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Lange Sommer in der Zukunft

!Umwelt. - In Spanien, Südfrankreich und Italien kletterten die Thermometer schon seit Wochen von Rekord zu Rekord. Angesichts von Ernteausfällen, Dürre und Waldbränden fragen sich inzwischen auch Experten, ob das Wetter seltene Ausnahme oder künftige Regel ist. Das EU-Projekt "Prudence" geht dem Problem jetzt nach.

Von Volker Mrasek | 05.07.2005
    In dem EU-Projekt zum Regionalklima in Europa stellten sich die Forscher dieselbe Frage wie derzeit viele Spanier, Portugiesen, Franzosen und Italiener: Werden Hitzewellen wie in diesem Sommer in Zukunft noch extremer, wenn der Klimawandel weiter fortschreitet? Ja, das werden sie, sagt Jens Hesselbjerg Christensen. Der Physiker forscht am Dänischen Meteorologischen Institut in Kopenhagen und war Leiter des EU-Projektes:

    "Im Zuge der allgemeinen Klimaerwärmung ist künftig auch mit längeren Hitzewellen im Sommer zu rechnen. In Südeuropa werden sie nach unseren Modellsimulationen am Ende dieses Jahrhunderts bis zu 60 Tage länger andauern als heute, das heißt: Die Sommersaison verlängert sich praktisch um zwei Monate."

    Als Hitzewelle definierten die Klimaforscher dabei wochen- oder monatelang anhaltende Temperaturen von 30 Grad Celsius oder mehr. Wenn es so lange so heiß ist, dann trocknen die Böden aus, Ernten verdorren, das Risiko für Waldbrände wächst. Und nicht zuletzt werden ältere und kranke Menschen einem möglicherweise lebensbedrohlichen Hitzestress ausgesetzt ...

    "Wir hätten nicht so viel Vertrauen in unsere Ergebnisse, wenn sie sich nur auf eine Klimasimulation stützten. Wir haben aber mit drei verschiedenen Computer-Rechenmodellen gearbeitet. Alle sagen das Gleiche voraus."

    Dass die Sommer in Südeuropa bald noch extremer werden, lässt sich auch aus anderen Klimaprognosen ableiten. Da ist zum Beispiel eine Studie des Nationalen Atmosphärenforschungszentrums der USA. Sie ergab, dass Hitzewellen dort noch häufiger und intensiver werden, wo sie heute schon bevorzugt auftreten. Als einen dieser "Hot Spots" nennen die Autoren ausdrücklich den Mittelmeer-Raum. Auch Schweizer Wissenschaftler wagten einen Blick in die Zukunft des europäischen Regional-Klimas. Ihr Fazit nach den eigenen Simulationen: Ein Extremsommer wie 2003 könnte Ende dieses Jahrhunderts zur Regel werden und dann unter Umständen alle zwei Jahre auftreten. Doch was ist in der Zwischenzeit? Wie sieht es in der nahen Zukunft aus und nicht erst im Jahr 2070 oder 2100? Laut Hesselbjerg Christensen gibt es noch eine gewisse Schonfrist:

    "Es gibt auch Gegenspieler der Erwärmung im Klimasystem. Und das sind vor allem die Ozeane. Bis auf weiteres nehmen sie einen Teil der Wärme aus der Atmosphäre auf. Man könnte von einem Kühlmechanismus sprechen. Erst wenn er nicht mehr funktioniert, wird sich die Klimaerwärmung richtig beschleunigen."

    Das dürfte um das Jahr 2050 herum der Fall sein, sagt der dänische Physiker und stützt sich dabei wiederum auf Klimamodelle ...

    "Im Mittelmeer-Raum sollte die Schonfrist allerdings früher ablaufen. Das hat mit den Böden zu tun. Sie weisen schon heute ein starkes sommerliches Wasserdefizit auf, das heißt es gibt für die Sonne nichts zu verdunsten, wenn sie scheint. Ihre ganze Strahlungsenergie wird in Wärme umgewandelt, und das trägt bereits zu den heutigen Hitzewellen bei."

    Es dürfte also immer mal wieder Sommer wie den jetzigen geben, in denen die Hitze Südeuropa fest im Griff hat und wochenlang kein Tropfen Regen fällt. Für zwei, drei Jahrzehnte sollten solche Hitzeperioden weiter die Ausnahme bleiben. Dann aber könnten sie allmählich zur Regel werden, wenn sich der Treibhauseffekt verschärft. Darin stimmen die aktuellen Klimasimulationen überein. Projektleiter Hesselbjerg Christensen hält die Lage aber nicht für ausweglos:

    "Der Mensch kann sich Veränderungen durchaus anpassen, wenn sie nicht über Nacht geschehen. Die Landwirtschaft kann auf Kultursorten ausweichen, die weniger Wasser brauchen; sie kann Ernte-Zeitpunkte vorziehen. Wenn wir uns heute Sorgen darüber machen, was wir alles durch die zunehmende Hitze aufgeben müssen, dann kann ich nur sagen: Auf den zweiten Blick zeigt sich oft, dass eine Chance besteht, damit umzugehen."