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Invasive Arten
Rote Schlauchpflanze bedroht Moorlandschaften

Die Rote Schlauchpflanze wird zum Problem. Ursprünglich stammt sie aus Nordamerika, ist aber zunehmend auch in Europa zu finden und bedroht auch in Deutschland heimische Arten und Moorlandschaften. Schuld daran sind nach Ansicht britischer Wissenschafter vor allem Pflanzenliebhaber.

Von Volker Mrasek | 19.12.2018
    Grün-rote trichterförmige Pflanze, von deren Spitze sich eine Spinne abseilt
    Rote Schlauchpflanze (Sarracenia Purpurea) (picture alliance/Photoshot/BCI)
    Keine Frage! Die Rote Schlauchpflanze ist ein faszinierendes Gewächs. Sie besitzt zwar Wurzeln, doch lebt sie in Mooren, und deren Böden sind ziemlich nährstoffarm. Deshalb hat das rot-grün gefärbte Kraut seine Blätter zu Trichtern umgeformt. Und kommt damit an seine Lieblingsergänzungskost, wie man sagen könnte: an Ameisen.
    Der Geograf Jonathan Millett von der Universität Loughborough in England beschreibt die ausgeklügelte Strategie dahinter:
    "Außen auf den Adern der Blätter befinden sich Nektarien. Sie verlaufen bis über den Rand des Blatttrichters nach innen. Die Ameise wird von dem Nektar, den sie abgeben, angelockt, krabbelt das Blatt hoch und bis über den Trichterrand hinaus. Dort aber sitzen schlüpfrige Haare, an denen sich die Ameise nicht festhalten kann. Also stürzt sie in den Trichter, in eine Art Verdauungssaft, und wird zersetzt."
    Ein raffinierter Fangmechanismus! Die besser bekannte Venus-Fliegenfalle hat zum Beispiel einfach nur klebrige Blattanhängsel.
    Exot wird zu einem großen Problem
    Doch so faszinierend die Rote Schlauchpflanze auch sein mag: Es gibt ein großes Problem mit dem Exoten! Ursprünglich kam er nur in Nordamerika vor. Doch weitgehend unbemerkt hat sich die Pflanze auch in vielen europäischen Mooren eingenistet - als fremde Art, die hier nicht hingehört. Sie oder ihre Samen seien ganz bewusst ausgesetzt worden, sagt Millett - von Enthusiasten, die sich für fleischfressende Pflanzen begeisterten. Man spricht dann auch von einer "Ansalbung":
    "Leute sind hinausgegangen und haben sie gepflanzt. Weil sie die Idee mögen, solche Exoten draußen in der Natur zu sehen. In Großbritannien ist die Schlauchpflanze in allen Fällen absichtlich eingeführt worden. Ich fürchte, dass es in ganz Europa genauso war. Und ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass es Leute gibt, die sie auch weiterhin freisetzen."
    Ellen Goddard ist Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Jonathan Millett. Sie ist dabei, die Fachliteratur zu durchforsten, um zu sehen, wo die fleischfressende Pflanze schon überall gedeiht. In Großbritannien und Irland hat die Biologin auch selbst Standorte mit dem Einwanderer aufgesucht. Dort gab es vermutlich die frühesten Aussetzungen in Europa, schon vor 150 Jahren. Und dort wachsen auch die größten Bestände der Insektenfresser, die man als Topfpflanze im Handel kriegt: Dichte Teppiche mit Hunderttausenden von Individuen, wie Ellen Goddard sagt:
    "In Großbritannien und Irland gibt es vermutlich zehn oder mehr Populationen. Genau kann man das nicht sagen, denn stellenweise hat man begonnen, sie zu entfernen. Finden kann man die Pflanzen auch in Frankreich, Deutschland, Schweden, Finnland und der Schweiz. Das sind aber nur vorläufige Daten. Bestände könnte es auch noch anderswo geben."
    Verbreitung durch den Wind eher selten
    Fundorte in Deutschland sind bisher Moorgebiete in Niedersachsen, Mittelfranken, im Bayerischen Wald und in der Lausitz.
    Die Schlauchpflanzen vermehren sich vorwiegend über Ausläufer in der Erde, sogenannte Rhizome. Die Verbreitung ihrer Samen durch den Wind spielt nur eine untergeordnete Rolle. Deswegen dehnen sich die Bestände nicht so stark aus wie die anderer invasiver Pflanzen. Andererseits sind Moore einzigartige Ökosysteme. Macht sich die Rote Schlauchpflanze in ihnen breit, büßen sie ihren natürlichen Zustand ein. Die typischen Torfmoose werden dann von ihr verdrängt. Und so viele unberührte Moore gibt es in Europa ja nicht mehr. Jonathan Millett redet deshalb allen Liebhabern exotischer Pflanzen ins Gewissen:
    "Man braucht nur eine Person, die einen einzigen Samen oder eine Pflanze aussetzt, und schon ist sie eingeschleppt! Ich möchte jedem sagen, der vielleicht so etwas vorhat: Behalte Deine fleischfressende Pflanze im Haus und genieße sie dort! Man sollte grundsätzlich keine potenziell invasiven Arten aussetzen!"