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KMK-Präsident Rabe: Klare Regeln bieten Chance auf höheres Leistungsniveau

Die Kultusministerkonferenz hat sich auf einheitliche Abiturstandards für alle Bundesländer ab 2017 geeinigt. Jetzt gehe es darum, durch klare Regeln das Leistungsniveau in den verschiedenen Bundesländern und Schulformen anzunähern, erklärt der Hamburger Schulsenator und amtierende KMK-Präsident Ties Rabe.

Ties Rabe im Gespräch mit Kate Maleike | 19.10.2012
    Kate Maleike: Abiturstandards, die für die Fächer Mathe, Deutsch, Englisch und Französisch ab 2017 für alle Bundesländer gelten – darauf hat sich, wie gerade gehört, die KMK, die Kultusministerkonferenz, auf ihrer Sitzung in Hamburg verständigt. Ties Rabe, der Hamburger Schulsenator, hatte Heimspiel. Es ist in diesem Jahr seine turnusmäßige Präsidentschaft, kann man sagen, und er nannte diese Einigung als einen großen Schritt für das deutsche Schulwesen, der so noch vor einigen Jahren kaum für möglich gehalten wurde. Warum hat das so lange gedauert, lautete deshalb auch meine erste Frage an Ties Rabe vor der Sendung.

    Ties Rabe: Es ist nicht ganz einfach, die entsprechenden Verabredungen auf den Weg zu bringen, wir haben ein Schulsystem und wir haben ein Bildungswesen in Deutschland, das sich in den letzten 50 Jahren sicherlich nicht zusammengefügt hat und weiterentwickelt hat. Und jetzt geht es darum, und alle Kultusminister sind sich darin einig, das Bildungsniveau in allen Schulformen und bei allen Schulabschlüssen anzunähern, und dazu müssen wir klare Regeln verabreden, dazu brauchen wir Verfahren, dazu müssen wir das Bildungsniveau punktgenau beschreiben, und vor allem, wenn wir das dann getan haben, müssen wir es umsetzen, und das bedeutet, mit Millionen Schülern und Hunderttausenden von Lehrern gegebenenfalls Veränderungen auf den Weg bringen. Ich glaube, da ist es besser, sorgfältig zu sein und sich etwas mehr Zeit zu lassen, als etwas zu überstürzen.

    Maleike: Das Ganze gilt ja ab 2017, also die Fächer Deutsch, Mathe, Englisch, Französisch, vielleicht dann auch später noch die Naturwissenschaften, gemeinschaftlich in einem Abitur-Pool, deutschlandweit. Trotzdem gibt es einige Länder, die schon 2014 starten wollen mit dem gemeinschaftlichen durchführen, das sind unter anderem Ihr Bundesland, also Hamburg, Schleswig-Holstein, Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern, allerdings ohne das Fach Französisch. Warum haben dann nicht alle gesagt, wir starten komplett mit allen Fächern 2014?

    Rabe: Dass einige Länder etwas eher anfangen, ist eher ein Zufall in der Entwicklung gewesen, denn lange Zeit sah es nicht so aus, als ob sich die Bundesländer überhaupt einmal auf einen einheitlichen Abiturstandard einigen konnten. Und da hatten dann einige Länder gesagt, na, wenn es sowieso für alle nichts wird, dann werden wir schon mal anfangen. Dann aber ist es doch noch gelungen, das zwischen allen Bundesländern klare Verabredungen getroffen worden sind, allerdings auch mit Rücksicht auf die Unterschiedlichkeit der Bundesländer zu einem etwas späteren Zeitpunkt. Wir wollen im Schuljahr 2014/15 die Oberstufen in allen Gymnasien auf diese neuen Bildungsstandards einstellen, und dann würden wir entsprechend später 2016/17 die Abiturprüfungen bundesweit auf einheitlichem Niveau haben. Und jetzt ist sozusagen dadurch, dass alle Bundesländer mitgemacht haben, die Gruppe derer, die damals vorangegangen sind, in der Frage gewesen, hören wir jetzt auf, oder machen wir weiter auf unserem Weg. Und es ist, glaube ich, klug, wenn wir ohnehin 2016/17 zu einer gemeinsamen Verabredung kommen, wenn diejenigen, die sich zutrauen, etwas eher anzufangen, jetzt schon ihre Schulen darauf einschwören, und deswegen diese Parallelität.

    Maleike: Wie verbindlich sind denn jetzt diese Zusagen? Wenn wir zum Beispiel ins nächste Jahr gucken, stehen da auch Landtagswahlen an, also wenn sich Regierungen wieder verändern, andere Kultusminister dazu kommen, gilt das dann auch weiter?

    Rabe: Ich sage Ihnen ganz offen, das ist in der Politik immer eine schwierige Frage, die man so mit dieser Klarheit selten beantworten kann. Wir können auch nicht sagen, ob der Atomausstieg anhält, wenn eine andere Regierung kommt, oder ob die Bundeswehrreform Bestand haben wird, dies sind klare Verabredungen. Und diese klaren Verabredungen haben wir öffentlich gemacht, und wir haben sie gemeinsam beurkundet und wir haben das in einer Pressekonferenz vorgestellt. Das hat eine hohe bindende Kraft, und deswegen sage ich Ihnen ehrlich, auch wenn es in der Politik viele Unwägbarkeiten gibt, ich rechne nicht damit, dass ein Bundesland hier wieder ausscheren wird.

    Maleike: Ist das denn ein Schritt auch gegen das Leistungsgefälle in der Bildungsrepublik Deutschland? Das ist ja ziemlich groß eigentlich.

    Rabe: Es gibt ein großes Leistungsgefälle, ob es ein Leistungsgefälle gibt zwischen den Bundesländern, oder ob es nicht vielmehr ein Leistungsgefälle ist zwischen verschiedenen Schülergruppen, das ist auch für die Wissenschaftler schwer zu beantworten. Aber in dem Moment, wo wir tatsächlich bestimmte Standards verbindlich für alle Bundesländer vorgeben, Standards zum Beispiel für die Grundschule, aber auch für Haupt-, Realschule oder sogar fürs Abitur, da haben alle Bundesländer eine klare Orientierung, und das wird nach meiner Auffassung schon dazu führen, dass die Bundesländer aufgrund der klaren einheitlichen Orientierung ihre Leistungsniveaus auf dieses Wirken ausrichten. Und sicherlich, daran arbeiten wir ja schon seit geraumer Zeit, muss das auch dazu führen, dass das Bildungsniveau zwischen den Bundesländern sich auf ein einheitliches Niveau anhebt.

    Maleike: Wie muss man sich das eigentlich praktisch vorstellen, diesen Pool, den Sie da denken, aus dem dann bundesweit das Abitur bestückt wird?

    Rabe: Ja, so ein Pool ist in der Tat eine spannende Herausforderung. Wir wünschen uns Aufgaben in diesem Pool, die eine gleiche Schwierigkeitsstufe haben. Das ist nicht ganz einfach sicherzustellen. Wissenschaftler und Experten zusammen sollen die verschiedenen Aufgaben überprüfen und sollen diese verschiedenen Aufgaben dann so gestalten, dass wirklich das Schwierigkeitsniveau einheitlich ist. Sie werden darüber hinaus bei den verschiedenen Aufgaben auch – ich nenne das mal – sogenannte Beipackzettel entwickeln, die den Lehrerinnen und Lehrern helfen, die Arbeiten richtig einzuschätzen. Wenn also jemand die Aufgabe erledigt hat, dann steht auf diesem Begleitbogen, ab wann man eine Zwei bekommt oder eine Note Drei oder eine Note Vier, was dafür geleistet werden muss. Diese Voraussetzungen müssen erst mal geschaffen werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche organisatorische Fragen, wer nimmt welche Aufgaben raus, und kann man sich die zwei mal rausnehmen, oder wie auch immer. Das muss jetzt geklärt werden, aber ich darf daran erinnern, dass wir erst im März nach vielen Gesprächen überhaupt die Idee zu diesem Aufgabenpool entwickelt haben, und dass wir jetzt die nächsten Kultusministerkonferenzen sicherlich auch damit befasst sein werden, diesen Aufgabenpool in seinen konkreten Umsetzungsverfahren zu konkretisieren.

    Maleike: In "Campus und Karriere" war das zu den Ergebnissen der Kultusministerkonferenz in Hamburg der amtierende Präsident dieses Gremiums, der Hamburger Schulsenator Ties Rabe. Vielen Dank für das Gespräch, das wir über Handy aufgezeichnet haben!

    Rabe: Danke schön!