Steuermehreinnahmen führen. Und wir sind der Meinung das was zum Teil inflationsbedingt ist und was den Leistungsanreiz geben soll, sollte man auch wieder zurückgeben. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Länder und die Kommunen bereits heute Überschüsse haben. Es hängt nur noch zurück der Bund und wenn der Bund seine finanzielle Situation verbessert, dann ist es auch möglich, in absehbarer Zeit zu Steuersenkungen zu kommen. Das ist dringend notwendig, um die Leistungswilligkeit und Leistungsbereitschaft gerade auch der Leistungsträger aufrecht zu erhalten.

    Durak: Eine allerletzte Frage, Herr Huber. Sie und Herr Beckstein - so scheint es - führen das Land und die CSU mit ruhiger Hand. Man hört weniger von ihnen, auch wenn sie zwei sind. Sind Sie braver als Stoiber?

    Huber: Es kommt auf die Ergebnisse an, es kommt auf die Effizienz an. Wir regieren dieses Land Bayern erfolgreich und wir sind ein verlässlicher Partner in Berlin. Auf das kommt es an!

    Durak: Danke schön. - Erwin Huber war das, Vorsitzender der CSU. Herzlichen Dank fürs Gespräch und auf Wiederhören!

    Huber: Bitte sehr. Auf Wiederhören!