Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Ideengeber Dickhäuter

Robotik.- Elefanten gehen mit ihrem Rüssel äußerst grazil um: Sie umschlingen galant Grasbüschel oder pflücken einzelne Bananen von einer Staude. Die Entwickler des Maschinenbauers FESTO nahmen die Vielseitigkeit des Elefantenrüssels zum Anlass, einen Greifarm zu konstruieren, der ähnliches leistet. Ihr "bionischer Handling-Assistent" ist eins der drei Projekte, die es auf die Zielgerade zum deutschen Zukunftspreis geschafft haben.

Von Ralf Krauter | 30.11.2010
    "Wenn es sich bewegt, dann erinnert es doch stark an einen Elefantenrüssel: Mit seiner Beweglichkeit, sich mehr oder weniger um die Ecke herum bewegen zu können, mit seinem Greiforgan. Das haben wir hier nachgebildet."

    Peter Post steht in einem Labor der FESTO AG in Esslingen vor einem grauen Gebilde auf einem Rollwagen. Auf den ersten Blick erinnert die Struktur an das Plastikmodell eines Fernsehturms: Eine armdicke Säule, 75 Zentimeter hoch, die sich nach oben verjüngt und in drei kleine Zacken mündet. Doch diese Zacken sind keine Antennen, sondern die Finger eines pneumatischen Greifers. Über ein Ensemble schwarzer Knöpfe am Fuß der Struktur erweckt Peter Post ihn zum Leben.

    "Und wenn man jetzt hier – man hört also auch das Zischen der Pneumatik – man sieht also jetzt hier, wie dieses System sich wunderbar drehen und biegen und in alle Richtungen bewegen kann. Und man sieht die Flexibilität des Systems."

    Der promovierte Ingenieur ist bei FESTO für Forschung und Technologie verantwortlich. Und obwohl er den bionischen Roboterarm, den seine Leute gemeinsam mit Fraunhofer-Forschern aus Stuttgart entwickelt haben, schon dutzende Male vorgeführt hat, hat er immer noch sichtlich Spaß daran.

    Über die schwarzen Knöpfe steuert Peter Post Ventile, die pneumatische Muskeln aktivieren. Mit ihrer Hilfe lässt sich der Greifarm nicht nur in jede beliebige Richtung krümmen, sondern auch verwinden und bei Bedarf um bis zu 35 Zentimeter verlängern. Seine Bewegungen wirken in der Tat fast so organisch, wie die eines Elefantenrüssels.

    "Diese Beweglichkeit, die wollten wir nachbilden, um ein Assistenzsystem zu schaffen, welches geeignet ist, unmittelbar, direkt im Kontakt mit dem Menschen auch eingesetzt werden zu können."

    Das Herzstück des biologisch inspirierten Greifarms bilden wirbelsäulenförmige Druckluftmuskeln aus Polyamid, die sich kontrolliert aufblasen und damit ausdehnen lassen.

    "Sie sehen hier diese Balgstrukturen, die einzeln aufgeblasen werden. Das ist immer so ein Dreierpaket hier mit Balgstrukturen. Jeder einzelne dieser Bälge lässt sich aufblasen. Und dann bewegt sich das System in diese Richtung. Dadurch, dass der Antrieb selber ja nur Luft ist und das System selber nur aus Kunststoff besteht, ist es auch sehr, sehr leicht. Der ganze Arm wiegt hier nur knapp zwei Kilo."

    Hat die Rüsselspitze ihr Ziel – also etwa einen zu Demonstrationszwecken hingehaltenen Apfel – erreicht, packt der Greifer auf Kommando zu. Objekte bis zu einem halben Kilogramm hält er dank eingebauter Sensoren sicher und fest an Ort und Stelle, ohne sie zu zerdrücken. Im Gegensatz zu heutigen Roboterarmen aus Stahl, die viel massiver sind, ist der Plastikrüssel dabei keine Gefahr für Menschen in seiner Nähe. Mit einer Hand lässt er sich mühelos zur Seite drücken.

    "Es passiert nichts, wenn dieser Handling-Assistent gegen mich, meinen Arm oder selbst mein Gesicht, dagegen kommt. Das ist ein nachgiebiges elastisches System. Ich sag' spaßeshalber immer: Ich könnte mich in einen ganzen Wald solcher Handling-Assistenten hineinsetzen, ohne dass mir etwas passieren würde. Diese Nachgiebigkeit ist eigentlich auch das Alleinstellungsmerkmal von unserem System. Und dadurch haben wir die Sicherheitsfunktion von vornherein integriert."

    Und das macht völlig neue Anwendungen denkbar. So könnte der flexible Greifer einem Mechaniker Werkzeuge reichen. Er könnte Kranken das Kissen aufschütteln oder Rollstuhlfahrern im Supermarkt das Müsli aus dem Regal angeln. Ob all diese Visionen Wirklichkeit werden, ist nicht zuletzt eine Frage der Kosten. Und auch da sind die Entwickler optimistisch. Die voll funktionsfähigen Teile des Bionikarms lassen sich heute über Nacht mittels 3D-Laserdruck aus einer Kiste Plastikpulver herstellen. Die helfende Hand soll deshalb nur einen Bruchteil heutiger Assistenzroboter kosten, betont Peter Post.

    "Sodass es tatsächlich auch für den Privathaushalt später mal einsetzbar und leistbar ist."

    Eine Idee, wofür er selbst zu Hause einen bionischen Handlingassistenten gebrauchen könnte, hat er nach kurzem Überlegen auch parat.

    "Ich muss meiner Frau immer die Gardinen aufhängen. Und dann wird mir der Arm immer schwer, wenn ich da oben so über Kopf irgendwelche Sachen machen muss. Da wäre dieses System hervorragend dafür geeignet."