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Investigative Journalisten in Tschechien
Verhört im Auftrag der Regierung?

Bevor Andrej Babis Ministerpräsident in Tschechien wurde, war er Unternehmer. Journalisten, die bis heute kritisch über seine Geschäftspraktiken berichten, sehen sich zunehmendem Druck ausgesetzt. Ihre Kritik: Polizisten lassen sich von der Politik instrumentalisieren.

Von Kilian Kirchgeßner |
    Public protest against steps taken by criminally prosecuted Prime Minister Andrej Babis and his cabinet ruling without parliament's confidence took place at Wenceslas Square, Prague, Czech Republic on Monday, April 9, 2018.
    Proteste gegen Andrej Babis am 9. April 2018 in Prag (dpa/CTK/Michal Kamaryt)
    Eine Demonstration auf dem Wenzelsplatz in Prag vor wenigen Tagen, Zehntausende fordern den Rücktritt des tschechischen Premierministers Andrej Babis. Auf einigen der Plakate tauchen die Namen von drei Journalisten auf, dazu der Slogan: "Wir geben Euch nicht her!" Einer der Namen ist Jaroslav Kmenta, er gehört zu den profiliertesten Investigativ-Journalisten in Tschechien.
    "Dass die Demonstranten hinter uns stehen, das war eine Botschaft an Babis. Es zeigt: Den Leuten ist klar, dass es nicht nur die Probleme von uns Journalisten sind, sondern dass es die ganze Gesellschaft angeht."
    Verhöre haben einen neuen Charakter
    Jaroslav Kmenta ist einer von drei Enthüllungsjournalisten, die kurz vorher einen offenen Brief geschrieben hatten. Immer häufiger würden sie von der Polizei vorgeladen und aufgefordert, ihre Quellen preiszugeben. Wörtlich heißt es: "Wir sind überzeugt davon, dass die Ermittlungen uns und unsere Quellen verunsichern und uns von der weiteren Arbeit abhalten sollen."
    "Ich habe solche Verhöre in den vergangenen 29 Jahren meiner Karriere oft erlebt, die Kollegen ebenfalls. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Journalisten von Zeit zu Zeit vorgeladen werden. Normalerweise läuft das im Rahmen von festen Regeln ab. Die Polizisten fragen uns also, weil sie fragen müssen; wir verweigern mit Hinweis auf den Informantenschutz unsere Aussage, und nach einer halben Stunde gehen wir wieder. Jetzt hat es einen neuen Charakter: Sie gehen mit anderen Methoden mit uns um, sie tauchen viel weiter ein in die Geschichte, sie laden reihenweise Leute vor, die theoretisch als unsere Informanten in Frage kämen. Ich vermute, das ist Teil des Bemühens, uns an die Kandarre zu nehmen, uns zu bestrafen."
    Andrej Babis mag keine kritischen Fragen
    Neben Jaroslav Kmenta haben auch Sabina Slonkova und Janek Kroupa den offenen Brief unterschrieben - auch sie renommierte Investigativ-Reporter bei verschiedenen Medien. Ihre Gemeinsamkeit: Alle drei haben in den vergangenen Jahren immer wieder über unlautere Geschäftspraktiken des Milliardärs und jetzigen Premierministers Andrej Babis recherchiert, sie haben in seiner Vergangenheit gewühlt.
    "Ich weiß von meinen Quellen, dass er von uns die Schnauze voll hatte. Er ist überzeugt davon, dass die medialen Attacken - und er nimmt unsere Recherchen als solche wahr - ihn bei den Wahlen im vergangenen Jahr fünf Prozent an Wählerstimmen gekostet hätten."
    Tatsächlich äußert sich Andrej Babis immer wieder abfällig über Journalisten. Dass er kritische Fragen auf Pressekonferenzen mit persönlichen Angriffen kontert, gehört fast schon zum Standard - so wie vor einigen Tagen.
    "Einige von Ihnen machen eine Kampagne. Versuchen Sie doch zumindest, objektiven Journalismus zu betrieben."
    Kumulation von Macht statt Machtverteilung
    Gefährlich werden Babis Attacken gegen die Medien nach Ansicht vieler Beobachter, weil er viel Macht in seiner Person vereint: Seine Partei hat über verschiedene Ministerien Zugriff auf Geheimdienst und Sicherheitsbehörden; zugleich gehören zu dem von Babis aufgebauten Imperium auch einige der meistgelesenen Zeitungen des Landes.
    "Wir sind ein kleines Land mit unseren zehn Millionen Einwohnern, da ist jede solche Kumulation von Macht sofort zu spüren. Babis versucht etwas, das die Gesellschaft seit 1989 nicht mehr kennt. Immer funktionierte hier seit dieser Zeit eine Machtverteilung; eine Konkurrenz in Medien, Politik und Wirtschaft. Das fehlt heute."
    Die Konsequenz auf den steigenden Druck
    In dem offenen Brief fordern die Investigativ-Journalisten die Ermittlungsbehörden dazu auf, sich nicht von der Politik instrumentalisieren zu lassen. Jaroslav Kmenta vermutet, dass die Polizei in den Verhören auch nach Informationen sucht, die ihn und seine Kollegen diskreditieren könnten.
    "Es geht um die Sicherheit und vielleicht auch das Leben unserer Quellen. Um mich selbst geht es mir dabei gar nicht, ich bin seit Beginn meiner Berufslaufbahn gewöhnt an Verhöre und Anschuldigungen. Aber ich bin nicht gewöhnt daran, dass jemand die Quellen unserer Informationen liquidiert; das ist eine gefährliche Entwicklung."
    Eine Konsequenz aus dem steigenden Druck habe er zusammen mit seinen beiden Kollegen gezogen, sagt Jaroslav Kmenta: Während sie sich vorher nur entfernt kannten, wollen sie jetzt enger zusammenarbeiten, obwohl sie für verschiedene Medien schreiben.
    "Das hat zwei Gründe: Erstens sichern wir uns ab, falls zufällig einem von uns etwas passiert. Und zweitens können wir mehr herausfinden, wenn wir unsere Informationen kombinieren. Wie man so schön sagt: Mehr Köpfe wissen mehr."