Ein Polizist hält das Taxi an, hier geht es nicht weiter, die Straße sei gesperrt. Der Taxifahrer fragt, ob es eine Bombe sei. Der Polizist sagt: nein, zum Glück nicht! Diese kleine Szene aus Amman zeigt, wie präsent die Terroristen des Islamischen Staats in diesen Tagen in den Köpfen der Jordanier sind. Noch viel präsenter sind sie im Norden. Dort lebt Zain, eine politische Aktivistin, die anonym bleiben möchte. Sie kann die Raketeneinschläge hören und sehen und zwar nicht nur jenseits der Grenze in Syrien, sondern auch auf der jordanischen Seite.
"Bislang wurde noch niemand verletzt, aber die Idee selbst ist schlimm, die Bombardierungen zu hören und zu sehen, wie die Raketen in Gärten oder auf die Straße fallen. Wir wissen überhaupt nicht, was kommt. Der Islamische Staat ist wie eine sehr große anonyme schwarze Wolke, deren Kern wir nicht genau kennen."
Verstärkte Militärpräsenz und Polizeikontrollen
Die Medien spielten die Raketeneinschläge auf jordanischem Gebiet herunter, klagt sie. Deshalb wisse man auch nicht, wer sie abfeuert. Sie berichtet von der Angst, dass die IS-Kämpfer eines Tages über diese Grenze in ihre Stadt stürmen könnten. Zwar sei das jordanische Militär dort präsenter, doch sicherer fühle sie sich nicht.
"Als wir gehört haben, dass Jordanien gegen den IS in Syrien kämpft, haben wir komplett das Vertrauen in unsere Regierung verloren, weil sie vorher stets bekräftigt haben, dass sie sich nicht an diesem Krieg beteiligen werden. Und wir fühlen uns unsicher, weil sie sich nicht um uns kümmern."
Doch die wirkliche Gefahr liege woanders, sind sich Experten einig: Der Funke könnte aus Syrien oder dem Irak überspringen, und zwar ohne, dass die IS-Kämpfer die Grenzen überhaupt überschreiten müssten.
Wie ernst die jordanische Regierung die interne Bedrohung nimmt, lässt sich auch an den Polizeikontrollen vor öffentlichen Gebäuden und auf den Straßen ablesen. Damit sendet die Regierung zwei Botschaften, meint Ottmar Oehring von der Konrad Adenauer Stiftung in Amman.
"Fürchtet Euch nicht, das ist an die Gesellschaft als solche, und traut Euch nicht, ist eine Botschaft an diejenigen, die einen Umsturz in diesem Staat befürworten würden."
Zulauf für Extremisten
Im August wurde der Regierung ein Sicherheitsbericht vorgelegt. Danach sollen extremistische Vereinigungen in Jordanien enormen Zulauf haben. Hatten sie vor zwei Jahren noch rund 5.000 Anhänger, sollen es inzwischen schon 8.000 sein. Laut dem Bericht kämpfen bereits bis zu 3.000 Jordanier in Syrien und im Irak. Vor allem in ärmeren Städten scheinen die Islamisten einen Nährboden gefunden zu haben, meint Anja Wehler-Schöck, die Leiterin der Friedrich Ebert Stiftung in Amman.
"Und das ist es auch, was gerade junge Menschen zum gefundenen Fressen für Rekrutierer macht, es gibt in den Ballungszentren wie Zarqa zum Beispiel eine hohe Arbeitslosigkeit und Jugendliche, die keinerlei Perspektive für sich sehen. Und wenn dann jemand kommt und Geld verspricht oder andere Möglichkeiten, ist es ein Leichtes, diese jungen Männer zu rekrutieren. Und da müssen die Regierungsprogramme ganz dringend ansetzen."
Doch die Männer schließen sich nicht nur dem Islamischen Staat an, auch die in Syrien agierende Al-Nusra-Front verzeichnet neue Anhänger. Bislang konkurrierten sie miteinander. Doch bei ihren Recherchen in der Stadt Zarqa und bei Gesprächen mit Islamisten dort hat Journalistin Rana Sweis beobachtet, dass die Dschihadisten auch ganz pragmatisch sein können.
"Es gibt diese Spaltung, aber seitdem die arabische Koalition mit den USA den Islamischen Staat bombardiert, hat das die beiden Gruppen zusammen gebracht, einfach weil die Al-Nusra-Front jetzt auch ein Ziel der der Koalition ist."
Kampf an mehreren Fronten
Erste Fraktionen der Al-Nusra-Front sollen sich Berichten zufolge schon den Einheiten des IS im Norden Jordaniens angeschlossen haben. Bald einer geeinten Dschihadistenfront gegenüberzustehen wäre für die jordanische Regierung ein Albtraum. Vorerst reagiert sie auf die Bedrohung, indem sie mutmaßliche IS-Unterstützer festnehmen lässt. Das reiche aber nicht aus, meint Nabil AlSharif, ehemaliger jordanischer Informationminister und politischer Analyst.
"Den Islamischen Staat muss man an zwei Fronten gleichzeitig bekämpfen, sicherheitspolitisch und ideologisch. Wir kommen gut voran an der sicherheitspolitischen Front, aber wir tun nicht genug im ideologischen Kampf. Und dieser Kampf muss in Moscheen ausgetragen werden, weil das der Ort ist, an dem die Islamisten junge Männer und Frauen ansprechen. Deshalb ist es wichtig, dass wir ihnen dort auch die moderate Realität des Islam präsentieren."
Die jordanische Regierung steht vor der schwierigen Aufgabe, mögliche Terroranschläge im Land zu verhindern und gleichzeitig die wirtschaftliche Lage zu verbessern. Fraglich ist, wie effektiv es sein kann, einseitig auf eine sicherheitspolitische Strategie zu setzen. In einem unveröffentlichten Bericht der Konrad-Adenauer-Stiftung wird an Ägypten erinnert: Wer Islamisten politisch bekämpfe und wegsperre, bewirke häufig nur, dass sich sogar reformorientiertere Islamisten ausgeschlossen fühlen und sich radikalisieren – damit könnte die jordanische Regierung gerade unwissentlich den Grundstein legen für einen hausgemachten Extremismus, der die Insel der Stabilität im Nahen Osten schon bald wie ein Tsunami überfluten könnte.