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Klimawandel unter Wasser

Umwelt. - Vor zehn Jahren riefen Unesco, World Wildlife Fund, World Conservation Union und andere nicht-staatliche Organisationen das Jahr der Korallen aus und wurden die empfindlichen Biotope eingehend auf ihren Zustand untersucht. Jetzt kommen internationale Experten zusammen, um eine Bilanz der Entwicklung zu ziehen.

Von Guido Meyer | 08.07.2008
    Temperatur, Licht, Wasser und Sedimentation - dies sind die vier Faktoren, von denen abhängt, ob und wie gut Riffe wachsen. Dies funktioniert allerdings nicht in jedem Meer der Welt, sondern nur zwischen den Wendekreisen auf beiden Seiten des Äquators. Nur in diesen Breitengraden erreichen die Meeresströmungen rund 26 Grad Celsius. Deren Tendenz ist jedoch steigend, denn auch unterhalb des Meeresspiegels macht sich der weltweite Klimawandel bemerkbar.

    "Kohlendioxid ist ein Treibhausgas, dessen vermehrter Ausstoß die Temperatur weltweit ansteigen lässt. Das Kohlendioxid aus der Luft entzieht dem Meerwasser Calciumcarbonat. Dieses benötigen die Korallen jedoch für ihr Wachstum. Ansonsten wird ihr Gerüst weicher und sie verlieren die Fähigkeit, bei einem steigenden Meeresspiegel mitzuwachsen und genügend Sonnenlicht abzubekommen."

    Ove Hoegh-Guldberg vom Zentrum für Marine Studien der Universität von Queensland in Saint Lucia, Australien. Korallenriffe gelten - neben dem tropischen Regenwald – als der artenreichste Lebensraum der Erde. Über 400.000 verschiedene Spezies an Tieren und Pflanzen vermuten Wissenschaftler im Kalk und in den Spalten der Riffe; bekannt und katalogisiert ist bislang wahrscheinlich aber erst ein Siebtel. Ob sich diese Lücke je schließen lassen wird, hängt davon ab, wie schnell die Riffe weiter sterben und wie gut sie sich an Veränderungen ihres Lebensumfeldes anpassen können.

    "Korallen leben in einer fein abgestimmten Symbiose zwischen einer Pflanze und einem Tier. Auf der Koralle, dem Nesseltier, wohnen Algen, die Photosynthese betreiben. Sie versorgen die Koralle mit Nährstoffen und verleihen ihr die Farbenpracht. Wird das Wasser jedoch zu warm, zerbricht diese Wohngemeinschaft. Die Algen verlassen ihren Wirt, wodurch die Koralle ihre Farbe verliert und ausbleicht. Außerdem kommt ihr die Energiequelle abhanden, so dass sie schlicht verhungert und abstirbt."

    Etwa ein Drittel aller Riffe weltweit sind schätzungsweise von derartigen Bleich-Prozessen betroffen. Sie kommen jedoch nicht automatisch einem Todesurteil für das Riff gleich, denn Bleichphasen kommen und gehen. Sinkt die Wassertemperatur wieder, kommen auch die Algen zurück – vorausgesetzt, die Koralle hat die Hungerperiode überlebt. In den letzten Jahren haben Meeresbiologen beobachtet, dass sich Korallen den veränderten Umweltbedingungen sogar anpassen können, wie Simon Donner bestätigt von der Geografie-Abteilung der Universität von British-Columbia in Vancouver, Kanada.

    "Viele Indizien deuten darauf hin, dass Korallen flexibel sind und eine geringe Temperaturerhöhung auf verschiedene Weise abfangen können – zum Beispiel, indem sie sich temperaturtoleranterer Algen bedienen, die auf ihnen siedeln. So schieben sie das Bleichen auf bis zu einer höheren Temperatur. Diese Anpassungsmechanismen haben wir bislang aber fast nur im Labor beobachtet. Wir wissen noch nicht, inwieweit wir das auf die Riffe übertragen können. Dort, wo diese Adaption jedoch in freier Wildbahn auftritt, hat sie einen Preis: Zwar kann die Koralle höhere Temperaturen aushalten, aber sie vermehrt sich dann nicht mehr so schnell. Oder sie wächst langsamer und wird von einer Pflanze im Kampf um den besten Platz auf dem Riff ausgebootet."

    Dass sich Korallen so schnell an neue Umweltbedingungen anpassen können, ist unter Meeresbiologen umstritten. Viele argumentieren, dass es eines wesentlich längeren Zeitraums bedarf, bevor die Evolution auf neue Herausforderungen reagiert. Sollten sich die Riffe und ihre Bewohner jedoch als anpassungsfähiger erweisen als befürchtet und die Menschheit mit der Reduzierung ihres Kohlendioxid-Ausstoßes Ernst machen, besteht noch Hoffnung.

    "Wenn Korallen sich anpassen können, sollten wir ihnen durch verschiedene Managementmaßnahmen dabei helfen. Diese umfassen zum Beispiel das Einschränken von Fischerei, Tauchtourismus und Meeresverschmutzung. Ohne diese zusätzlichen Stress könnten sich die Korallen nach einer Bleichphase leichter erholen. Damit könnten wird das endgültige Riffsterben vierzig bis fünfzig Jahre aufschieben. In dieser Zeit müssten wir den Ausstoß von Treibhausgasen absenken, um das Absterben der Korallenriffe zu stoppen, da dieser immer erst als Spätindikator auf die Riffe wirkt."

    Damit dieses Szenario funktioniert, müsste die globale Kohlendioxid-Emission bis zum Jahr 2050 allerdings um sechzig bis achtzig Prozent reduziert werden.

    http://www.nova.edu/ncri/11icrs/index.html