Dienstag, 07. Mai 2024

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Janning: Spanien braucht nur für Bankenabsicherung Hilfe

Josef Janning, Direktor des European Policy Center in Brüssel, sagt, dass Spanien im Gegensatz zu Griechenland nur um Hilfe für das akute Problem im Bankensektor gebeten habe. Gleichzeitig sei das Land bei Haushaltspolitik und Strukturreformen "im Plan". Grundsätzlich seien die Auswirkungen des Eintritts in die Währungsunion von den Beteiligten "seinerzeit nicht voll erkannt worden", so Janning weiter.

12.06.2012
    Bettina Klein: Spanien - auch das wissen wir seit dem Wochenende - soll also unter den Europäischen Rettungsschirm, aber nur für seine Banken. Es wird also anders als in Griechenland keine allgemeine Haushaltskontrolle geben. Warum aber ist das, was bei Griechenland, Portugal und Irland angeblich alternativlos war, bei Spanien jetzt verzichtbar? Das hat mein Kollege Rainer Brandes gestern Abend Josef Janning gefragt, er ist Direktor des European Policy Centers in Brüssel.

    Josef Janning: Nun, die Größenordnung im spanischen Fall ist eine andere. Hier ist ein akutes Problem im Bankensektor, während gleichzeitig auch die Kommission in ihrer Prüfung den Spaniern durchaus attestiert, dass sie ansonsten in Fragen ihrer Haushaltspolitik und ihrer Strukturreformen im Plan sind. Das heißt also, hier haben die Spanier gezielt auch nur diese Hilfe erbeten. Die anderen haben dem zugestimmt, weil sie es wichtig finden, dass dieser Schritt der Absicherung der spanischen Banken jetzt getan wird.

    Rainer Brandes: Der griechische Sozialistenchef hat gesagt, dass Spanien nun also unter den Europäischen Rettungsschirm kommen soll, sei ein Zeichen dafür, dass sich die EU vorbereite auf den Fall, dass Griechenland aus der Eurozone austreten sollte nach den Neuwahlen. Wie schlimm für den europäischen Einigungsprozess wäre ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone?

    Janning: Das wäre ein ziemlicher Schlag, denn das würde bedeuten, dass ein Land den Weg, den es gemeinsam mit den anderen europäischen Partnern vereinbart hat, seine tief greifenden und strukturellen Probleme zu lösen, verlassen möchte und nun auf eine Politik der Abwertung und des Risikos setzt. Das würde sowohl der Glaubwürdigkeit des Europrojektes als auch der Glaubwürdigkeit des bisherigen Krisenmanagements der anderen Europäer einen ziemlichen Dämpfer erteilen.

    Brandes: Es gibt aber Leute, die sagen, ein vorübergehender Austritt Griechenlands aus der Eurozone könnte auch für die Eurozone sinnvoll sein, Griechenland könnte sich dann erholen, und wenn es wirtschaftlich wieder gut geht, der Eurozone wieder beitreten.

    Janning: Nach meinem Eindruck würde ein Austritt Griechenlands das Land in ein ziemliches Chaos stürzen und ergäbe nur überhaupt dann wirtschaftlich auf mittlere Sicht einen Sinn, wenn es verbunden wäre mit der Entscheidung, die bisherigen Schulden nicht mehr zu bedienen. Unter dieser Voraussetzung sehe ich nicht, wie Griechenland mittelfristig in den Euro zurückkehren könnte. Was ich mir vorstellen kann, ist, dass Griechenland angesichts der sich immer weiter auftürmenden Schwierigkeiten und der Unfähigkeit, die politisch getroffenen Entscheidungen administrativ umzusetzen, hier eine mit den Partnern vereinbarte Parallelwährungslösung in Betracht kommen könnte, die wahrscheinlich mit einem weiteren Schuldenschnitt einhergehen müsste, aber wohl gemerkt ein Schritt wäre, den man miteinander vereinbart und der mit Griechenland dann zusammen durchgezogen würde. Ein einseitiger Austritt Griechenlands würde das Land nicht weiterbringen.

    Brandes: Dass wir jetzt mit Spanien schon wieder über ein Land unter dem Europäischen Rettungsschirm diskutieren, zeigt das, dass Europa eigentlich nur noch eine Institution zur wirtschaftlichen Krisenrettung ist?

    Janning: Es zeigt vor allen Dingen, dass die Auswirkungen des Eintritts in die Währungsunion von den Beteiligten seinerzeit nicht voll erkannt worden sind, vielleicht auch nicht erkannt werden konnten. Sie dramatisieren sich nun in dieser Krise und zeigen sich in einer ungemein zugespitzten Form. Es wird deutlich, dass ohne eine gemeinsame Beratung und wahrscheinlich auch eine gemeinsame Entscheidung über die Neuverschuldung, über die Haushaltspolitik von Staaten und damit auch über ihre jeweiligen Anstrengungen, auf eine solide Haushaltspolitik hinzuzielen, der Euroraum langfristig nicht funktionieren kann, und insofern ergibt sich ein Schuh aus dieser Krise. Sie bietet die Chance, das, was in der Vergangenheit in den sogenannten guten Jahren versäumt worden ist, nun sicherlich belastet durch den Druck der Krise nachzuholen.

    Brandes: Sie sagen, das bietet nun die Chance. Aber ist es nicht so, dass jetzt eben diese Versäumnisse unter einem wirtschaftlichen Sachzwang nachgeholt werden und nicht mehr politisch inhaltlich oder ideell begründet werden? Ist das nicht ein Problem für die Akzeptanz in der Bevölkerung?

    Janning: Ja, das ist ein Problem für die Akzeptanz, weil es auch in der Öffentlichkeit nicht ohne Weiteres verständlich ist, wohin geht denn die Reise, gibt es einen Pfad, auf dem sich die EU-Staaten bewegen. Dies hat damit zu tun, dass auch viele politische Akteure sich scheuen, diese Strecke oder diesen Pfad öffentlich klar darzulegen, weil man befürchtet, dass die Bürger ohnehin nicht folgen wollen. Also zieht man es vor, gewissermaßen sich von der Krise in Entscheidungen treiben zu lassen und diese dann als alternativlos zu erklären. Das, was wir in den letzten Monaten sehen, ist ja eine Bewegung hin dazu, neben die kurzfristig wirksamen Instrumente, also Rettungsschirm, aber auch den Europäischen Stabilitätsmechanismus, eine politische Strategie zu stellen, die die EU-Staaten in einem immer stärkeren Maße dazu verpflichtet, ihre Haushaltspolitik gemeinsam zu gestalten und nicht sie im nationalen Alleingang anzulegen.

    Klein: Die Meinung von Josef Janning, Direktor des European Policy Centers in Brüssel. Mit ihm sprach gestern Abend mein Kollege Rainer Brandes.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.