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Italien
Unsere Stadt soll christlich bleiben

Am Ortseingang von Pontoglio in Norditalien steht ein Schild mit der Aufschrift: "Dies ist ein Ort westlicher Kultur und tief empfundener christlicher Tradition – Wer nicht bereit ist diese Kultur und die lokalen Traditionen zu respektieren, wird dazu aufgefordert, unsere Stadt zu verlassen". Ist das noch Begrüßung oder schon Diskriminierung? Das Beispiel macht jedenfalls Schule.

Von Thomas Migge | 29.02.2016
    "Wenn die hier zu uns kommen, dann müssen die sich uns anpassen. Basta! Das ist doch ganz einfach. Wir erwarten nur, dass diese Menschen unseren Regeln des Zusammenlebens Folge leisten", sagt Alfio Magnani. Er begrüßt es von Herzen, dass die Stadtverwaltung endlich etwas zur Verteidigung der, wie er sagt, "christlichen Identität" unternommen hat. Er steht deshalb voll und ganz hinter dem Bürgermeister. Egal was die, so Alfio, "gottlosen Zeitungen schreiben". Wie der Zeitungshändler denkt auch Rentner Alvise Culli. Er findet es gut, dass die Stadtverwaltung jetzt auch ein Schild aufgestellt hat, am Ortseingang, das klipp und klar sagt, wie die Kleinstadt tickt.
    "Das Schild ist eine Warnung, an jene, die meinen, sie könnten unsere christliche Identität untergraben. Damit meine ich Leute, die sich nicht dieser Identität zufolge aufführen".
    Benvenuto, willkommen in Pontoglio, in der norditalienischen Provinz Brescia.
    Bevor der Besucher auf das Territorium der Kleinstadt mit rund 7000 Bürgern fährt, wird er von einem Straßenschild empfangen. Darauf ist zunächst der Name "Pontoglio" zu lesen, der auch im Dialekt der Provinz wieder gegeben wird, "Pontoi" – schließlich ist man stolz darauf Norditaliener zu sein. Unterhalb der beiden Namen der Ortschaft steht folgendes geschrieben: "Dies ist ein Ort westlicher Kultur und tief empfundener christlicher Tradition – Wer nicht bereit ist diese Kultur und die lokalen Traditionen zu respektieren, wird dazu aufgefordert, unsere Stadt zu verlassen".
    Seit dieses Straßenschild Ende 2015 aufgestellt wurde, sorgt es nicht nur in Pontoglio und Umgebung für großes Aufsehen, sondern in ganz Italien. Das Straßenschild provoziert auch Proteste. Als kürzlich in Rom gegen Rassismus in Italien demonstriert wurde, war auch von Pontoglio die Rede. Don Antonio Marazzi, katholischer Geistlicher aus Brescia, nahm an der Anti-Rassismus-Demonstration teil.
    "Das Problem ist, dass solche Vorfälle immer häufiger vorkommen und nur wenig getan wird, um den ideellen Humus, der solche Reaktionen provoziert, zu bekämpfen. Hinzu kommt die chronische Wirtschaftskrise Italiens mit Massenarbeitslosigkeit. Und so kommt es, dass man im Einwanderer nicht einen Bruder sondern einen Feind sieht."
    Pontoglios Bürgermeister ist kein Mitglied der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord, die sich zunehmend als italienische Version des französische Front National von Marine Le Pen versteht. Die Ortschaft wird von Alessandro Seghezzi regiert. Er steht einer Stadtregierung aus Berlusconis Partei Forza Italia und der Zentrumspartei UDC vor. Bisher waren beide Parteien nie als besonders katholisch aufgefallen. Aber Seghezzi versteht sich als, Zitat, "überzeugter Norditaliener", und das bedeutet für ihn – ähnlich wie auch für die Mitglieder der Lega Nord – dass römisch-katholische und lokale traditionelle Werte gegen das, so Seghezzi, "ausufernde Gutmenschentum der Linken" verteidigt werden. Deshalb das warnende Straßenschild. Alessandro Seghezzi:
    "Wir sind nicht fixiert auf Religion oder auf Ausländer. Uns geht es ganz einfach darum, dass Menschen aus anderen Kulturen bereit sein müssen, unsere Traditionen und unseren Glauben zu respektieren. So ist es hier bei uns unter Androhung von Strafen untersagt, dass in Schulen in der Weihnachtszeit Krippen verboten oder Kruzifixe abgehängt werden."
    Seit einigen Jahren werden Kruzifixe von den Wänden öffentlicher Gebäude abgehängt, in der Weihnachtszeit verschwinden die Krippen von öffentlichen Plätzen. Man wolle, so heißt es, die religiösen Gefühle nicht-christlicher Mitbürger nicht verletzen. Gegen solche Entscheidungen wettern in ganz Italien nicht nur die Politiker der Lega Nord, sondern auch immer mehr Vertreter und Mitglieder anderer Parteien. Unterstützt werden sie dabei von der katholischen Bischofskonferenz. Auch sie sieht christliche Traditionen in Gefahr. Angelo Bagnasco, Präsident der Bischofskonferenz, fordert deshalb nicht nur seitens der Neuankömmlinge mehr Respekt dem, Zitat, "im Lande dominierenden christlichen Glauben gegenüber", sondern auch seitens so mancher Italiener.
    Von Respekt sprechen auch die Bürger Pontoglios – selbst solche, die sich als überzeugte Linkswähler erklären, wie die Buchhändlerin Claudia Della Croce:
    "Es handelt sich hier nicht um Diskriminierung, und ich bin nun wirklich keine Ausländerfeindin, aber es geht um gegenseitigen Respekt."
    Dem Bürgermeister von Pontoglio scheint es aber nicht nur um gegenseitigen Respekt zu gehen. Er macht es Ausländern, die sich auf dem Stadtgebiet niederlassen wollen, schwer. Ein Beispiel von vielen: Während im übrigen Italien für eine Aufenthaltsgenehmigung durchschnittlich 50 Euro bezahlt werden müssen, kostet sie in Pontoglio 425 Euro.
    Rund 17 Prozent der Einwohner Pontoglios sind Ausländer. Fast alle haben einen Arbeitsplatz. Einen Anspruch auf den Bau einer Moschee, eines Tempel oder einer orthodoxe Kirche haben sie nicht. Nur in Privatwohnungen dürfen sie ihren Glauben leben.
    Gegen einen solchen Umgang mit ausländischen Mitbürgern regt sich zunehmend Protest. Linkspolitiker, Bürgervereinigungen, katholische Geistliche und Ordensleute und die Gewerkschaften sprechen von offener Diskriminierung und unterschwelligem Rassismus.
    Doch der Fall Pontoglio macht Schule. Seit einigen Tagen tauchen auch in anderen Ortschaften Norditaliens Straßenschilder auf, die Besucher daran erinnern, dass sie sich auf christlichem Grund und Boden befinden und sich dementsprechend verhalten müssen. In Prevalle ging man noch einen Schritt weiter: dort informiert ein Hinweisschild am Ortseingang auch darüber, dass die Stadtverwaltung entschieden gegen die, so ist dort zu lesen, "Ideologie der Gender, der Homosexuellen und Lesben ist".