Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Kein Mitspracherecht für Saami

Vor 10.000 Jahren kamen die ersten Nomaden und Vorfahren der Saami an den Polarkreis: Sie sind die Urbevölkerung Skandinaviens: Sie leben in Schweden, in Finnland, auf der Halbinsel Kola und in Norwegen. Ihre Rechte sind ihnen über Jahrhunderte abgesprochen worden. Zwar hat Norwegen im Jahr 1990 als erstes Land überhaupt, eine Konvention zum Schutz der Urbevölkerung unterzeichnet. Doch Papier ist geduldig. Aus der Finnmark im Norden Norwegens berichtet Alexander Budde:

13.02.2008
    Ein Kinofilm lässt halb Norwegen aufschluchzen. "Kautokeino-opprøret", "Der Aufstand von Kautokeino" erzählt vom Bekehrungseifer christlicher Missionare, vom Versuch, das Volk der Saami wider Willen unter das nationale Joch zu zwingen. Mit internationaler Starbesetzung, magischen Bildern und viel Fingerspitzengefühl hat Regisseur Nils Gaup die wahre Geschichte einer Rebellion aus dem Jahre 1852 in Szene gesetzt.

    Unrecht und Schikanen durch norwegische Lehrer und Amtleute haben viele ältere Saami im Publikum noch am eigenen Leibe erlebt. Kein Wunder, dass bei der feierlichen Premiere im Städtchen Kautokeino, im Herzen der Finnmark, die Nerven blank liegen.

    Auf dem Papier hat sich schon viel getan für die Saami: Der Erhalt ihrer Sprache und Kultur ist in Norwegen zum Beispiel gesetzlich festgeschrieben. Doch wenn es zu Konflikten kommt zwischen den nationalen Regierungen und den Vertretern der Minderheit, dann ziehen die Saami meist den Kürzeren, sagt Magne Ove Varsi vom Gáldu- Zentrum für das Recht der Urvölker in Kautokeino. Die Interessen der Industrie, des Tourismus, der privaten Waldbesitzer - sie würden allemal höher eingeschätzt als die der samischen Rentierzüchter:

    "Von echter Selbstbestimmung kann keine Rede sein. Wir werden angehört, wenn es etwa um die Nutzung von Rohstoffen auf dem Weideland der Rentierzüchter und in den Fischgründen der Fischer geht. Aber am Ende entscheiden allein das Parlament und die Regierung in Oslo. Öl und Gas sind ein nationales Interesse, von den Einkünften aus den arktischen Fördergebieten sehen wir nichts."

    Im Gefolge des Klimawandels hat die menschliche Aktivität in der Arktis, wie etwa die Suche nach Bodenschätzen, stark zugenommen, gibt Anders Oskal zu bedenken. Oskal leitet das Forschungsprojekt EÁLAT zu den wirtschaftlichen Folgen der Erderwärmung, eine Kooperation der samischen Hochschule in Kautokeino und des internationalen Rentierzüchterverbands:

    "Die größte Bedrohung für unsere Kultur ist der Verlust von Weideland. Durch den Ausbau der Infrastruktur, durch Straßen, Freizeithütten, Pipelines und andere Installationen der Petroindustrie. Nach Untersuchungen des UNO-Umweltprogramms ist in der Region um die Barentssee in den letzten 50 Jahren ein Drittel des Weidelands verloren gegangen. Das wird in den Debatten um die Anzahl unserer Rentiere gern unterschlagen."

    John Mike Eira will sich dennoch nicht entmutigen lassen. Der 17-Jährige weiß schon eine ganze Menge über seinen Traumberuf Rentierzüchter. Seine drei älteren Brüder führen eigene Zuchtbetriebe. Da muss er zuhause oft mit anpacken:

    "Im Frühsommer ziehen die Rentiere an die Küste, um dort ihre Kälber zur Welt zu bringen. Im Herbst beginnt die Brunftzeit, da kehren sie ins Hochland zurück. Wenn es dann im Fjell keine Flechten und Moose mehr für sie gibt, müssen sie auf die Winterweide. Und wir folgen ihnen. So bestimmt der Zyklus der Rentiere auch unser Leben."

    Mar Inga Gaup ist die älteste von vier Geschwistern und mit Rentieren aufgewachsen. Auch viele junge Frauen aus den Züchterfamilien wollen in den Beruf einsteigen. Zwar sei die Rentierpflege noch immer ein Knochenjob, lacht Gaup. Doch der Nachwuchs setzt auf moderne Technik.

    "Unsere Wirtschaft braucht sehr viel Platz und nur noch große Herden sind rentabel. Aber die lassen sich mit Satellitenpeilung und Laptop navigieren. Es gibt viele Ansprüche auf unser Land. Aber ich glaube, die Rentierzucht wird es in aller Ewigkeit geben. Und wer es richtig macht, der kann auch gutes Geld damit verdienen."