Freitag, 10. Mai 2024

Archiv

IS-Terror
"Terroristische Ausbildung ist schwer nachzuweisen"

Der Leiter des Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik, Rolf Tophoven, hat der Forderung der Union widersprochen, bekannten Islamisten die Pässe zu entziehen. Solange nicht eine straffällige Handlung nachzuweisen sei, habe man qua Gesetz kaum eine Handhabe, jemanden an der Ausreise zu hindern, sagte Tophoven im DLF.

Rolf Tophoven im Gespräch mit Rainer Brandes | 26.09.2014
    Ein von Dschihadisten veröffentlichtes Foto zeigt mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe IS, darunter der Militärchef und gebürtiger Georgier Abu Omar al-Shishani (links)
    Ein von Dschihadisten veröffentlichtes Foto zeigt mutmaßliche Mitglieder der Terrorgruppe IS, darunter der Militärchef und gebürtiger Georgier Abu Omar al-Shishani (links) (AFP / HO / Al-Itisam Media)
    Christoph Heinemann: Auch Großbritannien will sich an den Luftangriffen auf Stellungen der Dschihadisten-Organisation Islamischer Staat beteiligen. Darum hat der Irak nun auch Großbritannien offiziell gebeten. Heute soll das Unterhaus in London darüber debattieren. Eine Zustimmung des Parlaments gilt als sicher.
    Der UNO-Sicherheitsrat fordert unterdessen von allen Staaten, die Einreise von Islamisten nach Syrien und in den Irak zu verhindern. Die Union fordert, bekannten Islamisten die Pässe zu entziehen. Die Opposition lehnt das ab und sagt, die Gesetze seien ausreichend. Mein Kollege Rainer Brandes hat gestern Abend darüber mit Rolf Tophoven gesprochen, dem Leiter des Instituts für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik.
    Rainer Brandes: Muss Deutschland nach der UN-Resolution gar keine Gesetze überarbeiten?
    Rolf Tophoven: Es ist über Jahrzehnte in der Diskussion um die Bekämpfung von Terroristen immer das gleiche Spiel: Passiert etwas, wird sofort von gewissen Politikern nach einer Gesetzesänderung, einer Gesetzesverschärfung gerufen, und andere reden dann im Gegenzug, unsere Gesetze reichen aus.
    Ich glaube, die Schwierigkeit der aktuellen Situation liegt in der Tat, den Nachweis zu erbringen, dass ein Mann hier, der in Deutschland bis dato nicht straffällig geworden ist, über die Türkei in das Kampfgebiet Syrien/Irak reisen will. Solange nicht eine straffällige Handlung hier ihm nachzuweisen ist, haben wir kaum qua Gesetz eine Handhabe, ihn an der Ausreise zu hindern.
    Brandes: Das heißt, wenn ich Sie kurz unterbrechen darf: Forderungen, wie sie heute aus der Union kamen, diesen bekannten Islamisten schon im Vorfeld die Pässe zu entziehen, das wird nicht funktionieren?
    Tophoven: Das wird auch von daher nicht funktionieren, weil auch der reine Passentzug ihm ja noch immer die Identity-Card, also den Personalausweis belässt, und solange noch einmal er hier nicht irgendwelche terroristische Absichten erkennen lässt, haben wir aufgrund des hohen Gutes der deutschen Staatsbürgerschaft keine Chance, ihn direkt an der Ausreise zu hindern.
    Tophoven: Terrorausbildung ist schwierig nachzuweisen
    Brandes: Das heißt, man kann ihnen dann nur habhaft werden, wenn sie wieder einreisen. Jetzt sagt der Verfassungsschutz, dass ungefähr 450 Deutsche im Irak und in Syrien kämpfen, und 120 von denen sind schon zurückgekehrt. Sind die alle gefährlich?
    Tophoven: Sie sind dann gefährlich, wenn sie dort eine Kampfausbildung, also ein militärisches Know-how und auch die Lizenz zum Töten bekommen und erworben haben.
    Es gibt aber auch Islamisten, die in diese Gebiete reisen, die als Sanitäter arbeiten, also im humanitären Gebiet operieren, die also keinen Mord und Totschlag begehen. Das muss man ihnen aber nachweisen und gerade in diesem Nachweis liegt ja die große Schwierigkeit für die deutschen Sicherheitsbehörden, denn wie wollen Sie einem nachweisen, dass er sich einer terroristischen Kommandoausbildung unterzogen hat, wenn Sie nicht wirklich es selbst gesehen haben.
    Das wird juristisch sehr, sehr schwierig sein. Allerdings sind grundsätzlich die Männer, die dort kämpfen, oder dort sich aufhalten, eine Gefahr und da übertreiben die deutschen Sicherheitsbehörden bestimmt nicht.
    Brandes: Die internationale Staatengemeinschaft versucht ja, im Moment mit militärischen Mitteln den IS zu bekämpfen. Die USA, Frankreich und arabische Staaten bombardieren IS-Stellungen im Irak und Syrien. Aber eigene Bodentruppen, die wollen sie nicht schicken, sondern das den Kurden überlassen. Kann diese Strategie funktionieren?
    Tophoven: Ich glaube, dass am Ende diese Strategie nicht funktionieren wird. Wir haben ja das Beispiel Israel. Im Gaza-Konflikt hat über Wochen die israelische Luftwaffe den Gaza-Streifen bombardiert.
    Am Ende musste man, um die nach Israel hineinführenden Tunnelsysteme zu zerstören, mit Bodentruppen hinein. Etwas Ähnliches wird sich auch angesichts schon der geografischen Dimension des Islamischen Staates, denn es ist ja nicht irgendeine isolierte Terrorzelle, sondern ist ein großer geografischer Raum in der Größe Großbritanniens. Dann kommt hinzu, dass IS militärisch operativ exzellent aufgestellt ist und gut operiert. Sie ziehen die Truppen aus den bombardierten Gebieten zurück, verschanzen sich in Bunkern, ziehen ihre Waffen ab und sind sehr, sehr flexibel, sodass ich der Meinung bin und das auch fordere, dass trotz der massiven Luftschläge, die partiell die Terroristen mit Sicherheit schwächen - das ist keine Frage -, ich glaube, am Ende muss es so sein, wie die Militärs sagen, the Boots on the Ground, also kombinierte Luft- und Bodenoperationen.
    Tophoven: Bundeswehr bietet Know-how im humanitären und ausbildenden Bereich
    Brandes: Und muss sich auch Deutschland mit Soldaten beteiligen? Obama hat ja die Weltgemeinschaft aufgerufen, sich zu beteiligen.
    Tophoven: Der Einsatz deutscher Soldaten der Bundeswehr müsste ja streng genommen wie im Falle Afghanistan durch eine Parlamentsentscheidung herbeigeführt werden.
    Was die Bundeswehr, die ja eh schon personell und materiell, wie wir ja auch in diesen Tagen erleben müssen, an der Obergrenze angekommen ist, was die Bundeswehr leisten kann, ist sicherlich gutes Know-how in der personellen Ausbildung der Peschmerga-Milizen. Das kann die Bundeswehr leisten. Und auch in der Waffen- und Materiallieferung, die ja jetzt angelaufen ist, ist Deutschland da wohl ganz gut aufgestellt. Aber dann ist auch schon die Grenze eines deutschen Engagements, abgesehen natürlich von humanitären Hilfsgütern und Hilfsleistungen, dann ist die Deutsche Grenze auch erreicht.
    Heinemann: Rolf Tophoven vom Institut für Terrorismusforschung und Sicherheitspolitik. Die Fragen stellte mein Kollege Rainer Brandes.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.