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Immense Schäden für Mensch und Umwelt

Wir haben es auf dem Teller, in der Tasse, im Glas und manchmal auch im Tank: Palmöl. Der Verbrauch hat sich in den letzten 30 Jahren verdreifacht - auf Kosten von Umwelt und Menschen in Indonesien, wo das Universalöl vorwiegend produziert wird.

Von Wolfgang Zimmer | 18.02.2011
    Das Problem ist die vielseitige Verwendbarkeit. Palmöl dient als Bratfett in der Küche, als Beigabe bei der industriellen Produktion von Margarine, Back- und Süßwaren aber auch in der chemischen Industrie zur Herstellung von Farben, Seifen, Waschmitteln und Schmierölen. Immer häufiger wird es auch als Beimischung im Bio-Sprit benutzt. Die große Nachfrage und die vergleichsweise billigen Produktionsmöglichkeiten führen in Indonesien und Malaysia zu immer rücksichtsloseren Anbaumethoden. Christina Neubauer vom Westpapua-Netzwerk hat bei längeren Aufenthalten in Indonesien immer wieder erlebt, dass seit den 80er-Jahren Menschen vertrieben werden, um neue Anbaugebiete erschließen.

    "Diese Unternehmen kommen in diese Regionen, machen Versprechungen auf bessere Lebensbedingungen, versprechen Schulen, Infrastruktur, Häuser, Strom – alles was sie jetzt nicht besitzen - und die Menschen wissen nichts über die eigentlichen Folgen dieser Palmölplantagen, weil einfach der Zugang zu Bildung und Information fehlt, werden auch mit militärischer Gewalt unter Druck gesetzt, Verträge evtl. nur mit einem Fingerabdruck zu unterzeichnen. Und was man feststellen muss: dass sich diese Versprechungen in der Realität niemals bewahrheiten."

    Noch vor zwei Jahren bauten in Indonesien rund 1,5 Millionen Kleinbauernfamilien Ölpalmen an. Ihre Plantagen sind im Durchschnitt zwei Hektar groß. Doch die Besitzverhältnisse verschieben sich. Großkonzerne betreiben mittlerweile Plantagen in einer Größenordnung von mehr als 200.000 Hektar. Illegale Rodungen des eigentlich geschützten Regenwaldes sorgen für immer größere Abbaugebiete. Kontrollen oder gar Sanktionen durch die Behörden gibt es so gut wie nie. Friedel Hütz-Adams hat für Brot für die Welt, den Verein Südwind und die Vereinte Evangelische Mission eine umfassende Studie erstellt. Seine größte Sorge: die ständig zunehmenden Palmölflächen.

    "Die Palmen wachsen mit riesiger Geschwindigkeit. US-Behörden und Weltbank schätzen, dass die Flächen um rund 350.000 Hektar zugenommen haben – was enorm große Flächen ja sind – und eines der Probleme ist, dass aufgrund dieses schwachen Rechtsrahmens in Indonesien viele der bestehenden Umwelt- und auch sozialen Gesetze im Palmölanbau nicht eingehalten werden."

    Durch das radikale Abholzen des Regenwaldes verlieren nicht nur Tausende Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum; auch die Menschen leiden. Die Ureinwohner in West Papua sind auf den Wald angewiesen. Trotzdem werden sie – auch mit Unterstützung des indonesischen Militärs - verjagt, wenn sie es wagen, gegen Holzeinschlag zu protestieren. Friedel Hütz-Adams hat bei den Recherchen für seine Studie festgestellt, dass der Druck auf die einheimische Bevölkerung ständig wächst, immer neue Regenwaldflächen zu roden.

    "Mit verheerenden Klimafolgen, aber auch verheerenden Folgen für die Menschen, die bisher vom und im Wald lebten. Menschenrechtsverletzungen werden aus all diesen Gebieten gemeldet, wo im Moment der Palmölausbau massiv ausgebaut wird. Es gibt überall Konflikte mit der lokalen Bevölkerung. Oftmals zieht die Bevölkerung bei diesen Konflikten den Kürzeren, weil sie eben nicht die Macht haben, die diese Großkonzerne, die hinter dem Palmölausbau stehen, zum Teil haben."

    Brot für die Welt, der Verein Südwind und die Vereinigte Evangelische Mission fordern die Bundesregierung und die Europäische Union auf, Druck auf die indonesische Regierung auszuüben. Wenigstens internationale Standards müssten eingehalten werden. Das könnte durch Regelungen bei der Einfuhr erreicht werden, glaubt Jochen Motte von der Vereinigten Evangelischen Mission.

    "Im Blick auf die Europäische Union und auch auf Deutschland sehen wir hier eben die Verpflichtung, sich verstärkt für die Durchsetzung von Nachhaltigkeitskriterien beim Einfuhr von Palmöl für Nahrungsmittel und die chemische Industrie einzusetzen. Die Verwendung von Palmöl für die Treibstoffproduktion gefährdet die Nahrungsmittelsicherheit auch und vor allem der Armen."

    Gerade der soziale Aspekt dürfe neben der ökologischen Kontrolle nicht außer Acht gelassen werden, meint Carolin Callenius vom Hilfswerk "Brot für die Welt". Sie appelliert noch einmal an die Bundesregierung, gemeinsam mit den EU-Partnerstaaten für die Palmöl-Einfuhr entsprechende Nachhaltigkeitsbestimmungen festzulegen.

    "Diese Nachhaltigkeitsforderung muss dringend ausgeweitet werden auf Sozialkriterien. Die Bundesregierung wollte das eigentlich, konnte sich aber auf EU-Ebene nicht durchsetzen. Es muss eigentlich von Europa aus ein Impuls weltweit gesetzt werden, dass es ökologische Standards braucht."
    Ein Orang-Utan in Indonesien
    Orang-Utan in Indonesien: Das radikale Abholzen des Regenwaldes reduziert den Lebensraum vieler Tierarten (AP)