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Luftballons gegen Gentechnik

Mit 13.000 Luftballons haben Umweltaktivisten im Berliner Regierungsviertel gegen Gentechnik in der Landwirtschaft protestiert. Die gelben Ballons bildeten zuerst den Schriftzug "Genfood - Nein Danke", bevor sie in den Himmel aufstiegen. Die Aktion war Teil der Kampagne "Gentechnik stoppen!" des Online-Netzwerkes Campact.

Von Dieter Nürnberger | 02.11.2006
    Diese Aktion von rund 30 Verbänden, dabei sind beispielsweise der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland, Bio-Verbände oder auch die Deutsche Umweltstiftung, fand direkt vor dem Bundeskanzleramt statt. Und vor rund 45 Minuten sind dann 13.000 gelbe Luftballons nach oben gestiegen. Hier vor Ort waren bei sonnigem, aber auch recht kaltem Wetter, nicht so viele Menschen anwesend, aber die Aktion wurde ja bereits vor Wochen im Internet gestartet. Und mit der Resonanz von 13.000 Paten für jeweils einen Luftballon ist man doch ganz zufrieden - so zumindest Peter Röhrig, vom Bundesverband Ökologische Lebensmittelwirtschaft:

    "13.000 Bürger haben über das Internet einen Luftballon gespendet. Da hängt auch eine kleine Karte bei. Hier wird gefordert, dass das Gentechnik-Gesetz ein straffes und strenges Gesetz sein sollte, dass eine starke Haftung festgeschrieben wird, dass Produkte nicht von Gesetzes wegen bis zu einer Grenze von 0,9 Prozent verunreinigt sein dürfen. Produkte sollten völlig frei sein von gentechnisch veränderten Organismen. Diese 13.000 Luftballons tragen den Schriftzug 'Gentechnik - Nein Danke", sie sollen auch eine unkontrollierte Ausbreitung der Gentechnik deutlich machen."

    Der Zeitpunkt ist natürlich nicht zufällig gewählt, denn bis Ende November will ja der zuständige Agrar- und Verbraucherminister Horst Seehofer ein Eckpunktepapier für ein neues Gentechnik-Gesetz in das Kabinett einbringen. Es geht bei dieser Reform des Gesetzes weiterhin um wesentliche Fragen, die schon seit Jahren diskutiert werden. Das ist zum einen die Haftungsfrage. Konkret: Wer muss zahlen, wenn durch ein Nebeneinander von konventionellem oder auch Bioanbau und eben Feldern, wo gentechnisch veränderte Produkte angebaut werden, Verunreinigungen auftreten? Es geht also um die Haftung. Es geht auch um Abstandsregelungen, damit das Risiko von Verunreinigungen gering bleibt. Und es geht um eine Definition von gentechnisch-freien Produkten. Hier soll es ja keine so genannte Nulllösung geben, sondern einen Toleranzwert von 0,9 Prozent. Das sei eine Verwässerung des bisherigen Gesetzes, sagt Christoph Bautz von der Initiative Campact:

    "Zurzeit sieht das Gentechnik-Gesetz vor, dass bei Kontaminierung eines Ackers durch genetisch verändertes Erbgut der Verantwortliche zahlen muss, also der, der diesen Acker betreibt. Dieser Bauer muss haften und für mögliche Schäden auf Nachbarfeldern aufkommen. Das ist eine große Hürde, überhaupt Gentechnik in Deutschland anzubauen. Da will Seehofer ran. Künftig sollen 0,9 Prozent Kontamination erlaubt sein. Das wäre das Ende einer gentechnikfreien Landwirtschaft. Man könnte dann nicht mehr klar sagen, in diesem Produkt ist beispielsweise keine Gentechnik drin, sondern ganz legal erlaubte 0,9 Prozent. Das müssen wir verhindern."
    In der Politik wird ja gern betont, dass es zum einen ja die Forschung gebe und zum anderen die wirtschaftliche Nutzung der grünen Gentechnik. Horst Seehofer will nun scheinbar vor allem ein Mehr an Forschung genehmigen, eine wirtschaftliche Nutzung in Deutschland strebt er wohl weniger an - denn es wird ja weiterhin Abstands- und auch Haftungsregeln geben. Diese Unterscheidung zwischen Forschung und Anwendung vollziehen die protestierenden Verbände nicht, sie befürchten eine Art Dominoeffekt. Noch einmal Christoph Bautz:

    "Ich denke, die Forschung ist immer der erste Schritt, um danach die entsprechenden Veränderungen von Pflanzenarten auch einzuführen. Die Grüne Gentechnik bringt einfach sehr grundlegende Probleme mit sich. Wenn man einmal gentechnisch verändertes Erbgut in die Umwelt entlassen hat, dann ist es nicht mehr rückholbar. Und die Risiken, die sich daraus für die Gesundheit und die Umwelt ergeben, die sind häufig erst nach Jahren überhaupt feststellbar."

    Und Erfahrungen aus Kanada würde zumindest zeigen, dass selbst bei einem gewissenhaften Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen eine Verunreinigung nicht ausgeschlossen sei. Die EU-Gesetzgebung sieht aber nun einmal die Möglichkeit eines Anbaus vor, doch müsse ein deutsches Gesetz diesen Weg so schwierig wie möglich für die Gentechnik-Industrie gestalten, sagen die Verbände.

    Auf jeden Fall also heute ein sehr fernsehtauglicher Protest hier in Berlin vor dem Kanzleramt. Aber politisch richtig interessant wird es erst in ein paar Wochen werden, wenn die Große Koalition ihre konkreten Pläne für ein neues Gentechnik-Gesetz vorstellen wird.