Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Künstliche Gelenke
Das Problem mit der Abstoßung

Deutschland ist Weltmeister beim Einsetzen künstlicher Gelenke - und deshalb leider auch Weltmeister bei Infektionen dieser. Gerade in den ersten Jahren sind Infekte ein häufiger Grund für Abstoßungsprobleme mit Prothesen. Kein Wunder, dass auf der Tagung "Endophrothetik" in Berlin nicht nur Chirurgen, sondern auch Hygienespezialisten das Wort ergriffen.

Von Volkart Wildermuth | 02.03.2015
    Ein künstliches Kniegelenk
    Ein künstliches Kniegelenk (Imago / Imagebroker)
    Bakterien sind überall, auch im Operationssaal. Trotz aller Hygienevorschriften werden sie gelegentlich auch übertragen und lösen Infektionen aus. Ein Risiko, dass gerade beim Hüft- und Kniegelenkersatz hoch ist, meint der Infektiologe Dr. Lars Frommelt von der Helios-Endo- Klinik in Hamburg.
    "Der Unterschied ist einfach: Eine normale Wunde braucht in etwa 10.000 bis eine Million Keime, um eine Infektion zu erreichen. Das gleiche können Sie bei einem Fremdkörper mit 100 Keimen erreichen."
    Es wird noch vergrößert, wenn die Abwehr der Patienten eingeschränkt ist, durch hohes Alter, Übergewicht oder eine Zuckerkrankheit. Rund ein Prozent der Prothesen müssen wegen einer Infektion nach einem bis zwei Jahren ausgetauscht werden, in Deutschland sind das immerhin zwischen 5.000 und 8.000 zusätzliche Operationen. Hygiene ist also das A und O und die lässt sich oft mit einfachen Mitteln verbessern. Dr. Andrej Trampuz leitet das Zentrum für Septische Chirurgie der Berliner Chirurgie. Dort wurden die Patienten bislang auf die besonders gefährlichen resistenten Keime untersucht und gegebenenfalls vor der OP desinfiziert. Inzwischen werden einfach alle Patienten vorbehandelt.
    "Was wir zusätzlich hier anwenden ist eine antiseptische Seife, das heißt eine Seife, die auch an sich schon Bakterien reduziert. Und die kann man in der Regel fünf Tage anwenden inklusive Haare und somit ist man bestens für die Operation vorbereitet."
    Das kostet etwa 16 Euro und senkt die Bakterienbelastung auf ein Zehntel. Wie sich das auf das Infektionsrisiko auswirkt, sollte sich in etwa drei Jahren in den Prothesenregistern widerspiegeln. Wenn ein Patient über Schmerzen am künstlichen Gelenk klagt, wird heute nicht mehr lange gewartet. Die Ärzte stechen mit einer Nadel ins Gelenk und entnehmen dort etwas Flüssigkeit. Die Erreger lassen sich darin nur selten nachweisen. Sichtbar ist aber die Reaktion des Immunsystems auf die Eindringlinge. So steigt zum Beispiel die Zahl der weißen Blutkörperchen. Wenn die Gelenkflüssigkeit aber trübe ist oder mit Blut verunreinigt, lässt sich das nicht sicher nachweisen. Auf der Berliner Konferenz wurde deshalb in vielen Vorträgen ein neuer Test diskutiert.
    "Natürliche Antibiotika die unser Körper zur Verfügung stellt"
    "Dieser Alpha-Defensin-Test zeigt nichts anderes als eine Reaktion von Abwehrzellen auf Bakterien - und zwar ganz speziell auf Bakterien. Das sind im Grunde genommen natürliche Antibiotika die unser Körper zur Verfügung stellt."
    Sobald weiße Blutkörperchen auf Bakterien stoßen, so Lars Frommelt, schütten sie alpha Defensin aus. Das kleine Molekül lagert sich in die Hülle der Erreger ein und öffnet dort Löcher, die Bakterien laufen sozusagen aus und sterben ab. Allerdings reicht das im Fall der künstlichen Gelenke nur selten aus. Dort haften die Bakterien nämlich in einem Biofilm und sind vor den Attacken des Immunsystems geschützt. Trotzdem lässt sich das alpha Defenisn und damit die Anwesenheit von Bakterien aber nachweisen. Andrej Trampuz ist vom Nutzen des neuen Tests aber noch nicht überzeugt. Ihm fehlen Studien, die vergleichen, ob der Alpha-Defensin-Nachweis wirklich mehr aussagt, als eine erhöhte Zahl an weißen Blutkörperchen.
    "Wir müssen in der Zukunft das weiter evaluieren, ob es einen Vorteil gibt. Es ist leider mit großen Kosten verbunden und kommt deswegen als Routineverfahren nicht in Betrachtung. Zusätzlich haben wir mit den jetzigen Methoden in 98 Prozent die Diagnose."
    Und die ist entscheidend, weil die Chirurgen den Austausch eines künstlichen Gelenkes ganz anders planen, wenn Bakterien vor Ort sind. Sie entfernen dann in jedem Fall das komplette Kunstgelenk, um keinen Rest Biofilm im Gelenk zurückzulassen. Mit Ultraschall werden die Erreger dann von den Kunststoff- oder Metallteilen abgelöst, angezüchtet und ihr Resistenzprofil bestimmt. Nach ein bis zwei Wochen wissen die Ärzte, welche Antibiotika sie einsetzen müssen. Diese können auch in den Knochenzement gemischt werden, der die Prothese befestigt. Es wird aber auch an Prothesen gearbeitet, die direkt mit Antibiotika beschichtete sind.
    "Das Problem ist, dass die Beschichtungen, die wir bislang gehabt haben, dass die beim Einschlagen der Prothese praktisch abgeschält wurden, und damit die Wirksamkeit nicht mehr da war."
    Lars Frommelt ist trotzdem optimistisch. In Berlin wurden mehrere neue Verfahren zur Beschichtung mit Antibiotika vorgestellt. Zum Beispiel lassen sich die Medikamente an Fette koppeln und bleiben so auch beim Einsetzen der Prothese haften.
    "Das ist die Zukunft und das wird dann auch wirklich das Szenario verändern."