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Luftfahrtexperte: Mehdorn genießt große Anerkennung

Wie Cord Schellenberg, Vizepräsident des , sagt, hat Hartmut Mehdorn in der Branche einen guten Ruf. War er doch vor seiner Zeit bei der Bahn erfolgreich im Management von Airbus tätig. Mit seinem Know-How werde Mehdorn Air Berlin wieder profitabler machen.

Cord Schellenberg im Gespräch mit Bettina Klein | 19.08.2011
    Bettina Klein: Böse Zungen waren schnell mit dem Urteil: Weshalb sollte ausgerechnet der frühere Bahnchef das Luftfahrtunternehmen retten? Genau das habe ich den Luftfahrtexperten Cord Schellenberg gefragt.

    Cord Schellenberg: Hartmut Mehdorn ist ja als Interimschef, als Übergangschef vorgeschlagen worden - und ich rechne da mit einer Zeit von vielleicht sechs Monaten, zwölf Monaten -, also jemand, der nach innen wirken soll, der in kürzester Zeit mit seinem Sachverstand die Fluggesellschaft beäugen soll und Maßnahmen umsetzen soll. Und den Sachverstand hat er, weil er nämlich gar nicht als ehemaliger Bahnchef unbedingt hier eine Rolle spielen wird, sondern als früherer Topmanager von Airbus, und dort hat er nicht nur sehr viel geleistet, sondern das eben auch sehr viel ruhiger gemacht als bei der Bahn, sprich: In der Luftfahrtbranche ist er eigentlich als ein ganz anderer Managertyp bekannt.

    Bettina Klein: Aber er wird eben nicht unbedingt mit Erfolgen der Deutschen Bahn in Verbindung gebracht, und dafür war er jahrelang ja zuständig. Tut das dem Image eines Unternehmens gut, wenn ein solcher Mensch - auch wenn es nur für eine gewisse Zeit ist - dort einen Spitzenposten übernimmt?

    Schellenberg: Ich persönlich würde Herrn Mehdorn auch nicht empfehlen, jetzt nach außen als Airline-Boss groß aufzutreten. Wenn man einen Übergangschef ist, er ist jetzt 69 und Unternehmensberater, dann ist es glaube ich nicht das Ziel, sich - wie vielleicht Herr Hunold das früher gemacht hat - mit Stewardessen vors Flugzeug zu stellen, zu lächeln und quasi wie ein Impresario aufzutreten. Sondern seine Aufgabe ist es, nach innen zu wirken, beispielsweise bessere Leasingkonditionen für Flugzeuge bei Airbus oder Boeing zu erreichen, die Organisation des Unternehmens zu verbessern oder auch natürlich, einen geeigneten Nachfolger für den Unternehmensgründer zu suchen.

    Klein: Hartmut Mehdorn war auch wegen seines Führungsstils im Unternehmen Deutsche Bahn nicht allzu beliebt. Ist das kein Nachteil im Augenblick?

    Schellenberg: Ich glaube, dass sich hier zwei Typen ein wenig gleichen, nämlich der Unternehmertyp Hunold, der das Ruder abgibt, und der Unternehmertyp Mehdorn, der es jetzt für eine gewisse Zeit übernimmt. Und vielleicht ist für Air Berlin der Kulturschock eben nicht so groß, wenn man ähnliche Typen hat mit viel Emotion, aber eben auch doch mit viel Engagement dabei, als wenn jetzt quasi ein glatter Manager käme, der sagt, ich mache alles anders als die frühere Führungs- und auch Vaterfigur Hunold. Möglicherweise ist das für den Übergang ganz schlau, und ich glaube, dass die Menschen den Bahnchef Mehdorn eben anders kennengelernt haben als den Luftfahrtmanager Mehdorn.

    Klein: Und es gibt keinen Fehler, den Herr Mehdorn begangen hätte, als er für die Deutsche Bahn zuständig war, der aus Ihrer Sicht gegen die Übernahme eines solchen Unternehmens sprechen würde?

    Schellenberg: Also ich habe persönlich eben noch mal geschaut: Warum ist er eigentlich nach zehn Jahren bei der Bahn gegangen? Und dann las ich dort etwas von diesen Mitarbeiterdaten, die da von der Bahn überprüft worden waren.

    Klein: Das war der Anlass dann, ja.

    Schellenberg: Genau. Also ich sage mal, das ist doch auch irgendwie vergessen. Das war doch jetzt keine ganz große Sache, das war doch kein Wahnsinnsding, sondern das war sicherlich ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, aber das ist eben auch ein Fass, das Deutsche Bahn heißt. Und persönlich, finde ich, ist das nun auch nicht das renommierteste Unternehmen Deutschlands. Insofern - das Kapitel kann man doch auch ganz gut abschließen.

    Klein: Ja, er stand natürlich sehr stark in der Kritik auch im Zusammenhang mit dem Börsengang oder der Vorbereitung des Börsengangs bei der Deutschen Bahn, da musste er sich natürlich auch als Manager profilieren, und das ist ja nicht ganz aufgegangen auch in der Zeit, also da sind natürlich auch die Zweifel an seiner Kompetenz jetzt begründet, die jetzt aufkommen.

    Schellenberg: Ein wenig ist hier eine andere Managementaufgabe zu vergeben. Als Deutsche Bahn war man natürlich dem Eigner Bundesrepublik Deutschland verpflichtet und hatte Millionen von Kunden, die total unterschiedliche Interessen haben. Beim Fliegen ist es ein bisschen anders. Natürlich gibt es die Menschen auch in ganz Europa, die mit Air Berlin fliegen, aber die sind eigentlich nicht so im Detail drin, da fährt keiner jeden Morgen mit der Bahn zur Arbeit und ärgert sich, dass aufgrund von fünf oder zehn Minuten Verspätung ein Anschlusszug vielleicht verpasst wird und das jeden Tag passiert. Beim Fliegen sind die Themen doch größer. Sie sind zwar emotional nah dran an den Menschen, aber es gibt ganz wenig Leute, die das täglich miterleben als Kunden.

    Klein: Aber doch häufig genug vielleicht, um sich auch über Verspätungen zum Beispiel zu ärgern. Also viele fragen jetzt schon, wird fliegen mit Air Berlin bald genauso viel Spaß machen wie fahren mit der Deutschen Bahn, wo sich ja Kunden immer wieder geärgert haben?

    Schellenberg: Ja, das Thema der Air Berlin ist ja eigentlich weniger, wie können wir besser oder pünktlicher oder kundenfreundlicher werden? Dafür ist Air Berlin durchaus bekannt, dass sie, genau wie ihr großer Wettbewerber in Deutschland, die Lufthansa, eine gute fliegerische Organisation hat, gute Leute, die die Flugzeuge führen, und natürlich auch einen entsprechend guten Service am Flughafen bieten oder Buchen im Internet. Also das läuft alles. Das sind vielleicht Dinge, die auch ganz klar das Fliegen von der Bahn unterscheiden. Dieses im Bereich Verkauf, da kann man eigentlich als Air-Berlin-Chef nichts falsch machen, weil man es so weiterführen muss wie bisher. Hier geht es darum, die Strukturen des Unternehmens so zu verändern, dass es profitabel wird. Und dafür brauchte man eben nicht den Ex-Bahnchef, sondern den Luftfahrtfachmann, und das ist Hartmut Mehdorn eben auch, und in der Branche hat er dafür immer noch nicht nur große Anerkennung, sondern sehr viele Freunde. Er hat die Airbus-Produktion nach Deutschland geholt.

    Klein: Es geht um die Konkurrenz für Air Berlin vor allen Dingen mit der Lufthansa, was innerdeutsche Flüge angeht in jedem Falle. Wie kann sich ein Unternehmen wie Air Berlin da positionieren?

    Schellenberg: Die Lufthansa ist ein, wenn man so will, fitter Wettbewerber. Man hat es ja oft, dass junge Fluggesellschaften in neue Märkte eindringen und dort auf ein träges, fast in Erstarrtheit auftretendes Unternehmen treffen. Das ist hier nicht so: Die Lufthansa ist durchaus fit für den Wettbewerb, sie ist es ja auch selber gewöhnt, über ihre Töchter beispielsweise in der Schweiz und Österreich für Wettbewerb zu sorgen. Und das hat es für Air Berlin, glaube ich, schwerer gemacht als am Anfang gedacht, denn die Kunden waren nicht plötzlich in Scharen zu Air Berlin gelaufen, weil die Lufthansa zu träge ist, sondern die haben durchaus immer wieder entschieden: Fliege ich heute Lufthansa oder fliege ich lieber Air Berlin, wer hat die besseren Tarife? Und die Lufthansa hat sich einfach auch auf sehr günstige Tarife eingelassen, wenn man so will Preisschlachten, aber sie konnte es durch das profitable Langstreckengeschäft eben auch besser sozusagen gegenfinanzieren als die Air Berlin, die natürlich auf höhere Erträge im Kurzstreckengeschäft angewiesen ist.

    Klein: Welche unternehmerischen Entscheidungen stehen jetzt an für Hartmut Mehdorn? Also eine Geschichte, die im Gespräch ist, sind Streckenstilllegungen. Wird so was in der Art kommen?

    Schellenberg: Für Fluggesellschaften ist eigentlich das Thema Wachstum wichtig, denn die Wettbewerber um einen herum wachsen auch, egal ob nun Günstigflieger oder etablierte Carrier. Und wer dort nachlässt, der wird eben auch überholt, weil andere Fluggesellschaften ihre Flugzeuge natürlich auch dort hinstellen, wo Wettbewerber schwächeln. Und insofern muss man natürlich unrentable Routen irgendwann mal streichen, man kann nicht immer Zuschussgeschäft bestreiten, aber beim Fliegen ist wichtig, ein Netz zu haben. Dieses Netz ist einerseits interessant für Geschäftsreisende, die eben möglichst viel Auswahl haben wollen - nur dann arbeiten Firmen gezielt mit einem Flugunternehmen zusammen -, und gleichzeitig muss man ein Netz haben, das die Verbindung in alle Welt schafft. Dort ist der Grundstein bei Air Berlin gelegt, sie werden in Kürze der "Oneworld Alliance" beitreten, das heißt, einer weltweiten Verbindung von Fluggesellschaften. Das wird nicht nur zusätzliche Passagiere bringen, sondern möglicherweise auch hochpreisigere Passagiere, denn dort sind durchaus auch viele Geschäftsreisende, die bisher auf anderem Wege, vielleicht über London nach Deutschland kamen, als mal großen Partner die British Airways dann von Air Berlin, oder über Madrid, die Iberia. Und diese Passagiere können künftig einfacher mit Air Berlin fliegen, weil sie durchgehende Tickets aus aller Welt nach Deutschland kaufen können.

    Klein: Wenn wir also auf innerdeutsche Strecken schauen, Hamburg-Frankfurt zum Beispiel - rechnen Sie denn damit, dass die gestrichen werden?

    Schellenberg: Hamburg-Frankfurt war ein Versuch von Air Berlin, gegen die Lufthansa massiv anzufliegen auf einem Herzstück, Herzfiletstück der Lufthansa, denn an beiden Standorten, Hamburg wie Frankfurt, ist Lufthansa sehr stark, und in Frankfurt betreibt sie einen eigenen Knotenpunkt. Und den betreibt sie zusammen mit ihren Partnern der "Star Alliance". Und durch den künftigen Zusammenschluss von Air Berlin mit den Mitgliedern der "Oneworld Alliance" ist es einfach unlogisch, in einen Knotenpunkt eines Wettbewerbers reinzufliegen, wo man eben keine Passagiere aus der eigenen Alliance einsammeln kann. Insofern denke ich, dass diese Route wegfällt, das heißt aber natürlich auch für die Passagiere auf dieser Route mit immerhin 1,5 Millionen Passagieren pro Jahr, dass die Lufthansa dort allein fliegt, und das wird heißen: Es wird teurer.

    Klein: Air Berlin hat sich ja sehr siegesgewiss gegeben, was diese Langstreckenflüge angeht. Im vergangenen November zum Beispiel wurde mit der Direktflugverbindung Berlin-Miami begonnen, und man sieht in Miami überall Busse mit der Werbung herumfahren. Man könnte glauben, da ist ein Unternehmen ganz stark auf Expansionskurs, aber das Gegenteil ist ja eigentlich richtig, wenn man sich die Zahlen anschaut, oder?

    Schellenberg: Ich glaube, dass Air Berlin da ein wenig im Dilemma ist: Einerseits sind Langstrecken natürlich sehr kostenintensiv im Aufbau, da sind am Anfang weniger Passagiere, das baut sich erst langsam auf, auch die Fracht muss erst mal akquiriert werden, und insofern hat man aufgrund der langen Strecke und des intensiven Flugzeugeinsatzes hohe Kosten. Andererseits ist das beispielsweise der Bereich, in dem die Lufthansa das meiste Geld seit Jahrzehnten verdient. Und sich davon einfach zu trennen, ist vielleicht auch schwierig, weil man in der Langstrecke eine Zukunftsmöglichkeit für Air Berlin sieht, um auch dem starken Wettbewerb innerhalb Deutschlands und Europa mit der Lufthansa ein wenig auszuweichen. Andererseits ist das jetzt die Aufgabe von Hartmut Mehdorn als neuem Übergangschef, dass er jetzt ganz schnell herausfindet: Hat diese Langstreckenfliegerei wirklich auch in der kurz- und mittelfristigen Perspektive Gewinnmöglichkeit, oder bleibt es ein Zuschussgeschäft? Dann wird man sich wohl davon trennen müssen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.