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Intensives Blitzlicht

Technik. - Der Blick der Wissenschaft geht immer weiter ins Detail. Bis auf atomares Niveau hinab will man den Dingen auf den Grund gehen - in der Biologie etwa oder in der Chemie. Für derartige Beobachtungen müssen extrem leistungsstarke Lichtquellen her. Auf der Kristallographischen Tagung, die derzeit an der Universität zu Köln stattfindet, wurde auch der freie Röntgenlaser vorgestellt, der voraussichtlich 2012 am Deutschen Elektronensynchrotron (Desy) in Hamburg den Betrieb aufnimmt.

    Molekülen beim Entstehen zusehen, Proteine bei der Faltung beobachten, solche Dinge soll XFEL in einigen Jahren möglich machen. Die Frequenz der Röntgenstrahlung ist so klein, daß auch Atome aufgenommen werden und die Belichtungszeit des Lasers liegt bei 100 Femtosekunden, also im Bereich von Billiardstel Sekunden und kann daher mit der Ausbildung chemischer Bindungen mithalten. Das Projekt ist von erheblichem technischen und finanziellen Ehrgeiz, über 900 Millionen Euro wird XFEL voraussichtlich kosten. Es ist als europäisches Projekt konzipiert, Gastgeber Deutschland bezahlt rund 60 Prozent der Kosten. Eine Reihe von technischen Innovationen macht es überhaupt erst möglich Röntgenstrahlung so zu parallelisieren, daß sie wie ein Laserstrahl arbeitet, denn die herkömmliche Methode mit Hilfe von Spiegeln funktioniert bei der durchdringenden Strahlung nicht.

    Statt dessen wird ein Elektronenstrahl durch einen Slalomparcours aus Magneten geschickt. Bei jeder Wedelbewegung geben die Elektronen Blitze aus Röntgenlicht ab. Edgar Weckert, leitender Wissenschaftler am Hamburger Desy: "Mittlerweile ist diese Technik ausgereizt, und der Trick, den man beim Laser macht, ist - ich benutze einen extrem parallelen Elektronenstrahl, dafür brauche ich einen Linearbeschleuniger. Den kann ich in einem Speicherring nicht so parallel halten und dann schicke ich die durch sehr, sehr lange Magnetstrukturen." Am Ende verläßt vollkommen gleichgerichtetes Röntgenlicht den Laser und kann für die extrem scharfe und kurze Beleuchtung genutzt werden.

    Für einen Röntgenlaser genügen wenige Einzelmoleküle, um ihre Struktur zu bestimmen. Anwendungen aus der Biologie oder der Pharmazie gibt es da zuhauf. Doch auch die Ingenieure können sich Einsatzmöglichkeiten für Röntgenlaser vorstellen. Weckert: "Industriefirmen können ihn für ihre Untersuchungen in der Katalyseforschung oder in der Erforschung von Spannungszuständen von geschweißten Turbinenschaufeln oder Tragwerken von Flugzeugen verwenden." Die Energie der Röntgenlaser wie XFEL reicht sogar aus, exotische Materiezustände zu erzeugen, wie sie im Inneren großer Gasplaneten herrschen. "Diese Laser können relativ große Mengen, also im Bereich von Kubikmikrometern oder etwas mehr, auf sehr hohe Plasmatemperaturen erhitzen und gleichzeitig die Dichte eines Festkörpers erreichen. Das ist ein Materiezustand in diesen stellaren Objekten."

    [Quelle: Mathias Schulenburg]