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Kinder pflanzen Bäume

Zwei Millionen Spendeneinnahmen jährlich, Mitglieder aus 193 Ländern, weltweite Werbekampagnen und Medienauftritte: Felix Finkbeiner, Initiator der Umweltorganisation "Plant for the Planet", ist gerade einmal 15 Jahre alt und bereits seit sechs Jahren aktiver Naturschützer.

Von Michael Watzke | 13.12.2012
    Jeden Morgen, wenn der 15-jährige Felix Finkbeiner zur Schule geht, kommt er an einem Apfelbaum vorbei.

    "Das ist ein Zierapfel."

    Felix, der mit seiner Hornbrille ein bisschen wie Harry Potter aussieht, hat diesen Baum vor sechs Jahren gepflanzt.

    "Der ist auf jeden Fall eine Menge gewachsen. Der war damals kaum größer als ich, als wir den Baum gepflanzt haben. Und mittlerweile..."

    Mittlerweile ist nicht nur der Apfelbaum gewachsen, sondern auch Felix Finkbeiners Projekt. Ein Projekt, das mit diesem Baum begann. Die Klimakampagne "Plant for the Planet", die bisher nach eigenen Angaben weltweit 12,6 Milliarden Bäume gepflanzt hat.

    "Wir hätten nie gedacht, dass es so wachsen und so groß sein würde. Es hat mit einem kleinen Klassenreferat und mit diesem einen Baum angefangen. Wir haben gehofft, dass wir vielleicht in Deutschland die Million Bäume schaffen und in ein paar anderen Ländern auch. Aber dass wir inzwischen Kinder in 193 Ländern sind, hätten wir nie gedacht."

    Jeden Tag fährt Felix nach der Schule mit der S-Bahn und dem Bus in das Headquarter der Kampagne in Tutzing am Starnberger See.

    "Jetzt sind wir gerade im Büro von "Plant for the Planet". Um all die Akademien und Veranstaltungen zu organisieren, haben wir auch Unterstützung von verschiedenen Mitarbeitern. Angefangen hat es ja als Klassenprojekt – und erst nach ungefähr einem Jahr hatten wir die erste Mitarbeiterin. Und dann ist es immer weiter gewachsen."

    17 hauptamtliche Spendeneintreiber sorgen mittlerweile für Einnahmen von jährlich zwei Millionen Euro. Das Büro stellt eine Supermarktkette zur Verfügung, außerdem lässt sich "Plant for the Planet" von einem Autokonzern sponsern. Das Geld steckt die Kampagne nach eigenen Angaben in Baumpflanzaktionen, Veranstaltungen. Und Schokolade:

    "'Die gute Schokolade’ ist ein Projekt, das wir vor sieben Monaten angefangen haben. Das ist eine Schokolade, die CO2-neutral ist und 'fair trade’. Wir verkaufen die für einen Euro. Und mit immer fünf Tafeln, die wir verkaufen, können wir einen Baum pflanzen."

    Augenblick mal. Reden wir hier wirklich mit einem 15-jährigen Schüler über ausgebuffte Cross-Marketing-Aktionen? Kann ein Junge, der bisher nicht mal Mofa fahren darf, eine weltweit tätige Umweltorganisation leiten? Auftritt Frithjof Finkbeiner, Felix’ Vater und Geschäftsführer der Stiftung "Global Marshall Plan".

    "Das Bäumepflanzen hat weder Felix noch irgendjemand anderes erfunden. Das gibt’s seit Jahrmillionen. Bäume sind die einzigen Maschinen, die CO2 binden. Also wenn irgendjemand einen Nobelpreis dafür verdient hätte, dass er CO2 aus der Atmosphäre rausholt – dann wären das Bäume! Also insofern glaube ich, dass es noch einen richtigen Run aufs Bäumepflanzen geben wird."

    Plant for the Planet nutzt diesen Run durch geschicktes Marketing mit niedlichen Kindergesichtern.

    "Kinder kämpfen für die Zukunft, pflanzen Bäume. Jeder kann was machen. Wir pflanzen alle auf der Welt für ein gemeinsames Ziel, für eine gemeinsame Zukunft. Ich glaube, das ist die starke Idee, die so resonanzstark ist, das man wenig falsch machen konnte."

    Mit der Kampagne haben die Finkbeiners bisher wenig falsch gemacht. Felix dagegen kam irgendwann an einen ungesunden Punkt. Das weltweite Medieninteresse war zu viel für ihn, sagt sein Vater:

    "Und dann haben wir als Eltern eine Krisensitzung gemacht. Der Stolz hat aufgehört, es war kein Spaß mehr. Dann kam die Sorge: Wie verarbeitet das ein Zehnjähriger, in den Medien zu stehen? Der seine Kindheit durchleben muss? Meine Frau war dafür, das komplett zu stoppen. Ich hab gesagt: Wenn Felix so was Resonanzstarkes entdeckt hat, dann haben wir gar nicht das Recht, so was zu stoppen."

    Die Eltern entschieden sich für einen Kompromiss: Sie schufen für "Plant for the Planet" einen Weltvorstand. Mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Ländern, die an der Spitze der Kampagne stehen und die Botschaft des Bäumepflanzens in alle Erdteile tragen sollen.

    "Wir haben dann die Akademien erfunden, dass dann einfach viel mehr Kinder das gleiche machten wie Felix. Sodass Felix sich irgendwann hinter die Kinder zurückziehen kann und nicht als Einziger an der Front steht."

    Aber mit der neuen Weltstruktur hat sich die Kampagne auch Probleme geschaffen. Denn der Weltvorstand setzt sich proportional nach Einwohnerzahl der beteiligten Länder zusammen. An der Spitze steht seit Jahren China. Und ob die dortigen Kinder wirklich frei entscheiden oder gelenkt werden, ist zweifelhaft.

    "Man wird sehen. Kinder können vieles tun. Wir waren gerade erst in Russland. In Russland sind viele zivile Organisationen ausgewiesen worden. Die Unicef hat ihr Büro geschlossen. Wir werden unser Büro eröffnen. Schaun wir mal."

    "Auf jeden Fall, wenn wir dort aktiv sind, müssen wir ganz genau aufpassen, wer da versucht, sich da einzubringen oder wer sich da einmischen will. Ob da Politiker sich Vorteile mit verschaffen. Da müssen wir besonders in den Ländern wie Russland und China aufpassen. Aber ich glaube, ähnliche Probleme gibt es überall auf der Welt."

    Manchmal klingt Felix Finkbeiner nicht wie ein 15 Jahre alter Schüler, sondern wie ein erfahrener Politiker. Obwohl das Letzte ist, was er sein will.