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Konzerne und ihre kreativen Steuertricks

1000 Milliarden Euro Einnahmen entgehen den EU-Ländern nach Schätzungen jährlich, weil multinationale Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Die Politik möchte sie nun austrocknen.

Von Caspar Dohmen | 20.06.2013
    Mittags in der Starbucks-Filiale - schräg gegenüber dem Berliner Bahnhof Friedrichstraße. Ein Mitarbeiter schreibt an der Theke die Namen der Kunden auf dunkelgrüne Pappbecher, während seine Kollegin in Windeseile Espresso, Café Latte und Macciato produziert. Das Geschäft brummt. Nicht nur hier, sondern auch in den anderen 161 deutschen Filialen von Starbucks.

    Reihenweise Kunden zahlen hier locker vier Euro für ein Getränk. Und so kletterte der Umsatz des Konzerns 2012 auf 125 Millionen Euro. Der deutsche Fiskus hat davon nichts, denn der Konzern verbucht hierzulande nur Verluste. In den vergangenen drei Jahren hat er keinen Euro Körperschaftssteuer gezahlt. Hoher Umsatz und null Gewinn sind in diesem Fall möglich dank legaler Tricks.

    Starbucks ist nicht das einzige Unternehmen, das sich solcher Tricks bedient. Daher haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU darauf verständigt, bis Ende 2013 strengere Regeln auf den Weg zu bringen. Und so wird das Thema Steuergerechtigkeit auf der Agenda stehen, wenn sich die europäischen Finanzminister am Freitag in Luxemburg treffen.

    Klaus Schilder sitzt im Coffeeshop bei Starbucks in Berlin, trinkt einen Orangensaft und erklärt, wie sie funktionieren – diese ganz legalen Steuertricks. Er ist Finanzexperte beim Hilfswerk der katholischen Kirche Misereor und beschäftigt sich dort mit der Steuerzahlungspraxis internationaler Konzerne.

    "Starbucks schreibt in Deutschland rote Zahlen. Aus unserer Sicht vor allem, weil es konzerninterne Dienstleistungen grenzüberschreitend von dem Ertrag in Deutschland und anderen Hochsteuerländern abzieht. In Deutschland besteht der Gewinn mindernde Abzug überwiegend aus Lizenzgebühren, die Starbucks dann abführt an die niederländische Holding Starbucks Coffee limited. Diese niederländische Holding ist quasi durch ein Abkommen mit der holländischen Regierung von der Gewerbe- und Körperschaftssteuer befreit."

    Einige Parlamentarier wollten es genau wissen und luden Firmenvertreter von Starbucks zu einer Anhörung ein. Sie sollten dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags Rede und Antwort stehen, als im März das Thema "grenzüberschreitende Steuergestaltung von Konzernen" auf der Tagesordnung stand. Starbucks schickte keinen Vertreter, sondern eine schriftliche Stellungnahme. Thomas Gambke, dem mittelstandspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen, ist noch Wochen später anzumerken, dass er sich über die Antwort geärgert hat.

    "Es war, ich will das sehr deutlich sagen, schon fast eine Unverschämtheit. Denn es wurde hingewiesen in dem Schreiben auf die Umsatzsteuer, die gezahlt wird. Die Umsatzsteuer zahlt der Verbraucher. Es wurde darauf hingewiesen, dass Sozialabgaben abgeführt werden, eine Selbstverständlichkeit, die für jedes Unternehmen gilt."

    Gut möglich, dass Starbucks eine Situation wie in Großbritannien verhindern wollte. Dort waren Firmenvertreter im Herbst 2012 zu einer Parlamentsanhörung erschienen und mussten einräumen, dass die Firma seit Jahren keine Körperschaftssteuer im Königreich gezahlt habe. Ein erheblicher Imageschaden für Starbucks, der lieber als trendiger Coffeeshop wahrgenommen wird. Wütende Demonstranten besetzten Filialen. NGO riefen zum Boykott der Cafés auf. Schließlich versprach Starbucks, freiwillig Unternehmenssteuern an den englischen Fiskus zahlen zu wollen.

    Wohl nirgendwo tobt der Streit um legale Steuervermeidungspraktiken von Unternehmen so heftig wie in Großbritannien. Nach Demonstrationen trat sogar der oberste Steuerbeamte des Landes zurück. Und der konservative Premierminister David Cameron forderte Anfang des Jahres beim Davoser Weltwirtschaftsforum Konzerne wie Amazon, Google und Starbucks auf, ihr Steuergebaren zu ändern.

    Für Aufsehen sorgte die OECD – der Pariser Club der reichen Industrieländer – im Frühling mit der Studie "Adressing Base Erosion and Profit Shifting". Zu Deutsch: Die Adressierung der Erosion der Steuerbasis und Gewinnverschiebung. Nachzulesen ist dort, wie Konzerne Zinsen und Dividenden um die Welt verschieben, um ihre Steuerzahlungen zu minimieren. In der Öffentlichkeit herrsche die Meinung vor, Abgaben würden nur von naiven Steuerzahlern entrichtet. Diese Diagnose sei alarmierend, heißt es. Die Verlierer seien Privatpersonen sowie kleine und mittlere Unternehmen, deren wirtschaftliche Aktivitäten sich auf den Heimatmarkt beschränkten. Solch eine Wettbewerbsverzerrung kritisiert auch der Politiker Gambke von den Grünen:

    "Also, wenn ich zwei Möbelhäuser in meiner direkten Nachbarschaft habe und der eine ist ein schwedischer Konzern und der andere ist ein wirklich typischer Mittelständler, der in meiner Region alleine ein Möbelhaus unterhält. Der eine zahlt Steuern und der andere nicht, dann ist das eine Wettbewerbsungleichheit."
    1000 Milliarden Euro Einnahmen entgehen den EU-Ländern nach Schätzungen jährlich, weil multinationale Konzerne ihre Gewinne in Steueroasen verschieben. Die Politik möchte nun durchsetzen, dass die Unternehmen auch in den Ländern Steuern zahlen, in denen sie ihr Geld verdienen .

    "Die großen Konzerne haben mittlerweile die Möglichkeit, Stichwort Ikea zum Beispiel, gemäß § 264, Absatz 3 Handelsgesetzbuch, brauchen die überhaupt nichts mehr in Deutschland veröffentlichen. Es ist unfassbar: Jeder Möbeleinzelhändler, wie Möbel Martin hier in Mainz zum Beispiel, die müssen ihre Bilanz und ihre Gewinn- und Verlustrechnung im Bundesanzeiger veröffentlichen, jedes Jahr. Und wenn sie das nicht machen, dann kriegen sie eine fette Strafe aufgebrummt."

    Eigentlich ist die Sache mit den Steuern ganz einfach: In Demokratien setzen vom Volk gewählte Parlamente die Steuersätze für Bürger und Unternehmen fest. Die Staaten finanzieren mit den Einnahmen öffentliche Aufgaben: Straßen müssen gebaut, Schulen saniert und Polizisten bezahlt werden. Staaten ohne nennenswertes Steuereinkommen können solche Leistungen kaum oder gar nicht aus eigener Kraft erbringen. Deswegen sind viele Entwicklungsländer bis heute von auswärtigen Finanzquellen wie Entwicklungshilfe abhängig. Aus diesem Grund beschäftigt sich Misereor überhaupt mit Fragen der Unternehmensbesteuerung. Die Organisation gehört zu den Gründern des deutschen Netzwerks für mehr Steuergerechtigkeit. Klaus Schilder erklärt, wie es dazu kam:

    "Wir sind über die Notwendigkeit zur Finanzierung globaler Entwicklungsaufgaben auf die Thematik gestoßen."

    Seitdem auch die Industriestaaten wegen der Finanzkrise knapp bei Kasse sind, ist ihre Toleranz gegenüber den Konzernen gesunken. So veröffentlichte die Europäische Kommission im vergangenen Dezember Empfehlungen zum Kampf ihrer Mitgliedstaaten gegen die "aggressive Steuerplanung" von Unternehmen. Die OECD arbeitet intensiv an Änderungsmöglichkeiten für das Steuersystem. Und noch im Sommer will die G-20, also der Zusammenschluss der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, einen Plan vorlegen, wie Konzerne fairer zu besteuern sind.

    Es geht um viel Geld. EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta beziffert den Steuerausfall durch "Transaktionen missbräuchlicher Steuergestaltung" nur in der EU auf jährlich 1000 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa dem gesamten Rahmenbudget der Gemeinschaft für die Jahre 2014 bis 2020. Im Mai haben sich die Staats- und Regierungschef der EU bei ihrem Gipfel darauf verständigt, bis zum Ende des Jahres Regeln auf den Weg zu bringen, um den Unternehmen ihre Steuertricks schwerer zu machen. Eine Gelegenheit über die Konkretisierung des Vorhabens zu sprechen, bietet sich für die Finanzminister der EU am Freitag bei ihrem Treffen in Luxemburg.

    In der Theorie ist man sich einig: Unternehmen sollen eigentlich dort Steuern zahlen, wo sie wirtschaftliche Werte schaffen. In der Praxis ist dies jedoch schwer umzusetzen, angesichts verzweigter Wertschöpfungsketten, die häufig um den Globus gehen. Multinationale Konzerne senken ihre Steuerverpflichtung auch, indem sie geschickt Gewinne und Verluste zwischen Tochterunternehmen in unterschiedlichen Ländern verschieben. Eine wichtige Rolle spielen hier konzerninterne Verrechnungspreise, zu denen diese Töchter untereinander ihren Handel mit Waren und Dienstleistungen abwickeln. Klaus Schilder:

    "Es werden konzernintern falsche Angaben über Qualität und Güte des Produktes gemacht, zum Beispiel hochwertige Diamanten werden als Industriediamanten deklariert, der Eisengehalt von Erz wird zu niedrig angesetzt."

    Auf diese Weise weisen Unternehmen möglichst wenig Gewinn in Hochsteuerländern aus und möglichst viel in Niedrigsteuerländern oder Steueroasen. Die Steuerausfälle für Staaten dürften enorm sein, schließlich wickeln Konzerne nach offiziellen Schätzungen ein bis zwei Drittel des gesamten Welthandels intern ab. Solche Falschdeklarationen sind illegal, aber kaum nachzuweisen. Ohnehin tun sich die Finanzbehörden damit schwer, die Steuerpraktiken der Konzerne nachzuvollziehen – auch hierzulande. Darauf verweist der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler:

    "Nun die Auseinandersetzungen über Steuerfälle zwischen Finanzamt und solchen großen Firmen und ihren Steuerberatern ist ein Kampf zwischen David und Goliath. Diese Firmen leisten sich große Steuerabteilungen, gut bezahlte, international ausgerichtete Steuerkanzleien. Ein Finanzamt kann dort mit seiner Betriebsprüfung nicht mehr mithalten. Wir müssen allzu oft die Waffen strecken."

    "Steueroase Malta - Urlaub vom Fiskus machen."

    Wirbt die Beratungsfirma IMEX im Internet für den Finanzplatz Malta, schließlich biete das EU-Mitgliedsland:

    "Kleinen und großen Unternehmen viele Möglichkeiten der Gestaltung."

    Auf der Homepage von PriceWaterHouseCoopers, einer der großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, liest man unter der Überschrift "Gestaltungspotenzial bei der Steuerplanung":

    "Steuerplanerisch werden in diesem Zusammenhang diverse Techniken genutzt, wie etwa sogenannte hybride Finanzierungen, die grenzüberschreitende Qualifizierungskonflikte ausnutzen oder der Einsatz von Konzernfinanzierungsgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland."

    Reden möchte PwC über das Thema nicht. Man sehe da keinen "Benefit" für sich, sagt eine Sprecherin am Telefon.

    PwC, Deloitte, KPMG und Ernst & Young – das sind die vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die weltweit agieren. Sie beschäftigen fast 700.000 Spezialisten in mehr als 150 Staaten. Ihre Kundenlisten lesen sich wie das Who-is-Who der Weltwirtschaft. Klaus-Peter Naumann, Vorstandssprecher beim Institut der Wirtschaftsprüfer, rechtfertigt das Vorgehen der Unternehmen mit betriebswirtschaftlicher Logik:

    "Aus Sicht der Unternehmen sind Steuern Kosten. Die Unternehmen versuchen, sich wirtschaftlich zu verhalten, das heißt also, Kosten zu reduzieren. Und damit erstreckt sich dieser Wunsch, sich wirtschaftlich zu verhalten, natürlich auch auf die Minimierung der Steuerlast. Das heißt also, die Unternehmen werden versuchen, legal bestehende Möglichkeiten zur Steuerreduktion zu nutzen. Und sind das letztendlich ja auch ihren Aktionären schuldig, für die sie eben ein bestmögliches Ergebnis erwirtschaften sollen."

    Dabei profitieren die Konzerne von den unterschiedlichen Steuersätzen, die Staaten von ihnen verlangen. In Bulgarien und Zypern sind es beispielsweise nur zehn Prozent Unternehmenssteuer, in Deutschland 29,8 Prozent, in Japan 39,5 Prozent und in den USA 39,6 Prozent. Im Kampf um Konzerne und Arbeitsplätze haben reihenweise europäische Staaten seit 2007 die Unternehmenssteuern gesenkt, unter anderem Großbritannien, Deutschland, Italien, Spanien, Griechenland und Schweden.

    Geht man von der volkswirtschaftlichen Theorie aus, dann führt Steuerwettbewerb dazu, dass Regierungen das öffentliche Leistungsangebot und seine Finanzierung den Wünschen der Bürger anpassen. In der Praxis kommt es aber zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen verschiedenen Standorten, wenn Konzerne die Infrastruktur - wie etwa ein gutes Ausbildungssystem in Hochsteuerländern - nutzen, ihre Steuern aber in Niedrigsteuerländern zahlen, wo es die von ihnen benötigte Infrastruktur gar nicht gibt.

    Wort und Tat stehen allerdings nicht immer im Einklang, wenn Regierungen die Steuern für global agierende Konzerne regeln. Da fordern Politiker ein härteres Vorgehen gegen Steuerflucht, übertrumpfen sich aber gleichzeitig mit Steuergeschenken für Konzerne. Ein Paradebeispiel ist England. Einige Wochen nach der Konzernschelte von Regierungschef David Cameron kündigte sein Schatzkanzler Georg Osborne allgemeine Steuersenkungen für Konzerne an. Zusätzlich spendierte die englische Regierung Unternehmen Steuervorteile für Forschung und Entwicklung.

    Besonders intensiv nutzen US-Konzerne wie Google, Amazon & Co Steuerschlupflöcher. Während sie für die Inlandsgewinne vergleichsweise hohe Steuersätze zahlen, sind es für die Auslandsgewinne extrem niedrige Steuersätze: Bei Apple sind es gerade einmal ein Prozent, bei Google drei Prozent und bei Microsoft elf Prozent.

    Möglich ist dies vor allem, weil bei ihrem Geschäftsmodell geistiges Eigentum eine zentrale Rolle spielt. Solche immateriellen Rechte lassen sich - anders als Produktionsanlagen - leicht in andere Länder verlagern. Über Konstruktionen mit abstrusen Namen wie "Double Irish" oder "Dutch Sandwich" schleusen diese Konzerne dann legal einen Großteil der Auslandsgewinne in Steueroasen. Laut Wall Street Journal sollen alleine im vergangenen Jahr 60 große US-Konzerne 166 Milliarden Dollar im Ausland deponiert haben. Dort ruhen – laut Medienberichten – insgesamt 1,7 Billionen US-Dollar von amerikanischen Firmen.

    "Das ist eine unvorstellbare Summe an Gewinnen, die nicht versteuert in Steueroasen liegen. Und das ist ein Wettbewerbsvorteil insgesamt für amerikanische Unternehmen."

    Entwicklungsländern entstehen gravierende Nachteile aus der gängigen Steuergestaltungspraxis internationaler Konzerne. SAB Miller, der zweitgrößte Bierbrauer der Welt, verkauft seine Getränke in 75 Ländern, auch in Ghana, wo die Tochtergesellschaft Accra Brewery Bier braut. Unternehmenssteuern zahlte SAB Miller in dem westafrikanischen Land zuletzt nicht. Dafür habe sich der Konzern einiges einfallen lassen, berichtet Klaus Schilder von Misereor und bezieht sich auf eine Studie der britischen Partner-NGO Action Aid:

    "Dieser Konzern hat letztlich wenigstens vier unterschiedliche Mechanismen zur Steueroptimierung verwendet. Zum Beispiel sind die Markenrechte vieler afrikanischer Biere nicht in dem Besitz der afrikanischen Tochterunternehmen und für diese Markenrechte müssen die Tochterunternehmen nun Lizenzgebühren zahlen."

    Der Konzern weist die Vorwürfe von Action Aid scharf zurück. SAB Miller beschäftige sich in keinem Teil seiner Geschäftstätigkeiten mit aggressiven Steuerplanungen, heißt es in einer Stellungnahme des Konzerns.

    Dem Staat Ghana entgingen – so schätzen Steuerexperten – allein zwischen 2005 und 2007 jährlich 30,7 bis 51,4 Millionen US-Dollar, weil internationale Konzerne kreative Steuerkonzepte entwickeln. Allerdings sind solche Zahlen und entsprechende Studien mit Vorsicht zu genießen, zumal die Bilanzen internationaler Konzerne sehr komplex und damit für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind. Fest steht aber, dass den Entwicklungsländern viel Steuergeld entgeht, das sie dringend für ihre eigene Entwicklung brauchen.

    "Wir transferieren jährlich ungefähr 130 Milliarden US-Dollar an Entwicklungshilfe in den globalen Süden. Gleichzeitig fließt aber ein Vielfaches dieser Beträge aus dem Süden in den Norden."

    Solche Klagen sind alt: Bereits 1998 sagte die OECD dem schädlichen Steuerwettbewerb den Kampf an. Und die EU verpflichtete zur selben Zeit ihre Mitgliedstaaten auf einen Verhaltenskodex für Unternehmensbesteuerung. Passiert ist wenig. Das könnte sich jetzt ändern. Denn viele Industrieländer brauchen angesichts ihrer hohen Staatsverschuldung dringend Einnahmen. Zudem gilt die Besteuerung globaler Konzerne als ein Testfall für die Gestaltungskraft der Politik. Ein abgestimmtes Vorgehen der Staaten fordert Wirtschaftsprüfer Naumann:

    "Auf lange Sicht ist es zwingend erforderlich, dieses Thema einer internationalen Lösung zuzuführen."

    Der Wissenschaftler Jarass, der 2012 das Buch "Steuermaßnahmen zur nachhaltigen Staatsfinanzierung" veröffentlicht hat, widerspricht:

    "Das ist ein Ziel, das von all denjenigen gefordert wird, die keine Maßnahmen in Deutschland vorantreiben wollen, damit die Unternehmen und die Konzerne Steuern bezahlen, das ist ein Ablenkungsmanöver. Sie müssen sich einfach vorstellen, warum sollen die Länder in der EU, die vom jetzigen System massiv profitieren, nämlich die kleinen Länder, die als Steueroasen sich gerieren, warum sollen die einer Änderung zustimmen? Man muss wissen, dass derartige Änderungen laut geltendem Grundvertrag der EU nur einstimmig erfolgen können."

    Er hält es für möglich, dass Deutschland alleine oder mit einer Gruppe gleichgesinnter Staaten erfolgreich vorangehen könnte. Simple Gesetzesänderungen könnten in der Tat schon einiges bewirken, beispielsweise wenn die Besteuerung aller Zins- und Lizenzeinnahmen in dem Land erfolgte, wo sie erwirtschaftet werden. Denn für die Empfänger wäre es unsinnig diese versteuerten Einnahmen in andere Länder mit geringen oder gar keinen Steuern zu überweisen. Es wäre ein erster wichtiger Schritt, um Steueroasen auszutrocknen.
    Starbucks-Filiale in London
    Starbucks-Filiale in London: In Großbritannien musste sich der Konzern unangenehme Fragen gefallen lassen. (dpa / picture alliance / Andy Rain)
    Der britische Premierminister Cameron vor seinem Regierungssitz, 10 Downing Street
    Der britische Premierminister Cameron möchte auch der Steuerverschiebung ein Ende bereiten. (picture alliance / dpa / Andrew Parsons)