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Julia Klöckner
"Wir haben Flüchtlinge, die sich weigern, sich von Frauen das Essen anreichen zu lassen"

Wer Asylrecht in Deutschland in Anspruch nehme, der habe auch Pflichten, sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner im Deutschlandfunk. Aufs Grundgesetz könne es keinen Rabatt geben, auch keinen kulturellen oder religiösen. "Wir haben Menschen, die mit einem Bild zu uns kommen aus einer patriarchalischen Gesellschaft." Wenn diese Personen hier bleiben wollten, dann müsse sich ihr Bild auch ändern.

Julia Klöckner im Gespräch mit Bettina Klein | 29.09.2015
    Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner.
    Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner tritt für ein schärferes Asylrecht ein. (dpa / picture alliance / Fredrik Von Erichsen)
    Die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner verlangt von Flüchtlingen mehr Intergrationswillen. Die angebotenen Integrations- und Deutschkurse seien eine Verpflichtung und müssten auch angenommen werden, sagte sie im DLF. Ferner bekräftigte Klöckner ihre Forderung nach Integrationsregeln für Flüchtlinge.
    Klöckner forderte auch eine Art "Gebrauchsanweisung für Deutschland". Diese Handreichung mit deutschen Leitlinien müsse an Flüchtlinge ausgeteilt werden wie das Essen oder eine Decke. Der Ratgeber für Flüchtlinge - auch Beipackzettel oder Fibel - sollte in der Sprache der Flüchtlinge erscheinen. Nicht jeder Flüchtling könne wissen, was die Leitlinien in Deutschland seien.

    Das Interview können Sie hier in voller Länge nachlesen:
    Bettina Klein: Das Bundeskabinett wird heute zahlreiche Änderungen im Asylrecht beschließen.
    Mitgehört hat am Telefon Julia Klöckner (CDU). Sie ist stellvertretende Parteivorsitzende. Guten Morgen, Frau Klöckner.
    Julia Klöckner: Hallo! Guten Morgen, Frau Klein.
    Klein: Fangen wir mal mit der aktuellen Gesetzgebungslage an. Gehen Sie davon aus, dass das heute zu beschließende Paket eine Mehrheit bekommen wird im Bundesrat, oder müssen sich CDU und SPD da noch auf die Grünen zubewegen?
    Klöckner: Jetzt ist es an der Zeit, dass sich die Grünen bewegen, weil sie ja auch einem Realitätscheck selbst unterzogen worden sind, weil die Lage ist, wie sie ist, und ich glaube schon, dass die Mehrheit der Grünen, wenn auch nicht die bei uns in Rheinland-Pfalz, erkannt haben, dass man unterscheiden muss zwischen Flüchtlingen, die den Namen Flüchtling auch als solche zurecht nach dem Asylrecht haben, das heißt, die Bleibeperspektive haben, und Menschen, die keine Bleibeperspektiven haben. Deshalb müssen wir jetzt auch klar machen und diese Verschärfung auch durch den Bundesrat bekommen, damit auch Fehlanreize für Menschen, die gar keine Bleibeperspektive haben, unterbunden werden und dass Integration viel schneller gelingt. Also kurzum: Ich gehe fest davon aus, dass der Bundesrat dem zustimmen wird, denn es ist ein faires Angebot des Bundes auch an die Bundesländer, was an Geldleistungen, was an Unterstützung jetzt kommen wird in nächster Zeit.
    Klein: Sie sehen da auch nicht in Detailfragen Möglichkeiten, noch auf die Opposition zuzugehen?
    Klöckner: Was heißt Detailfragen? Es geht jetzt um große Linien und es geht jetzt um konkrete Entscheidungen. Bisher ist es ja so gewesen, dass die sicheren Herkunftsländer deshalb nicht ausgeweitet worden sind, weil sich die Grünen nicht bewegt haben, und jetzt ist die Frage, wer geht auf wen zu, um das Beste für unser Land und um auch den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten. Man hat ja einige Hinweise bekommen schon aus Baden-Württemberg und anderen Ländern, zum Beispiel aus Hessen, wo die Grünen mitregieren, dass sie bereit sind, dieses Gesetzespaket zu tragen, denn der Bund ist ja auf die Länder zugegangen, also auch auf die mit Grünen regierten Länder, dass er bereit ist, viele der Kosten dann auch zu stemmen.
    Offenes Herz sowie Härte und Konsequenz nötig
    Klein: Schauen wir auf die Diskussion in Ihrer Partei, Frau Klöckner. Es mehren sich doch die Stimmen, die die vielen Menschen, die nach Deutschland kommen, kritisch sehen und das bündeln in ihrer Kritik an der Bundeskanzlerin, die ja ursprünglich mal gesagt hat, wir schaffen das, und die Arme weit geöffnet hat und Menschen, die zu Tausenden auf den Autobahnen unterwegs waren, zunächst mal nach Deutschland eingeladen hat. Dann haben wir die Wiedereinführung von Grenzkontrollen vorübergehenderweise gesehen. Dennoch hat man den Eindruck, es gibt nicht nur ein starkes Grummeln, sondern einen starken Unwillen. Wir haben zuletzt den CDU-Wirtschaftsexperten Klaus-Peter Willsch gehört, der gesagt hat, in Partei und an der Basis ist die Euphorie längst nicht so groß wie an der Parteispitze und im Kanzleramt. Die CSU hat längst von Fehlentscheidung und von Fehler gesprochen. Finden Sie sich da wieder in der Kritik? Stimmen Sie da zu?
    Klöckner: Was soll denn eine Bundeskanzlerin machen? Soll sie wirklich sagen, wir schaffen das nicht und wir alle sind überfordert? Ich finde, Angela Merkel hat die richtigen Worte gefunden, dass sie sagt, es ist eine Riesenaufgabe, so wie wir sie noch nie gehabt haben, und es geht jetzt darum, bei der Bewältigung der Flüchtlingsfrage mit einem Kraftakt, den wir alle leisten müssen, jetzt das Nötige zu tun.
    Auf der anderen Seite hat sie aber auch deutlich gemacht - und sie ist ja die Taktgeberin des Paketes, das heute durch das Kabinett gehen wird, die Taktgeberin zusammen mit Thomas de Maizière, dahingehend, dass das Asylrecht auch verschärft wird. Das ist eine Verschärfung, in den vergangenen 20 Jahren haben wir so etwas nicht erlebt. Insofern glaube ich ist es das, was auch der Bundespräsident sagt: Auf der einen Seite offenes Herz, offene Arme für die, die wirklich um Leib und Leben fürchten, auf der anderen Seite ist es auch die Härte und die Konsequenz. Ich glaube, das wird auch von einer Bundeskanzlerin erwartet. Erinnern Sie sich daran, wie Angela Merkel gescholten worden ist, als sie einem Kind deutlich sagte, dass nicht jeder bleiben kann, und dieses Kind weinte. Da hieß es, Herzlosigkeit. Ihr wurde vorgeworfen, dass sie nicht schnell genug in Heidenau war. Auf der anderen Seite merken wir, wie schnell die Stimmung auch innerhalb der Bevölkerung von zwei Tagen kippt. Es ist eine Gratwanderung, es hat was mit Verantwortung zu tun und ich bin mir sicher, das werden wir schaffen, aber wir müssen konsequent sein und auch sagen, wo Grenzen sind, nämlich bei denjenigen, die unser Grundgesetz nicht achten und glauben, ihre eigenen Ideen durchsetzen zu müssen.
    Klein: Stichwort Stimmung zumindest in Teilen der Bevölkerung. Wir haben jetzt auch in Umfragen gesehen, dass Frau Merkel an Ansehen in der Bevölkerung eingebüßt hat, bei Leuten, die der Meinung sind, dass sie sich da nicht richtig verhalten hat und dass sie vielleicht nach dieser ursprünglichen Haltung in die andere Richtung überreagiert hat. Und jetzt hat man den Eindruck, alles was nicht so gut läuft und was als Überforderung wahrgenommen wird, das schieben die Deutschen - und zwar nicht nur die Politiker - der Entscheidung von Frau Merkel in die Schuhe. Sie, Frau Klöckner, nehmen die Kanzlerin da aber ganz eindeutig dagegen in Schutz, oder wie verstehen wir Sie?
    Klöckner: Ja. Das ist ja auch zu einfach zu sagen, dass sich plötzlich jetzt Flüchtlingslager und ganze Länder beginnen zu leeren, weil die Kanzlerin auf Fotos mit Flüchtlingen zu sehen ist. Das wäre jetzt ein bisschen arg einfach und würde auch den Intellekt vieler Menschen unterfordern, eine solche Äußerung. Ich habe bisher auch keinen kennengelernt, der mir sagen würde, was er denn gemacht hätte in Verantwortung, als Flüchtlinge zu uns kamen und als diese Ausnahmeentscheidung getroffen worden ist. Ich halte es, glaube ich, für deshalb so klug, wie wir jetzt vorgegangen sind, weil jetzt auch möglich ist, Härte zu zeigen und Konsequenz zu zeigen, wo die Grünen vor drei Wochen im Bundesrat oder vor fünf Wochen niemals mitgestimmt hätten.
    Wir hätten heute nicht ein solches Gesetzespaket vorliegen und unterm Strich, glaube ich, ist es falsch, Politik nur nach Umfragewerten machen zu müssen, das heißt, wie ist die Zustimmung. Mit Sympathien allein kriegt man kein Land regiert, sondern unterm Strich müssen wir sehen, wie sieht es nachher aus, und jetzt geht es darum, zu sagen, jetzt kommt die Frage, nach der Willkommenskultur ist doch die Frage, wie läuft denn die Integrations- und auch die Förderungs- und Forderungskultur an die, die zu uns kommen. Und da ist klar: Da gibt es Dinge, die können wir nicht aufgeben in Deutschland.
    Auf das Grundgesetz darf es keinen Rabatt geben
    Klein: Was meinen Sie damit?
    Klöckner: Ich meine damit, dass nicht das liberale Deutschland sich ändern muss, wenn Männer kommen mit einem mittelalterlichen Frauenbild, dass Frauen keine Respektspersonen sind, sondern dann müssen sich Zuwanderer ändern. Wer Asylrecht in Anspruch nimmt bei uns, der hat auch Pflichten. Aufs Grundgesetz kann es keinen Rabatt geben, auch keinen kulturellen oder religiösen Rabatt. Deshalb bin ich zum Beispiel für Integrationsvereinbarungen, so wie wir das auch haben in einem anderen Bereich. Da geht es um Eingliederungsvereinbarungen, wenn es um Hartz-IV-Empfänger geht, dass man sagt, man verpflichtet sich auch zu etwas, weil auf der anderen Seite man auch weiß, wenn man Rechte hat, dann gibt es auch Pflichten.
    Klein: Frau Klöckner, Männer mit mittelalterlichem Frauenbild oder Weltbild, haben Sie gerade gesagt. Wo machen Sie die aus?
    Patriarchalisches Bild von Flüchtlingen muss sich ändern
    Klöckner: Die mache ich persönlich aus, wenn mir ein Imam die Hand nicht gibt aus einem Grund: Nicht weil er oder ich erkältet bin, sondern weil mir gesagt wird, ich sei Frau. Ich erlebe das zunehmend ...
    Klein: Wir sprechen jetzt über Flüchtlinge. Meine Frage ist jetzt, wo unter den Flüchtlingen machen Sie solche Leute aus.
    Klöckner: Ja, ja! Das eine schließt das andere nicht aus. Wir haben Flüchtlinge, auch bei uns in Rheinland-Pfalz, die sich weigern, von Frauen das Essen anreichen zu lassen. Wir haben natürlich Menschen und Personen, die mit einem Bild zu uns kommen aus einer patriarchalischen Gesellschaft. Wenn diese Personen bei uns bleiben wollen, dann ist eines klar, dass sich ihr Bild auch ändern muss. Wir werden nicht Frauen als Chefinnen deshalb abziehen, damit Männer mit einem solchen Frauenbild irgendwann eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben.
    Klein: Wer konkret soll das feststellen und dann auch einfordern, was Sie gerade gesagt haben?
    Klöckner: Wir alle, auch die Medien, auch Sie. Wir alle sind da gefordert, weil es um Werte, um Aufklärung geht, für die wir gekämpft haben. Wenn der Staat sich dazu verpflichtet, Integrationskurse genügend anzubieten, Deutschkurse anzubieten, dann ist das nichts Fakultatives zur Güte; dann ist das umgekehrt eine Erwartung und Verpflichtung, dass die auch angenommen werden. Das kann man regeln und ich finde, das muss man auch regeln.
    Klein: Sie haben jetzt ein Problem genannt, Frau Klöckner. Auf der anderen Seite sehen wir auch, in welcher Situation die Flüchtlinge sich befinden im Augenblick. Wir haben gestern diese Schlägerei in Hessen gesehen. Das sind teilweise natürlich auch Bedingungen, unter denen kein Mensch auch hier in Deutschland nicht gerne über Wochen und Monate bleiben möchte und wo sich natürlich auch da mitunter Aggressivität, Aggression entlädt. Das sagen die, die dabei waren. Muss nicht schnellstmöglich alles dafür getan werden, auch die Flüchtlinge aus diesen Heimen oder Übergangsunterbringungen herauszuholen?
    Klöckner: Da nennen Sie einen wichtigen Punkt. Sicherlich ist dort, wo Menschen unter ungewöhnlichen Bedingungen leben, das heißt viele auf einem Raum, dass da Konflikte entstehen, das sehen wir ja selbst bei Fußballspielen. Aber dennoch werden in Deutschland Konflikte nicht mit Dachlatten und mit Gewalt gelöst. Das gilt für jeden, egal wo er herkommt und welche Geschichte er hinter sich hat. Es muss doch verbindend sein für die Personen, die hier Zuflucht finden, Essen bekommen, ein Dach überm Kopf auch haben, dass sie hier in einem Land sind, wo andere Regeln gelten, und dass sie nicht ihre Konflikte mit nach Deutschland nehmen. Selbst wenn man sich religiös verletzt fühlt, ist das hier noch lange kein Grund, Gewalt anzuwenden.
    Menschen eine Gebrauchsanweisung für Deutschland geben
    Klein: Was ist denn die Konsequenz für Sie daraus? Sagen Sie, wie jetzt der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, die Flüchtlinge sollen nach Ethnien und nach Religion sortiert werden?
    Klöckner: Da habe ich zwei Herzen, ganz ehrlich gesagt, in meiner Brust. Das ist vielleicht eine Schnellmaßnahme, aber das kann eigentlich nicht unsere Reaktion auf Konflikte sein. Denn die Menschen, die hier bleiben wollen, müssen vom ersten Tag an akzeptieren und lernen, dass hier Religionen friedlich miteinander leben und dass wir eben nicht mit Gewalt Konflikte lösen. Es gibt ein paar Spielregeln, die gelten in Mitteleuropa, in einem aufgeklärten Land, und das sollte man von Anfang an auch vermitteln. Ansonsten knicken wir ein vor Konflikten, die wir vorher hier nicht hatten und die wir hier auch nicht haben wollen.
    Klein: Das heißt aber in der Konsequenz dann, im Grunde genommen einfach mehr Mittel und Möglichkeiten für Länder und Kommunen, dort auch für eine Art von Unterbringung zum Beispiel zu sorgen, die solchen Konflikten entgegenwirkt?
    Klöckner: Unter anderem. Das heißt aber auch, dass Länder dann konsequent die Personen, die keine Bleibeperspektive haben, auch zurückschicken, beziehungsweise, wie Bayern es macht, Menschen ohne bleibeperspektive auch in einer extra Aufnahmeeinrichtung haben und dann vor allen Dingen Schnelligkeit wichtig ist. Das heißt aber auch - und das ist mein Ansinnen -, dass jedem, der hier herkommt, der vielleicht gar nicht wissen kann, was unsere Leitlinien sind, dass man dem in seiner Sprache erst mal, ich nenne es mal, eine Gebrauchsanweisung auch für Deutschland gibt, eine Fibel mitgibt, einige nennen es Beipackzettel mitgibt, dass wir da deutlich machen, ja, auch Deine Religion kann beleidigt werden, das ist in einem freien Land so, und hier wird keine Gewalt angewandt, dass das einem auch mal ganz konkret ausgeteilt wird, genauso wie das Essen und die Decke, mit der man sich zudeckt.
    Klein: Die Meinung von Julia Klöckner heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. Sie ist stellvertretende Vorsitzende der CDU. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Frau Klöckner.
    Klöckner: Ich danke Ihnen, Frau Klein. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.