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Luxemburger Vexierspiele

Vor fast 30 Jahren hielt eine Serie von Sprengstoffanschlägen das Großherzogtum Luxemburg in Atem. Jetzt müssen sich zwei Polizisten als mutmaßliche Drahtzieher vor Gericht verantworten. Ob hinter den Anschlägen mehr steckt, wie Verschwörungstheoretiker vermuten, soll sich im Prozess erweisen.

Von Tonia Koch | 23.05.2013
    Die beiden Angeklagten, zwei Männer im Alter von 56 und 58 Jahren, sollen unter anderem dafür verantwortlich sein, dass Strommasten in die Luft flogen, Ferienhäuser in Rauch aufgingen und der Luxemburger Flughafen Findel bei einer Bombenexplosion schwer beschädigt wurde. Ihnen wird unter anderem versuchter Mord, Körperverletzung und Brandstiftung zur Last gelegt. Die Verteidigung hält die beiden Gendarmen, die zu jener Zeit der Sondereinheit ‚Brigade mobile’ angehörten, allerdings für nichts anderes als Bauernopfer. Denn hinter dieser Anschlagsserie stecke etwas ganz anderes. Man habe es mit Staatsterrorismus zu tun, mit Machenschaften der Geheimdienstorganisationen verschiedener NATO-Staaten, lautet die inzwischen gängigste Verschwörungstheorie, die auch vom Anwalt der Gendarmen, dem Luxemburger Strafverteidiger Gaston Vogel, gestützt wird.

    "Etwas ist klar, zwischen 1984 und 1986 gab es Terror überall, in ganz Europa organisiert von Shape über Stay behind."

    Als Stay behind wurden geheime Organisationseinheiten der Nachrichtendienste bezeichnet, die für den Fall, dass Westeuropa vom potenziellen Feind, der Sowjetunion, überfallen wird, Sabotageakte gegen den Aggressor durchführen sollten. Wie lange das geheime Guerilla-Netzwerk in den NATO-Ländern bestand, ist nicht bekannt. Aber davon, dass die Saboteure handelten, ist Gaston Vogel überzeugt.

    "Der Stay behind hieß in Italien Gladio und in Luxemburg hieß er Plan. Warum sollte der Plan tugendhafter sein als der Gladio? Man sagte, die Europäer sind nicht vorbereitet auf diesen Angriff, deshalb müssen wir sie terrorisieren, damit sie zu sich kommen. Das ist die Ideologie, das steht in allen Büchern und das steht in allen Dokumenten."

    Die Existenz der Sondereinheit wurde in Luxemburg von höchster Stelle, vom ehemaligen Premierminister Jacques Santer, eingeräumt, nur mit den Bombenlegern hätte Stay behind nichts zu tun. Das sagte Charles Hoffmann, zwischen 1985 und 2003 Chef des luxemburgischen Geheimdienstes, vor wenigen Wochen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der sich ebenfalls mit der Arbeitsweise des Geheimdienstes befasst.

    "Als ich in den Dienst eintrat, wurde ich gleich Chef des Stay behind, ohne zunächst eine Ahnung davon zu haben, was das war. Aber ich will hier gleich zu Beginn sagen, und das auch unter Eid, dass der Luxemburger Stay behind nichts mit den Bombenlegern zu tun hat."

    Neue Nahrung bekommt die These vom staatlich organisierten Terror von Andreas Kramer. Er ist Deutscher und hat sich den Luxemburger Behörden offenbart. Kramer behauptet, der luxemburgische Stay behind sei für die Sprengstoffanschläge auf Ziele in Luxemburg verantwortlich gewesen. Diese Informationen habe ihm sein verstorbener Vater anvertraut. Sein Vater, ein Bundeswehroffizier, sei Agent des BND, des Bundesnachrichtendienstes, gewesen und er habe von Deutschland aus die Bombenanschläge in Luxemburg koordiniert. Erhebliche Zweifel an Kramers Schilderung hegt der Journalist Eric Hamus. Hamus arbeitet für die Tageszeitung Luxemburger Wort und hat zu Beginn des Gerichtsprozesses eine Chronologie der Bombenleger-Affäre herausgegeben.

    "Seine Glaubwürdigkeit ist fast null in meinen Augen. Der Mann hat sich nach und nach immer mehr Geschichten zusammengereimt. Die erste Aussage, die er getätigt hat, eine eidesstattliche Versicherung, die lautete ganz anders als das, was er im Nachhinein vor Gericht behauptet hat. Er hat seine Aussage immer mehr ausgeschmückt, immer mehr mit Details belegt, die öffentlich bekannt sind."

    Selbst was seine persönlichen Lebensumstände anlange, gebe Kramer Dinge vor, die nur wenig mit der Realität zu tun hätten, so Hamus. Auch die Pressestelle des Bundesnachrichtendienstes bestätigt schriftlich gegenüber dem Deutschlandfunk, dass die bislang durchgeführten Untersuchungen beim BND eine Mitarbeit von Kramers Vater in den Reihen des Bundesnachrichtendienstes ausdrücklich nicht bestätigen. Viel spreche daher im Moment nicht dafür, dass die Luxemburger Bombenanschläge eine internationale Dimension aufwiesen, so Hamus.

    "Ich denke, es ist eine Luxemburger Sache gewesen, die aber schon von einer höheren Ebene in Luxemburg abgeschirmt wurde."

    Bislang geht auch die Staatsanwaltschaft davon aus, dass die Drahtzieher der Bombenleger-Affäre ausschließlich in Luxemburg zu suchen sind und dass staatliche Stellen involviert waren. Ob aber mit den beiden Ex-Gendarmen die richtigen Leute auf der Anklagebank sitzen, das muss der Prozess klären.