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Jeder achte junge Mensch weltweit ohne Job

Auf dem UN-Gipfel 2002 in Dakkar wurde ein ehrgeiziges Ziel beschlossen: Im Jahr 2015 soll jedes Kind auf der Welt Zugang zu Bildung haben. Seither resümiert die UNESCO alljährlich die Fortschritte. Und warnt bei der aktuellen Ausgabe dringlich: die Anstrengungen müssen weiter forciert werden.

Von Suzanne Krause | 16.10.2012
    Bei der feierlichen Präsentation des Weltbildungsberichts gab es einen unsichtbaren Ehrengast: Malala Yousafzai. Die junge Pakistani kämpft seit ihrem neunten Lebensjahr, seit nunmehr drei Jahren, dafür, dass junge Mädchen zur Schule gehen dürfen. Deshalb wurde sie vergangene Woche von religiösen Extremisten hinterrücks angeschossen und lebensgefährlich verletzt. In einem Krankenhaus in Großbritannien kämpfen die Ärzte seither um ihr Leben, berichtet Gordon Brown. Der britische Ex-Premierminister ist als Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen zuständig für das Programm "Bildung für alle". Und würdigt die Verdienste des pakistanischen Teenagers.

    "Sie selbst weiß es noch nicht, aber Malala ist nun weltweit zum Symbol dafür geworden, dass Mädchen das Recht auf schulische Bildung haben. Ich hoffe, wir können von unserer heutigen Veranstaltung eine wichtige Botschaft aussenden, damit sich überall Menschen erheben, um Malala und ihren Kampf zu unterstützen: dass jedes Kind das Recht auf Bildung hat."

    Denn dieses Recht ist weiterhin keineswegs selbstverständlich. Irina Bokova, Generaldirektorin der UNESCO, warnt eindringlich vor einer kommenden Krise: Millionen Jugendlichen wird, mangels Qualifikationen, der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen bleiben.

    "Die Arbeitslosenzahlen bei den Jugendlichen sind heute schon beunruhigend. Jeder achte junge Mensch in der Welt ist ohne Job, jeder vierte verdient gerade mal knapp einen Dollar am Tag. Wir müssen die Zukunft vorbereiten und dem Schock der mangelnden Kompetenzen, der uns kurzfristig droht, möglichst vorbeugen. Rund um den Globus leben heute 250 Millionen Kinder im Grundschulalter, die weder lesen noch schreiben noch rechnen können. Das sind mehr Kinder als Brasilien Einwohner zählt. Da wächst vor unseren Augen eine verlorene Generation heran."

    200 Millionen junge Menschen brauchen heute eine zweite Chance im Bildungsbereich. Nicht nur in Entwicklungsländern. In Italien ist heute fast jeder Zweite junge Erwachsene ohne Job. Vehemente Schreib- und Lesemängel kennt jeder fünfte Erwachsene in England, jeder sechste in Deutschland.

    "Es ist schon zu spät für einfache Reformen. Was wir nun brauchen, ist eine Revolution im Bereich Lehre, technische Ausbildung, um die Schule mit der Arbeitswelt zu verknüpfen."

    Als Paradebeispiel wird die duale Lehrlingsausbildung in Deutschland zitiert, die Mischung zwischen Theorie und Praxis biete jungen Menschen Startchancen für den Arbeitsmarkt. Um den drohenden Kompetenzen-Schock etwas abzufedern, weitet die UNESCO im neuen Bericht die Forderung nach "Bildung für alle aus": jedes Kind solle nicht nur die Grundschule besuchen, sondern weiterlernen können bis wenigstens zum Realschulabschluss.

    Ein hehres Ziel, denn heute fehlen jährlich 16 Milliarden US-Dollar, um alle Kinder in die Grundschule schicken zu können. UN-Sonderbeauftragter Gordon Brown soll da Lösungsansätze finden.

    "Im kommenden April werden wir ein Washington ein Treffen veranstalten, mit dem Präsidenten der Weltbank und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen. Dabei wollen wir mit jedem einzelnen Land, dem die Umsetzung des Ziels ‚Bildung für alle' Probleme bereitet, sprechen und herausarbeiten, was die internationale Gemeinschaft tun kann, um es zu unterstützen."

    Jedem Kind weltweit Zugang zur weiterführenden Schule zu ermöglichen, würde mit acht Milliarden US-Dollar jährlich zu Buche schlagen. Pauline Rose, verantwortlich für den diesjährigen Weltbildungsbericht sagt: diese Summe entspricht dem, was die Amerikaner alljährlich an Halloween für Süßigkeiten ausgeben.