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Lösche: Die CDU ist veraltet und unglaubwürdig

Auch wenn Bremen eine "rote Hochburg" sei, habe die CDU grundlegende Probleme mit ihrer Aufstellung, so Peter Lösche. Die Grünen hingegen stünden insgesamt gut da, denn die Partei erscheine am glaubwürdigsten unter allen Parteien, so der Parteienforscher weiter.

Peter Lösche im Gespräch mit Christian Bremkamp | 23.05.2011
    Christian Bremkamp: In Bremen können SPD und Grüne wie erwartet weiter regieren. Bei der gestrigen Bürgerschaftswahl konnten beide Parteien nach den Hochrechnungen zufolge zulegen. Die CDU dagegen wird bei nur rund 20 Prozent der Stimmen landen, das wäre das schlechteste Ergebnis für den Landesverband seit 50 Jahren. Die FDP wird wohl gar nicht mehr in die Bürgerschaft einziehen.

    Aufgrund des komplizierten Wahlrechts steht das offizielle Ergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl noch aus. Das hat der Kollege Wassmund gerade erwähnt. Reaktionen auf das, was bisher bekannt ist, gibt es aber trotzdem, nicht nur in Bremen, wie gerade gehört, natürlich auch in Berlin, wo die Bundesspitzen der Parteien seit dem Morgen analysieren und nach Antworten suchen.
    Am Telefon begrüße ich jetzt den Politikwissenschaftler und Parteienforscher Peter Lösche. Guten Tag!

    Peter Lösche: Guten Tag, Herr Bremkamp.

    Bremkamp: Herr Lösche, die CDU nur noch auf Platz drei. Muss sich die Kanzlerin langsam Sorgen machen?

    Lösche: Allerdings, denn die Zeit der Volksparteien ist endgültig vorbei. Das zeigt eben nicht nur das Beispiel der SPD, sondern auch die Beispiele in den Landtagswahlen jetzt der CDU. Die Partei hat mehrere Strukturprobleme, sie ist, wenn man so will, veraltet, nur bei den über-60-jährigen populär, und sie hat ein Großstadtproblem. In Bremen kam hinzu, dass sie in den verschiedenen Politikfeldern keine Kompetenzzuschreibung hat. Selbst in der Wirtschaftspolitik liegt die SPD deutlich vor der CDU, ja die Grünen liegen gleich mit der CDU.

    Bremkamp: Analyse verstanden. Nur was kann die CDU tun, um wieder besser zu werden?

    Lösche: Sie muss versuchen, hineinzugehen in die Großstadtquartiere. Vor allen Dingen muss sie deutlich machen, für was sie eigentlich steht. Im Moment ist sie nicht sehr glaubwürdig, nicht zuletzt durch die rapide Wende in der Atompolitik, und Umfragen zeigen immer wieder, dass man nicht so recht bei der CDU und bei Frau Merkel weiß, wofür sie eigentlich stehen. Das gleiche Problem hat die SPD, aber die CDU hat das Problem auch.

    Bremkamp: Nun ist Bremen hoch verschuldet, steht wirtschaftlich nicht gerade gut da. Und dennoch: von Wechselstimmung war keine Spur. Warum? Ist das ein Bremer Phänomen, oder?

    Lösche: Es ist zum Teil schon ein Bremer Phänomen, denn Bremen ist seit mehr als einem Jahrhundert eine "rote" Hochburg. Proletarier und Kaufleute haben zusammengearbeitet in Bremen, ähnlich wie in Hamburg. Immer ging es um den Hafen. Also die sozialdemokratische Dominanz hat gleichsam Tradition in Bremen, aber hinzu kommen natürlich die aktuellen Schwächen der CDU, dass die CDU in Bremen in sich zerstritten ist, dass die Spitzenkandidatin nicht populär ist, keiner kennt sie recht, man hält sie nicht für würdig und qualifiziert, Erste Bürgermeisterin zu werden.

    Bremkamp: Die Grünen überholen die CDU in Bremen. Glauben Sie, dass die Partei, dass die Grünen dieses Hoch werden halten können mit Blick auch auf die Wahl in Berlin?

    Lösche: Ich glaube, nicht auf Dauer. Im Moment sind die Grünen natürlich deswegen so erfolgreich, weil die Anti-Atom-Politik, die sie seit drei Jahrzehnten vertreten, bestätigt worden ist. Also die Grünen werden, so meine Vermutung, in den nächsten Monaten um einige Prozentpunkte sinken, aber sie stehen insgesamt auch mittel-, vielleicht sogar langfristig positiv da, denn die Grünen sind die Partei, die als am glaubwürdigsten unter allen Parteien erscheint, und Glaubwürdigkeit ist in unserem Zeitalter der Politiker- und Parteienverdrossenheit ein hohes Gut. Dann sind die Grünen, wie man heute im Politiker-Jargon sagt, breit aufgestellt. Das heißt, sie sind nicht nur in der Umweltpolitik kompetent, sondern auch in der Wirtschaftspolitik, man denke an den Green New Deal aus der Bundestagswahl, durch Ökologiepolitik Arbeitsplätze schaffen, und selbst im Bereich der sozialen Gerechtigkeit wird den Grünen Kompetenz zugeschrieben.

    Bremkamp: Sie sagen, breit aufgestellt, was den Inhalt angeht. Aber hat die Partei auch die richtigen Köpfe, langfristig gesehen?

    Lösche: Sie hat durchaus die richtigen Köpfe, Trittin, Künast, Roth, Cem Özdemir sind bundesweit ganz gut bekannt, aber bei den Grünen kommt es nicht so sehr auf die Personen an, es kommt mehr auf die Inhalte an. Und siehe da: Wenn man analysiert, aufgrund welcher Faktoren die Wähler welche Partei wählen, dann sind es die Inhalte, die wahlentscheidend sind, und an zweiter Stelle kommen dann erst die Personen.

    Bremkamp: Abschlussfrage, Herr Lösche. Die FDP rutscht unter fünf Prozent in Bremen, bei bundesweiten Umfragen sieht es nicht anders aus. Trauen Sie dem neuen Spitzenpersonal in Berlin zu, da wieder rauszukommen?

    Lösche: Ich traue es den jungen Leuten zu. Sie müssen natürlich eine Chance bekommen und es ist erst eine Woche her seit dem Rostocker Parteitag. Also obwohl das Ruder herumgerissen worden ist, kann dieser auch schwerfällige Dampfer FDP nicht von einem Tag zum anderen, von einer Woche zur nächsten an Popularität gewinnen. Da muss man harte Bretter wenigstens für die nächsten sechs Monate bohren.

    Bremkamp: Wenigstens für die nächsten sechs Monate, meinen Sie. Das heißt, die FDP kann sich noch Hoffnungen machen, bei der Bundestagswahl dann besser abzuschneiden?

    Lösche: Sie kann sich Hoffnungen machen. Das Totenglöcklein ist für die FDP so oft geläutet worden, aber die FDP ist immer wieder in den Bundestag zurückgekehrt, so dass ich auch diesmal für die Wahlen im nächsten Jahr, dann die Bundestagswahl, davon ausgehe, dass die FDP überleben wird.

    Bremkamp: ... , sagt der Politologe Peter Lösche. Herzlichen Dank für diese Einschätzungen, Herr Lösche.

    Lösche: Bitte schön.