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Kunstmuseum Bonn
Die Flimmerkiste und die Kunst

Das Fernsehen. Ein eigenartiger Apparat, der uns nun schon seit rund 50 Jahren begleitet. Das Kunstmuseum Bonn versucht in einer neuen Ausstellung, unsere Beziehung zur Flimmerkiste darzustellen. Seelische Abgründe, Seriensucht, Informationsflut und Inszenierungswahn sind nur einige der Themen.

Von Jörg Biesler | 01.10.2015
    Fernseher stehen in einem indischen Elektronik-Shop aufgereiht.
    Das Kunstmusem Bonn behandelt in einer neuen Ausstellung die Beziehung zwischen Kunst und Fernsehen. (picture alliance / dpa / Divyakant Solanki)
    Heidi Klum: "Ich habe heute leider kein Foto für dich, ich habe heute leider kein Foto für Dich..."
    Das Fernsehen, ein Ort seltsamer Vorgänge, die unsere Augen fesseln und unseren Verstand oft ein wenig ratlos grübeln lassen, warum das eigentlich so ist. Millionen Menschen sehen die Castingshow "Germany's next topmodel", ein Traum vom schillernden Aufstieg durch Arbeit an sich selbst, an der eigenen Oberfläche zumindest, die bildet es ja ab, das Fernsehen. Der zentrale Satz der Sendung ist für den Künstler Stefan Hurtig einer des Scheiterns. Moderatorin Heidi Klum sagt ihn zu jenen Bewerberinnen, die danach nicht mehr dabei sein werden, die nicht gut genug waren, sich zu wenig optimiert zu haben.
    Wie ist unsere Beziehung zur Flimmerkiste?
    "Bei der Sendung 'Germany's next topmodel' wird ja so ganz klar, worum es in dieser Sendung geht aber auch in vielen anderen. Nämlich ganz viel dieses Selbstdarstellen, dieses zum Bild werden, selbst ne gute Performance abzugeben. Und so kam das dann auch, dass ich an dem Satz "Ich habe leider kein Foto für dich" hängen geblieben bin, weil es ein Satz ist, den jeder kennt, aber auch ein Satz ist, der dieses Visuelle, dass es darum geht, nochmal auf den Punkt bringt."
    Stefan Hurtig lässt den Satz wieder und wieder aus einem Flachbildschirm schallen, der sich in Ketten ständig um sich selbst dreht. Darauf zu sehen, ein rot geschminkter Mund vor schwarzem Hintergrund: Ich habe heute leider kein Foto für dich. Die Bonner Ausstellung sucht in der Auseinandersetzung von Künstlern mit dem Medium auch nach einer Klärung unserer Beziehung zur Flimmerkiste. Was die Künstler angeht, waren die erstmal aggressiv, als die ersten Geräte in den 60er Jahren auf dem Markt kamen. Stefan Berg, Direktor des Bonner Kunstmuseums:
    "So fing es an, Künstler setzen sich mit dem Apparat auseinander. Sie dekonstruieren ihn, sie stören ihn, materiell sozusagen, in dem sie skulptural rangehen, ihn benageln, beerdigen, mit Stacheldraht umwickeln, mit Torten beschmeißen, diese ganze Kritik an diesem Medium auch aggressiv ausleben."
    Nachrichtensendung als inszeniertes Kunstwerk
    Ging es zunächst um die Kiste, die als Eindringling verstanden wurde, so geht es heutigen Künstlern um die Frage, was eigentlich im Fernsehen geschieht und wie wir das wahrnehmen. Der deutsche Künstler Christian Jankowski versucht einer Antwort näher zu kommen, indem er die Sendung einer prominenten amerikanischen Fernsehjournalistin zum Kunstwerk macht. Die einzige Nachricht dieser vom Künstler inszenierten Sendung ist das Kunstwerk selbst, dessen wesentlicher Inhalt wiederum in der Beschreibung des Kunstwerks durch die prominente Nachrichtensprecherin besteht.
    Wie in einer normalen Nachrichtensendung spricht die Moderatorin mit Experten, schaltet an Orte vermeintlichen Geschehens, aber das alles dreht sich alles im Kreis und kommt letztlich zu der offen ausgesprochenen Frage: Was will uns der Künstler mit dieser Arbeit sagen? Eine gute Frage, die natürlich im Raum stehen bleibt, zusammen mit einigen anderen über die Realität in Nachrichtensendungen und die Diskurstraditionen des Fernsehens.
    Die ungebrochene Macht des Fernsehens
    Virtuos seziert Yvon Chabrowski die Mechanismen der Inszenierung im Fernsehen, am Beispiel eines Interviews von Lady Di, das 1995 zwanzig Millionen Briten verfolgt haben; eine Schauspielerin hat Sprechduktus, Mimik und Gestik bis ins Detail einstudiert und so werden nun abgehoben von der prominenten Person, jedes einzelne Stirnrunzeln, jeder schüchterne Seitenblick und jeder Augenaufschlag in ihrer Künstlichkeit sichtbar.
    So schärft die Kunst den Blick fürs Fernsehen und die ihm eigenen Regeln, derer wir uns seit 50 Jahren bedienen, ohne genau verstanden zu haben, warum sie funktionieren, meint Kurator Dieter Daniels:
    "Ich glaube, dass es von der Mitte des 20. Jahrhunderts bis heute eigentlich eine ungebrochene Macht hat und das ist es eigentlich, was mich am Fernsehen fasziniert: Diese erstaunliche Veränderung des Umgangs mit Bildern, die die seltsame Intimität und zugleich Neutralität erzeugt hat, von der wir bis heute, glaube ich, immer noch nicht wissen, was wir davon halten sollen."