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Klone in Kobe

Stammzellforschung. - Anlässlich des Deutschlandjahres in Japan trafen sich die führenden Stammzellenforscher in der japanischen Hafenstadt Kobe. Gegenstand dieses Gipfeltreffens war die Rolle der Stammzellen bei der Reproduktion und im Gehirn. Nachdem in den vergangenen Monaten vor allem koreanische Wissenschaftler viele spektakuläre neue Forschungsergebnisse veröffentlicht hatten, kam die Möglichkeit zum Gedankenaustausch in Asien den Stammzellexperten gerade recht.

Von Klaus Herbst | 07.09.2005
    Shin-Yong Moon von der Seoul University präsentierte seine Experimente zur Gewinnung der ersten menschlichen Stammzelllinien durch Klonen, die er im vergangenen Jahr publiziert hatte. Seitdem ist der Eindruck entstanden, in Korea werde unkontrolliert geklont. Und sehr viele fürchten seitdem, ein geklonter Mensch könne daraus erwachsen. Der Koreaner hat sich nun auf dem Workshop von dieser Idee klar distanziert:

    " Die Erfolgsquote des reproduktiven Klonens von Tieren beträgt nur zwei Prozent. Ich bin Gynäkologe, habe also sehr viel Erfahrung mit der Befruchtung im Reagenzglas. Bei Mäusen, Kühen und Schafen ist es relativ einfach, ein Muttertier zum Austragen zu finden, aber 100 menschliche Leihmütter, das ist unmöglich. Wie sollten wir das machen? Ebenso wenig gelangen wir an so viele menschliche Eizellen. Die dritte Barriere: In Korea gibt es ein sehr strenges Gesetz, das menschliches Klonen verbietet. Wenn ein Mediziner Menschen klonen würde, dann würde er zu Recht im Gefängnis landen. Wer wollte da noch reproduktives Klonen versuchen? Es gibt also drei gute Gründe, warum es keinen Arzt gibt, der das probiert hat."

    Parkinson wird die erste Krankheit sein, bei der eines Tages Stammzellen Linderung bringen werden, sagte Moon. Einig ist sich die internationale Stammzell-Forschergemeinde auch, dass in der Forschung mit Stammzellen große Potentiale stecken: beispielsweise Unfruchtbarkeit und Alterserkrankungen zu behandeln oder geschädigte Nerven zu reparieren - bei Querschnittslähmung, Multipler Sklerose und neurodegenerativen Erkrankungen. Das so genannte therapeutische Klonen mit der höchst umstrittenen Verwendung menschlicher Embryonen könnte überflüssig werden, hoffen die Forscher. Sie entwickeln Technologien, erwachsene Körperzellen mit bestimmten Faktoren in Stammzellen zurückzuprogrammieren. Sie suchen molekulare Schalter und Gene, welche die Entstehung und Ausdifferenzierung von Stammzellen beeinflussen. Meist verfahren sie dabei nach dem Prinzip des Versuchs und Irrtum, sagt Herbert Jäckle. Er ist Entwicklungsbiologe am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen.

    " Die Lektion, die die regenerative Medizin lernen kann, ist, dass alles sehr viel komplexer ist, als wir uns das zunächst einmal vorstellen. Früher ging man davon aus, dass eine Zelle irgendwann lernt in ihrem Leben, was sie zu tun hat. Sie bekommt die Information zum Teil aus der Mutter bereits schon mit, wenn es sich ums Ei handelt und zieht dann eigentlich die Information aus der Umgebung sprich von den umgebenden Zellen. Das war so ein A-B-C-Schema, ganz einfach linear. Heute wissen wir, dass es nicht so ist. Es gibt sehr viele Faktoren, und die kooperieren in einer sehr komplexen Art und Weise. Und bevor wir dieses Spiel nicht wirklich verstanden haben, das Wechselspiel der Gene, so lange ist es eigentlich nur Trial and Error."

    Vor allem deutsche Forscher haben aber auf dem Workshop betont, wie wichtig es ist, Zellbiologie und Molekularbiologie zu kombinieren. Insgesamt werden Erfolge, ja therapeutische Durchbrüche eher langfristig erwartet, also frühestens in zehn Jahren, auch wenn eine japanische Patientenorganisation von Querschnittspatienten auf dem Workshop klinische Versuche einforderte. Sin-Ichi Nishikawa, leitender Forscher des Riken-Instituts in Kobe, hat dies positiv beantwortet: Stammzellforscher und Patienten sollten intensive Gespräche führen und sich ständig gegenseitig informieren. Der Göttinger Forscher äußert sich zuversichtlich, warnt aber auch vor Rückschlägen. Jäckle:

    " Die Stammzelltherapie, ich glaube, das wird ein neues Kapitel der Medizin aufschlagen, und es wird funktionieren, und es wird auch wunderbar funktionieren. Ich weiß nur nicht, ob das in fünf Jahren ist, wo wir die ersten wirklichen Erfolge haben, in zehn Jahren , in zwanzig oder gar in dreißig Jahren. Was man nicht vergessen darf: Wir arbeiten in der Regel ja nicht direkt am Menschen, in der Regel nicht mit der Krankheit selbst sondern mit so genannten Modellsystemen. Das heißt, wir nutzen die Maus aus, stellen dort eine ähnliche Krankheit her, indem wir das Gen, das im Menschen defekt ist, auch dort defekt setzen und versuchen dann, die Therapie bei der Maus zunächst mal zu machen. Nun ist die Maus ein anderer Organismus. Die Maus verhält sich möglicherweise etwas anders, nur leicht anders, aber das kann natürlich verheerende Folgen haben bei der ersten Therapie beim Menschen."