Freitag, 29. März 2024

Archiv


Licht und Schatten

Stammzellforschung. - Gestern verkündeten Forscher aus einem Labor in Kansas, sie hätten in Menstruationsblut eine neue Art von Stammzellen gefunden. Fünf Milliliter Blut und zwei Wochen Zellkultur hätten ausgereicht, um schlagende Herzmuskelzellen zu gewinnen. Auch andere Zelltypen haben sie angeblich hergestellt. Doch die Nachricht stößt unter Experten auf Skepsis. Der Wissenschaftsjournalist Michael Lange ordnet die Mitteilung im Gespräch mit Marieke Degen ein.

16.11.2007
    Degen: Michael Lange, Sie haben schon viel über Stammzellforschung berichtet. Sind die Zellen aus Menstruationsblut tatsächlich etwas Besonderes?

    Lange: Zunächst einmal ja. Stammzellen in Menstruationsblut, die gibt es, die kommen aus der Gebärmutter, genauer gesagt, es sind so genannte Endothelzellen, Und diese Stammzellen, die dort herkommen, gelten als besonders teilungsfreudig und als besonders anpassungsfähig. Und das ist ja genau das, was man von Stammzellen haben will. Und sie sind deshalb vergleichbar mit den Nabelschnurstammzellen, also den Blutstammzellen aus der Nabelschnur, aber nicht vergleichbar, sagen die Wissenschaftler, mit den embryonalen Stammzellen.

    Degen: Sie haben heute mit Stammzellforschern gesprochen. Wie reagiert denn die Fachwelt auf diese Meldung?

    Lange: Die Wissenschaftler, mit denen ich gesprochen habe, die haben zunächst einmal genervt reagiert. Die sagen, es gibt unheimlich viele solcher Veröffentlichungen, die sich nicht klar belegen lassen. Es fehlen also wirklich die Daten, an denen man die Ergebnisse, die dort verkündet werden, überprüfen kann. Jürgen Hescheler vom Institut für Neurophysiologie der Universität zu Köln sagte zum Beispiel: Es gibt jede Woche ähnliche Ergebnisse nach der gleichen Strickart, und die Ergebnisse sind sehr oft nicht bestätigt. Hans Schöler vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster sagte, das sind unausgegorene Befunde, so seine Worte, und die Forschergruppe sollte doch zuerst einmal ihre Hausaufgaben machen, bevor sie mit ihren Ergebnissen, halbgaren Ergebnissen, an die Öffentlichkeit tritt.

    Degen: Wie kommen die Stammzellforscher denn zu einem derart vernichtenden Urteil?

    Lange: Ja, die Belege sind einfach schwach. Es werden einfach nur in Tabellen Daten aufgelistet, es sind aber keine Originaldaten, also wirklich Daten, die konkret an Zellen gemessen wurden, vorhanden. Außerdem stammen die Daten aus der Immunochemie, das ist sozusagen der Blick auf die Oberfläche der Stammzellen. Man schaut, wie die Zellen aussehen. Viel wichtiger ist aber, wie die Zellen funktionieren, was sie wirklich können. Und das ist in diesem Fall nicht gemacht worden. Auch Hans Schöler kritisiert das. Er sagt, wahrscheinlich handelt es sich bei einigen der Angaben sogar um Artefakte, das heißt, die Zellen sehen aus wie gute Stammzellen, sind aber keine guten Stammzellen. Und er mit seinem Team ist übrigens gerade dabei zu zeigen, wie solche Artefakte entstehen, und diese Veröffentlichung ist ein guter Kandidat für solche falschen Ergebnisse.

    Degen: Was müssen die Forscher aus Kansas den eigentlich machen, damit ihre Angaben glaubwürdig sind?

    Lange: Ja, sie müssen das machen, was andere Stammzellenforscher mit embryonalen Stammzellen, aber auch mit einigen adulten Stammzellen bereits gemacht haben. Sie müssen schauen, funktionieren diese Zellen wirklich. Dazu müssen sie die Zellen transportieren, zum Beispiel im Tierversuch von einem Tier auf ein anderes Tier. Oder zum Beispiel auch in Tierembryonen transplantieren, und dann schauen, wie entwickeln sich diese Zellen. Das sind wirklich Versuche, die zeigen, was die Zellen wirklich können. Sehr wichtig, sagt der Stammzellenforscher Jürgen Hescheler von der Universität Köln, sei auch ein so genanntes Transkriptom. Das bedeutet, man schaut sich wirklich die Gene, die Erbanlagen in diesen Fällen an und schaut, welche Gene sind eingeschaltet und welche Gene sind ausgeschaltet. Und dieses Transkriptom verrät dann tatsächlich, wie gut diese Stammzellen sind.

    Degen: Wissen Sie denn eigentlich wer hinter dieser Forschung steckt?

    Lange: Ja, das ist tatsächlich eine Art eher PR-Aktion als eine wissenschaftliche Veröffentlichung. Verantwortlich ist ein Institut namens Biocommunications Research Institute in Wichita, Kansas, und die Forscher dort scheinen doch zum Teil interessengeleitet zu sein. Das heißt, hinter dieser ganzen Sache steckt eine Privatklinik mit übrigens einer ganz dubiosen Internetseite. Die heißt "bright spot for health", also leuchtender Fleck für Gesundheit. Und da geht es zunächst einmal darum, Geld zu verdienen. Das will übrigens auch die Firma "Cell", die jetzt eine Art Werkzeugkasten zur Entnahme von Menstruationsblut für zuhause anbietet. Das Ganze ist sehr fragwürdig und wahrscheinlich ist diese Methode auch völlig ungeeignet, um daraus Stammzellen zu gewinnen. Also Fazit, keine seriöse Forschung sondern eher Abzocke.