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"Ich könnte mir vorstellen, dass Curiosity viele Jahre durchhält"

Raumfahrt.- Bei ihrer Mars-Mission mit dem Spezialfahrzeug Curiosity wird die NASA durch das Europäische Satellitenkontrollzentrum ESOC unterstützt. Michael Khan, Missionsanalytiker am ESOC, erläutert im Interview, welche Aufgaben der Rover hat und was die Technik an Bord kann.

06.08.2012
    Jochen Steiner: Auch im Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC der ESA in Darmstadt blickten etliche Menschen erwartungsvoll auf die Monitore. Die Europäische Weltraumbehörde ESA unterstützt die NASA bei ihrer zwei Milliarden Euro teuren Mars-Mission. Vor der Sendung konnte ich mit Michael Khan sprechen, er ist Missionsanalytiker am ESOC und ich habe ihn gefragt, was ihm heute morgen um 7. 31 Uhr durch den Kopf ging.

    Michael Khan: Es war nicht nur 7.31 Uhr, sondern die ganzen Minuten davor waren eine steigende Anspannung. Weil wir diesen Eintritt in die Atmosphäre verfolgt haben, also die Trennung von der Transportstufe und den Eintritt in die Atmosphäre. Dann die atmosphärische Abbremsung und alle anderen technischen Schritte, die unternommen werden mussten, damit diese Landung erfolgen konnte, zum Erfolg werden konnte. Und das war eigentlich unglaublich. Das lief ab wie am Schnürchen. Es war fantastisch, in welcher Präzision und wie problemlos das alles ablief. Ich war auf der einen Seite hin und weg. Ich war wirklich beeindruckt von dieser Leistung. Aber auf der anderen Seite fand ich das auch fast schon unglaublich.

    Steiner: Was ist das Ziel dieser aktuellen Mission mit Curiosity?

    Khan: Die Rover-Mission Curiosity ist an einer Stelle gelandet, wo man in der Geologie des Mars bis Milliarden Jahre zurück lesen kann wie in einem offenen Buch. Und gleichzeitig soll auch nach Kohlenwasserstoffverbindungen gesucht werden, also nach organischen Molekülen. Denn sie wissen gar nicht, ob die auf dem Mars auf der Oberfläche existieren, oder ob die vielleicht durch die kosmische Strahlung, die da ja intensiv durchhaut - der Mars hat ja kein Magnetfeld - und das ungebremste UV-Licht: ob das vielleicht einfach alles zerstört wird. Das soll also die Frage beantworten, ob auf dem Mars Bedingungen geherrscht haben, die Leben zulassen.

    Steiner: 1976 sind die beiden Sonden Viking I und II auf dem Mars gelandet. Was kann Curiosity, was seine Vorgänger damals noch nicht konnten?

    Khan: Das war halt Technologie der 60er-Jahre, also Technologie, die ins Weltall geschossen wird, hängt ja immer Jahre hinter dem zurück, was man auf der Erde schon einsetzen konnte. Weil man das auch noch weltraumqualifiziert haben muss. Damals waren die Instrumente halt primitiv im Vergleich zu heute. Und außerdem konnten die Vikings sich nicht bewegen. Und das ist eine sehr, sehr starke Einschränkung. Also wenn Sie da bloß so einen Manipulatorarm haben, dann kommen Sie schon an Sachen, die nur ein paar Meter entfernt sind, nicht ran. Und hier ist es halt so: Die können dahin fahren, wo es wirklich interessant ist. Also üblicherweise sind in der planetaren Geologie die interessanten Orte eben nicht die, wo man unbeschadet landen kann.

    Steiner: Wie lange können denn Daten jetzt gesammelt werden?

    Khan: Die wissenschaftliche Dauer soll mindestens ein Mars-Jahr sein, also knapp zwei Erd-Jahre. Ich will es jetzt nicht beschreien, aber wir haben immer erlebt, dass Raumsonden, wenn sie erstmal das schwerste überstanden haben, dann auch länger durchhalten als das, wofür sie mindestens gebaut worden sind.

    Steiner: Was erhoffen Sie sich da als Lebenszeitspanne von Curiosity?

    Khan: Curiosity hat ja keine Solargeneratoren, sondern nuklearbetriebene elektrische Stromversorgung. Und die könnte durchaus längere Lebensdauern zulassen. Ich könnte mir vorstellen, dass Curiosity viele Jahre durchhält. Ich hoffe es zumindest.

    Steiner: Welche neuen Erkenntnisse erhoffen Sie sich denn vom Roten Planeten?

    Khan: Man muss erstmal sagen, dass wir vom Roten Planeten eigentlich gar nicht so viel wissen. Wir haben praktisch ein bisschen an der Oberfläche gekratzt hier und da. Aber man muss mal sehen: Die Oberfläche vom Mars ist ungefähr so wie die Oberfläche aller Kontinente der Erde zusammen. Und die kriegt man nicht mal eben so schnell verstanden. Das ist eben das Entdecken einer ganzen neuen Welt. Und ich hoffe, dass wir besser verstehen, was die Geschichte des Wassers in der Vorzeit des Mars... Ich möchte natürlich auch gerne wissen, ob die Bedingungen wirklich so waren, dass Leben auf dem Mars entstanden ist. Das möchte ich als wissenschaftlich interessierter Mensch wissen, das möchte ich aber auch als Mensch wissen, der sich über die Rolle von uns als kohlenstoffbasiertes Lebewesen im Universum Gedanken macht. Wenn ich in den Himmel hinausschaue, in den Sternenhimmel und sehe die ganzen Sterne, dann frage ich mich: Kann das denn sein, dass wir jetzt ganz alleine hier sind. Das wäre zumindest eine große Platzverschwendung.

    Steiner: Ein kurzer Blick zurück: Was waren denn die bislang bedeutendsten Entdeckungen auf dem Mars?

    Khan: Also erstmal die Tatsache, dass der Mars früher ganz anders war. Dass er eben nicht diese trockene Wüste war, die er jetzt ist, sondern dass er ein Planet war, auf dem es große Ozeane, ausgedehnte Wasserflächen gab. Dann, dass man Methan in der Atmosphäre festgestellt hat. Das war ein europäischer Orbiter, der das festgestellt hat - Mars Express. Und dann, dass dieses Methan einem sehr kurzfristigen Zyklus folgt. Dass es also irgendeinen Prozess geben muss, der Methan in der Atmosphäre nachführt. Und auch ein Prozess, der Methan in der Atmosphäre abbaut. Und wir haben keinerlei Ahnung, was das ist.

    Steiner: Warum denn aber immer wieder diese extrem teuren Mars-Expeditionen? Was ist so faszinierend am Mars, dass so viel Geld darein gesteckt wird?

    Khan: Ich meine, dass sind immer nur Journalisten, die sich in die Hosen machen wegen der Kosten. Extrem teuer ist das nicht. Also verglichen mit der Schwierigkeit der Technik ist das ein angemessener Preis. Das ist alles ein Bestandteil der Grundlagenforschung und ist jetzt verglichen mit anderen Forschungsvorhaben auch nicht exorbitant teuer.

    Steiner: Wenn diese Landung jetzt nicht geklappt hätte, wenn Curiosity verloren gegangen wäre: Wie groß wäre der Verlust für die Forschung gewesen?

    Khan: Also für die Forschung wäre es sicherlich eine große Verzögerung gewesen. Obwohl man natürlich sagen muss, dass die Technik ja nicht verloren ist. Also es ist ja nur ein Gerät verloren gegangen, aber die Baupläne sind ja nicht mitgeschickt worden. Die sind ja alle noch hier. Das heißt, das Wissen, das Know-how ist ja alles noch in den Köpfen drin oder in den Computern der Leute. Das heißt, man könnte mit relativ geringen Mitteln - und wahrscheinlich sind sogar noch sehr viele Einzelbauteile da - eine neue Mission bauen. Aber wichtig ist auch für die zukünftige Marsforschung, dass wir jetzt wissen, dass diese Technik funktioniert hat. Weil die Technik, die man bis jetzt eingesetzt hat, mir Airbags, alles in Airbags eingepackt und dann mit Gewalt auf die Oberfläche geworfen - das ist etwas, was nur bei kleinen Rovern funktioniert. Und selbst da nicht besonders gut. Aber diese Technik, die man hier hat, das ist etwas, was die Zukunft ist. Und das wird auch wahrscheinlich in zukünftigen Landemissionen eingesetzt werden. Und das ist sehr gut, dass wir jetzt wissen, dass es funktioniert hat.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

    Weiterführendes:

    Aktuell zur Landung vom 6. August 2012