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Hyperthermie in der Krebsbehandlung

Die Hyperthermie galt lange als Außenseiterverfahren für die alternative Krebsbehandlung, bei der der Körper des Patienten ganz oder teilweise erwärmt wird. Doch inzwischen haben Studien gezeigt, dass Patienten davon profitieren, wenn der Krebsherd erhitzt wird. Die Hyperthermie wird dabei ergänzend zur Chemotherapie eingesetzt.

Von Hellmuth Nordwig | 25.06.2013
    Die Hyperthermie galt lange als Außenseiterverfahren für die alternative Krebsbehandlung: bei der der Körper des Patienten ganz oder teilweise erwärmt wird. Doch inzwischen haben Studien gezeigt: In bestimmten Fällen profitieren Krebspatienten tatsächlich davon, dass der Krebsherd erhitzt wird. Nicht als alleinige Behandlung, aber ergänzend zu einer Chemotherapie. Experten diskutierten vergangene Woche in München über die Behandlung.

    Das kleine Mädchen leidet an einer seltenen Krebsart: einem Tumor der Keimzellen. Eine Chemotherapie hatte zunächst gewirkt, doch der Krebs ist zurückgekehrt. Heute bekommt die Patientin an der Uniklink Düsseldorf von ihrem Arzt Rüdiger Wessalowski erneut ein Medikament, das die bösartigen Zellen abtöten soll.

    "Das Problem stellt sich so dar, dass man für diese Kinder einen sehr guten Therapieansatz hat und dann nur noch wenig Möglichkeiten für eine Rückfalltherapie."

    Doch in Düsseldorf gibt es für die Kinder nach einem Rückfall zusätzlich zur Chemotherapie eine weitere Behandlung. Vorsichtig legt Rüdiger Wessalowski die Patientin auf eine Art Hängematte und schnallt eine Manschette um ihren Bauch. Darin stecken Radiosender – die dienen nicht der Musikberieselung, sondern die Energie der gebündelten Strahlung erwärmt ganz gezielt den Krebsherd auf rund 42 Grad. Ein Wasserkissen sorgt dafür, dass die Haut des Mädchens nicht verbrennt. Nach einer Stunde ist diese sogenannte Hyperthermie-Behandlung vorbei.

    "Durch diese Behandlungsmodalität können wir derzeit 70 Prozent der Kinder heilen. Wobei man wissen muss: Wenn man diese Therapieoption mit der Hyperthermie frühzeitig einsetzt, zum Beispiel wenn die Kinder nicht auf die Standardtherapie angesprochen haben, können wir sogar 80 Prozent der Kinder heilen."

    In der Krebsmedizin sind solche Zahlen ein großer Erfolg. Doch Keimzelltumore bei Kindern sind, erfreulicherweise, sehr selten. Rund 70 Patienten pro Jahr gibt es in Deutschland – und von ihnen erleidet nur ein Teil einen Rückfall. Das erlaubt keine groß angelegte, statistisch belastbare Studie, doch die gibt es seit Kurzem für andere Krebskrankheiten. Für die sogenannten Weichgewebssarkome zum Beispiel, die in Muskeln oder Fettgewebe entstehen. Ärzte um Lars Lindner vom Münchner Klinikum Großhadern haben gezeigt: Krebsgeschwulste, die während einer Chemotherapie-Behandlung erhitzt werden, schrumpfen stärker als bei einer Chemotherapie allein.

    "Was für den Patienten noch viel bedeutender ist, dass das krankheitsfreie Überleben hier verbessert werden konnte und für die Patienten, die die gesamte präoperative Therapie bekommen konnten, hat es auch einen Überlebensvorteil gegeben. Das ist inzwischen für uns hier in München das Standardverfahren zur Ersttherapie für Patienten mit Hochrisiko-Weichgewebssarkomen. Wir sind froh, dass diese Therapie auch aufgenommen werden konnte in alle internationalen Richtlinien."

    Bei den häufigen Krebsarten sind die Studien noch nicht so weit. Erste Daten zeigen aber auch bei Bauchspeicheldrüsen- und Brustkrebs: Zumindest wenn nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung ein Rückfall auftritt, kann die Hyperthermie eine Behandlung positiv beeinflussen. Auch bei Gebärmutterhalskrebs haben Studien begonnen, doch all diese Untersuchungen schreiten nicht so schnell voran, wie sich das die Experten wünschen. Der Grund: Für groß angelegte Studien gibt nicht genug Behandlungsplätze. Und so ist der Stellenwert der Hyperthermie bisher gering geblieben, sagt Rolf Issels vom Klinikum Großhadern.

    "Die Hyperthermie ist ein Standardverfahren für bestimmte Tumorentitäten. Der Nachweis ist in Phase-III-Studien erbracht. Aber die Haupttumoren, die wir haben, die häufigsten Tumoren, da gibt es noch keine klare Evidenz, dass wir das so einsetzen. Das geht nur in Studien."