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Korea-Konflikt
Kritik an Nordkorea nach Raketenstart

Nordkorea hat nach eigenen Angaben einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn gebracht. Die Diktatur hat heute Nacht mitteleuropäischer Zeit eine Trägerrakete ins All geschossen. Der Westen sieht darin einen verdeckten Test für atomar bestückbare Interkontinental-Flugkörper – und reagierte mit Kritik.

Von Jürgen Hanefeld | 07.02.2016
    Eine Rakete startet von der Abschussrampe, einen Feuerschweif hinter sich her ziehend.
    Mit diesem Bild hat das nordkoreanische Staatsfernsehen über den Start der Rakete berichtet. Das Bild wurde von der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap verbreitet. (YONHAP / NORTH KOREAN TV / AFP)
    Mit dem üblichen Pathos verkündete das nordkoreanische Fernsehen am Morgen:
    "Die Trägerrakete Kwang-Myong-Song hob um 9 Uhr am 07. Februar 2016 vom Sohae Raumfahrtzentrum ab. Der Satellit erreichte seine programmierte Umlaufbahn 9 Minuten und 46 Sekunden nach dem Start."
    9 Uhr in Nordkorea ist 1.30 Uhr mitteleuropäischer Zeit. Wie seit Tagen angekündigt hat das Land eine Langstreckenrakete ins All geschossen, um, wie es hieß, einen Satelliten zur Erdbeobachtung zu platzieren. Die Mission sei ein voller Erfolg gewesen, erklärte Pjöngjang. Der Satellit namens Kwangmyongsong-4 werde die Erde alle 94 Minuten umrunden. Nordkorea plane auch in Zukunft, Satelliten ins All zu schießen.
    Das Fernsehen zeigte auch Fotos des nordkoreanischen Führers Kim Jong-un, wie er Dokumente zum Raketenstart unterzeichnet.
    "Vollkommen inakzeptabel"
    Eine unabhängige Bestätigung für den Erfolg gibt es nicht. Die erste Raketenstufe sei um 9.32 Uhr Ortszeit abgesprengt worden und ins Gelbe Meer gestürzt, zwei weitere Stufen fielen ins Ostchinesische Meer, erklärte das südkoreanische Verteidigungsministerium. Auf ihrem Weg nach Süden passierte das Geschoss den japanischen Luftraum, angeblich über der Inselgruppe von Okinawa, offenbar ohne Schaden anzurichten. Japans Premierminister Shinzo Abe erklärte:
    "Wir finden es vollkommen inakzeptabel, dass sie die Rakete trotz unserer mehrfachen Bitten, es zu unterlassen, abgeschossen haben. Der Raketenstart kurz nach einem Atomtest richtet sich klar gegen UNO-Resolutionen. Wir werden entschlossen und in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft darauf antworten."
    Dies soll noch am heutigen Sonntag im UN-Sicherheitsrat in New York geschehen.
    Nordkorea hatte die UNO vom bevorstehenden Manöver in Kenntnis gesetzt, doch das Zeitfenster kurzfristig von morgen auf heute vorgezogen. Das klare Wetter mag dafür ausschlaggebend gewesen sein. Ursprünglich hatten Beobachter eher mit meinem Termin rund um den 16. Februar gerechnet, den Geburtstag des vor vier Jahren verstorbenen Kim Jong-il - Vater des heutigen Diktators.
    In der südkoreanischen Hauptstadt Seoul waren die Reaktionen gespalten. Eine 30-jährige Passantin erklärte:
    "Ich war richtig schockiert, als ich hörte, dass sie es wirklich gemacht haben. Als Südkoreanerin bin ich sehr besorgt. Hoffentlich hört Nordkorea endlich auf mit solchen Provokationen."
    USA vermuten Test für Interkontinentalrakete
    Und ein 57-jähriger Mann zuckt mit den Achseln:
    "Dieser Raketenstart ist ja nur ein weiterer Schritt, mit dem sie die Situation zu ihrem Vorteil verändern wollen. Aber ich glaube nicht, dass wir dadurch bedroht sind."
    Auch wenn es zutrifft, dass die fünfstufige Rakete heute einen Erdbeobachtungssatelliten im Weltall platziert hat – ein ziviles Manöver also – ist der Argwohn gegenüber Pjöngjang groß. Die USA vermuten, es habe sich in Wahrheit um einen Test für eine Interkontinentalrakete gehandelt. Experten schätzen die Reichweite auf 10.000 Kilometer, das heißt, mit einer solchen Rakete könnte auch amerikanisches Festland erreicht werden.
    Mehrere UNO-Resolutionen verbieten dem isolierten Staat die Entwicklung ballistischer Waffen. Es war der sechste Test einer Langstreckenrakete im Rahmen des nordkoreanischen Rüstungsprogramms - die ersten drei sind gescheitert. Unter Berufung auf die angebliche Bedrohung durch die USA arbeitet Nordkorea parallel an seiner atomaren Abschreckung. Vor genau vier Wochen testete Pjöngjang zum vierten Mal eine Atombombe. Das Ziel ist, den Sprengkopf so verkleinern, dass er auf eine Trägerrate passt.
    Was immer heute in New York beschlossen wird: Es sieht nicht so aus, als wollte sich das Regime in Nordkorea von seinem Plan einer atomaren Raketenabwehr abbringen lassen.