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Luxus oder Notwendigkeit?

Wir haben essbare Bezugsstoffe für Möbel entwickelt, für Sofas zum Beispiel oder Schreibtischstühle, weil wir herausgefunden haben, dass die Zuschnitte, wenn man Möbel herstellt, die Abfallstoffe so giftig sind, dass sie als Giftmüll verbrannt werden müssen. Und wir haben uns gesagt, die Menschen atmen es ein, inzwischen haben die Hälfte unserer Kinder Allergien, dann müssen unsere Chemikalien so sein, dass sie essbar sind.

Reiner Scholz |
    Sofas, die man recyceln kann – bei dieser Aussicht schlägt nicht nur das Herz von Michael Braungart höher, der das Institut "EPEA - Internationale Umweltforschung" in Hamburg leitet. Doch ist alles dies weitgehend Zukunftsmusik. Bis dahin gilt: Der moderne Mensch produziert jede Menge Müll. In Deutschland fallen jährlich etwa 380 Millionen Tonnen davon an. Das meiste ist Gewerbemüll. Etwa 33 Millionen Tonnen aber sind Hausmüll, für deren Entsorgung die Kommunen verantwortlich sind. Die größten Mengen landen in einer Müllverbrennungsanlage oder unbehandelt auf einer der unzähligen Deponien.

    Mit letzterem soll bald Schluss sein. Eine Verordnung aus dem Jahr 2001 soll Deutschland mit einem Schlag zu einem Sauberland machen. Lutz Wicke, Direktor des Instituts für Umweltmanagement an der Europäischen Wirtschaftshochschule in Berlin spricht von einem "abfallpolitischen Hoch-Weit-Sprung":

    Ab 2005 darf nichts mehr unvorbehandelt deponiert werden. Wer es dennoch tut, macht sich prinzipiell strafbar nach dem Umweltrecht. Deshalb werden alle Verantwortlichen gezwungen, in allerkürzester Zeit entweder Verträge zu schließen oder entsprechende Behandlungsanlagen zu planen und zu realisieren. Da es sich um fünfzig Prozent des gesamten deutschen Abfalls handelt, ist es natürlich eine gewaltige Maßnahme.

    Bis heute ziehen es viele Kommunen vor, ihren Müll – gegen jegliche ökologische Vernunft - auf billigen Deponien abzukippen, so dass Umweltschützer und Toxikologen wie Hermann Kruse von der Universität Kiel die neue "Abfallablagerungs-Verordnung" dem Grundsatz nach begrüßen:

    Das hängt damit zusammen, dass wir ab 2005 wahrscheinlich sichere Deponien bekommen werden. Das heißt: Deponien, die kein Risiko mehr bedeuten für das Grundwasser. Und das ist natürlich zur Zeit das Problem mit den noch bestehenden Deponien, mit den Altlasten, dass durch diese eine erhebliche Gefahr für das Grundwasser ausgeht.

    Doch die Mengen, die bald anders entsorgt werden müssen, sind gewaltig. Bislang wird nur etwa die Hälfte des deutschen Hausmülls in den 57 Verbrennungs-Anlagen verfeuert, die den künftigen Anforderungen entsprechen. Doch was ist mit dem anderen Müll?

    Neue Entsorgungs-Anlagen braucht das Land. Die Zeit drängt. Viele sind in Planung. Doch überall dort, wo bald Müllöfen stehen sollen, gibt es auch Widerstand. Beispiel: Hannover-Lahe. Dort fürchten Bürger den Müllverkehr, aber auch die Luftverschmutzung, so Felicitas Weck, Sprecherin der Bürgerinitiative:

    Diese Anlage hat sehr billige Filter und nicht nur preisgünstige, sondern richtig billige Filter. Es ist ein Entgiftungsverfahren, das Schadstoffe rausnehmen soll, was heute eigentlich nicht mehr Stand der Technik ist.

    Mit spitzem Bleistift rechnet sie vor, dass Hannover gar keine Anlage brauche. Zwar betrage das Haus-Müllaufkommen der Region im Jahr etwa 330.000 Tonnen, doch fast 70 Prozent könnten für andere Öfen, etwa in Zementfabriken, abgezweigt oder durch eine ebenfalls geplante mechanisch-biologische Anlage entsorgt werden. Wo also solle der Müll für die Müllverbrennungsanlage Hannover-Lahe überhaupt herkommen?

    Wir haben schon einen festen Vertrag mit der Müllverbrennungsanlage in Buschhaus über 100.000 Tonnen und ein bisschen was. Dieser Vertrag läuft noch über 15 oder 18 Jahre, der eingehalten werden muss. Und das ist nach unseren Berechnungen auch genau die Müllmenge, die in Hannover rauskommt, die man dann verbrennen müsste. Wenn wir jetzt in Hannover-Lahe noch eine neue Anlage bauen, die erst mal mit 200.000 Tonnen angekündigt wurde, und wo es jetzt einen privatrechtlichen Vertrag mit der Stadt gibt über 230.000 Tonnen, dann sind das 230.000 Tonnen, von denen ich noch nicht so genau weiß, wie die voll werden sollen.

    In den Auseinandersetzungen über den Müll gab es früher klare Fronten. Grün gegen den Rest der Welt. Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Frage der Müllverbrennung spaltet nicht nur in Hannover ehemalige Weggefährten. Sprecherin Felicitas Weck war früher in der grünen Landtagsfraktion beschäftigt. Ihr Gegenüber Hans Mönninghoff ist ein Grüner und leitet seit 13 Jahren das Umweltdezernat in Hannover:

    Was die Bürgerinitiative verschweigt, ist, dass wir ein sehr fortschrittliches Konzept in Hannover haben. Es fallen pro Jahr etwa 380.000 Tonnen Müll an, trotz riesiger Vermeidungsanstrengungen. Und diese 380.000 Tonnen müssen entsorgt werden. Davon behandeln wir einen Teil kalt, mit einer sogenannten Vergärungs- und Verrottungsanlage. Dagegen gibt es natürlich auch eine Bürgerinitiative, die wollen die auch nicht haben. Aber ich habe ein ausgesprochen gutes Gewissen, dass ich sage: Der Gesetzgeber verlangt, dass mindestens die Hälfte des Mülls verbrannt werden muss. Und deswegen brauchen wir in der Region Hannover eine Verbrennungskapazität in der Größenordnung von 200.000 Tonnen.

    Auch hinsichtlich der Schadstoffe sieht Mönninghoff keine großen Probleme:

    Erstens sind es nicht veraltete Werte, sondern die Werte der im nächsten Jahr in Kraft tretenden Verschärfung sind schon Basis unseres Vertrages. Zwotens werden diese Werte in der Jahressumme in einem Sondervertrag, den wir haben, noch einmal um 50 Prozent unterschritten. Ich kann theoretisch das natürlich noch viel weitertreiben, ich kann Operationssaal-Luft produzieren. Dann irgendwann fängt aber die andere Seite, die nächste Bürgerinitiative an, die dann nach der Kostenseite fragt.

    Müllverbrennungsanlagen sind schwere und teure Giganten, Kathedralen der Neuzeit mit einer Laufzeit von bis zu 20 Jahren. Früher rechnete man mit Erstellungskosten von etwa 300 Mark pro zu verfeuernder Tonne, doch hat die Ebbe in den öffentlichen Kassen den Preis auf gut 100 Euro pro Tonne gedrückt. Selbst das bedeutet für die geplante Anlage in Hannover immerhin eine Investition von 30 Millionen Euro. Doch billiger, so sagen kritische Toxikologen wie Hermann Kruse aus Kiel, heißt auch schlechter:

    Die von mir beobachtete Entwicklung in den Kommunen sehe ich sehr kritisch, Weil ich feststellen kann, dass doch die überwiegende Anzahl der Kommunen dahin strebt, jetzt Müll zu verbrennen. Das wäre von vornherein noch gar nicht abzulehnen. Nur: Ich kann beobachten, dass die Umweltstandards für die Müllverbrennungsanlagen nicht mehr die sind, die vor fünf, sechs Jahren mal eingehalten wurden. Mit anderen Worten: Es wird zur Zeit bei der Müllverbrennung nach Methoden gearbeitet, oder es wird so verbrannt, dass beispielsweise die gesetzlichen Bestimmungen für Grenzwerte für Schadstoffe im Rauchgas eingehalten werden, aber nicht besser.

    Früher waren die Dioxine bedrohlich, heute sind es eher andere Stoffe:

    Wir weisen neuerdings immer mehr darauf hin, dass da beispielsweise Probleme entstehen können mit Arsen, zum Beispiel mit Cadmium, mit Blei, mit Quecksilber, um nur ein paar Elemente zu nennen. Ich halte die Risiken, die von diesen Emissionen, den Metallemissionen, ausgehen für wesentlich gravierender als die Emissionen der organischen Verbindungen.

    Auch der grüne Umweltdezernent Mönninghoff kennt die Argumente der Müllofen-Gegner. Doch sieht er keine Alternative:

    Die Grundproblematik, die ich auch als politisch denkender Mensch sehe, ist die Festlegung, dass ein ganz erheblicher Teil des Mülls zukünftig ab 2005 verbrannt werden muss. Da waren die Grünen sehr kritisch, und ich selbst habe auch versucht, das zu verhindern. Da hat sich die CDU zusammen gerade mit der nordrhein-westfälischen SPD über den Bundesrat durchgesetzt und die Kommunen gezwungen, sie müssen mindestens die Hälfte ihres Mülls ab 2005 verbrennen. Dadurch ist das Problem entstanden, dass viele Kommunen jetzt Entsorgungskapazitäten brauchen. Zum Teil aber auch ganz richtig: Denn man muss doch ehrlich zugeben, dass viele Deponien undicht waren, Schadstoffe ins Grundwasser sickerten und die alte Deponie-Technik nicht besser war.

    1993 erließ der Bund die entscheidende Verwaltungsvorschrift über den Siedlungsabfall. Danach sollte der Müll künftig komplett verbrannt werden.

    Aber die Kommunen kümmerten sich kaum darum. So setzte die rotgrüne Bundesregierung ein Datum: 2005. Doch, und dies war ein Zugeständnis an den grünen Koalitionspartner, neben der Müllverbrennung ist nun auch eine – von Umweltschützern favorisierte - sogenannte mechanisch-biologische Beseitigung zulässig, bei der durch entsprechende Vorbehandlung die am Ende noch zu verbrennende Menge deutlich kleiner ist.

    Die Kommunen tun sich schwer, mechanisch-biologische Anlagen in Auftrag zu geben. Das hänge auch mit den Vorgaben zusammen, so Michael Braungart vom Hamburger Umweltinstitut EPEA:

    An den mechanisch-biologischen Anlagen hat man festgelegt, dass die gleichen Grenzwerte gelten sollen wie bei einer Müllverbrennungsanlage. Und das ist ja absurd. Die Schadstoffe sind völlig andere bei der Verbrennungsanlage wie bei der biologisch-mechanischen Anlage. Das heißt, diese Grenzwerte bei einer mechanisch-biologischen Anlage sind nur einhaltbar mit so hohen Kosten, dass es billiger ist, viel billiger ist, zu verbrennen.

    Geld ist ein Argument. Schon in den letzten Jahren sind die Müllkosten deutlich gestiegen. Gleichzeitig bietet der Markt den Großen gute Verdienstmöglichkeit. Die Branche macht immerhin einen Jahresumsatz von 25 bis 35 Milliarden Euro.

    Der Kampf um die Rahmbedingungen war hart. Die großindustriellen Anlagenbauer kämpften gegen mittelständische Deponierer, West gegen Ost. Wie kaum anders zu erwarten, setzten sich die kapitalkräftigen Müllverbrenner durch. Während die einflussreichen Bundes-Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen schon heute fast flächendeckend mit Müllverbrennungsanlagen ausgerüstet sind, gibt es im gesamten Gebiet der ehemaligen DDR fast nur Deponien. Doch auch Deponien mit gutem Standard soll es nach der Abfallverordnung nicht mehr geben, beklagt Lutz Wicke vom Institut für Umweltmanagement:

    Ich war zum Beispiel wirklich sehr überrascht, ich war mal im Aufsichtsrat einer Deponiegesellschaft und habe beschlossen, dass die Deponiegesellschaft ca. 100 Millionen DM in eine basisabgedichtete Deponie steckt, um nach 2005, wie ich erwartet habe, dann die Abfälle aufzunehmen, möglicherweise vorbehandelte und so weiter. Ich habe das damals auch im guten Glauben und in der Erwartung, dass diese Deponie dann auch genutzt wird, 2005, gemacht. Pustekuchen, die kann nicht mehr benutzt werden.

    Stattdessen setzt sich offenbar die Müllverbrennung immer mehr durch:

    Was wir beobachten können, ist folgendes: Dass die in Westdeutschland errichteten Müllverbrennungsanlagen - wir haben ja rund 50 Anlagen in Westdeutschland - in der Regel überdimensioniert sind. Das hängt damit zusammen, dass tatsächlich der Müll besser aufgetrennt wird, dass wir die Möglichkeit haben, wieder zu recyceln, dass wir aber auch andere Abnehmer haben, dass es zum Beispiel eingespeist wird in Zement-Drehrohröfen usw. Dadurch werden die Müllmengen, die für die Verbrennung anstehen, geringer. Wir können jetzt leider Gottes feststellen, dass diese Fehler, die wir in Westdeutschland gemacht haben, auch in Ostdeutschland gemacht werden. In Ostdeutschland gab es bislang nur ganz wenige Müllverbrennungsanlagen und jetzt entdeckt man sie in Ostdeutschland, und dort werden sie jetzt errichtet - mit zum Teil erheblichen Kapazitäten.

    Ob in Freiburg oder Hanau, Chemnitz oder Rostock, Magdeburg oder Zella-Mehlis, insgesamt sind derzeit 14 große Müllöfen im Planungsstadium – zum Teil schon weit fortgeschritten. Weitere werden dazukommen. Geplante Inbetriebnahme ist fast überall Mitte 2005.

    Hochburg der Großanlagen und Anlagenbauer ist Nordrhein-Westfalen.

    Dort gibt es einfach eine sehr enge Verbindung zwischen öffentlicher Verwaltung, zwischen Politik und zwischen Unternehmen. Und wenn ein Stadtdezernent zum Beispiel keine Anlage bauen will, dann wird er eben woanders untergebracht, in einer Entsorgungsfirma beispielsweise. Dabei gibt es aber auch Unterschiede zwischen den Entsorgungsunternehmen. Es gibt zum Beispiel Familienunternehmen, die haben gar kein Geld, Verbrennungsanlagen zu bauen. Und es gibt andere Entsorgungsunternehmen, die müssen aus den Atomanlagen das Geld, was sie dort für Störfälle zurückgelegt haben, irgendwo investieren können; und das packen sie dann in Müllverbrennungsanlagen. Die Müllverbrennungsanlagen sind für Firmen wie RWE und EON - wenn man es polemisch sagen würde - so eine Art Geldwaschanlagen.

    Nordrhein-Westfalen ist nicht zufällig auch das Land mit dem bekanntesten Korruptionsskandal in Sachen Müll. Dort sollen beim Bau der Müllverbrennungsanlage in Köln-Niehl über Schweizer Konten knapp 30 Millionen Mark Schmiergelder geflossen sein. Die fünf Hauptverdächtigen sind wieder auf freiem Fuß, der Müllentsorger Trienekens musste dafür immerhin eine Kaution von 100 Millionen Euro Kaution hinblättern, die höchste je in Deutschland hinterlegte Summe. Der Prozess soll noch in diesem Jahr beginnen.

    Die Beschuldigten verhalfen Köln zu einer völlig überdimensionierten Müllverbrennungsanlage, vor der Michael Braungart vom Hamburger Umweltinstitut schon früh gewarnt hat:

    Ich war in Köln gewesen und habe dort in mehreren Vorträgen und fachlichen Stellungnahmen gezeigt, dass erstens Köln äußerst ungünstig ist für eine Müllverbrennungsanlage, weil die Inversionslagen sehr hoch sind und die Vorbelastung schon sehr hoch ist. Das heißt, wenn der Dreck in die Luft gelangt, dann zieht er nicht weg, sondern bleibt solange dort, weil die Inversionslage den Dreck dort hält, vor allem im Winter. Dann habe ich gezeigt mit den Kollegen hier zusammen, dass es keinen Bedarf gibt, weil es nebenan in Bonn und Oberhausen schon nicht ausgelastete Anlagen gibt. Dann hat sich die SPD dort sehr bedankt. Und im Nachhinein haben wir dann erfahren, dass wir nur benutzt worden sind, um den Preis für die Korruption nach oben zu treiben.

    Der Großanlagenbau gilt in Deutschland als besonders korruptionsanfällig. Die "Süddeutsche Zeitung" zählte im Frühjahr 18 Groß-Projekte auf, bei denen der Verdacht auf Schmiergeldzahlungen besteht – fast alles Kraftwerke und Müllverbrennungsanlagen. Insider betonen, dass Schmiergelder von drei bis fünf Prozent durchaus normal seien – und von gewissen Kommunalpolitikern auch erwartet würden.

    Korruption wie im Falle von Köln zahlt der Bürger durch erhöhte Müllgebühren. Schmiergeld, Überdimensionierung und Überkapazitäten drücken die Kosten nach oben. Händeringend suchen deutsche Müllverbrennungsanlagen derzeit nach Müll und überbieten sich gegenseitig mit Dumpingpreisen, nur damit die Anlage voll wird und wenn der Müll – wie kürzlich geschehen - aus Neapel kommt:

    Es gibt in Hamburg eine Anlage, die praktisch völlig leer steht, die nur mit Tiermehl ausgelastet wird. In Bayern gibt es mehrere, praktisch leerstehende Anlagen. Schwandorf zum Beispiel, in Europa die größte Anlage, ist über lange Zeit zum Verkauf gestanden, weil sie überhaupt nicht benötigt wurde. Dort hat man ganz früh - in Bayern - die Menschen dazu gezwungen, sich in Müllzweckverbänden zusammenzuschließen und hat dann überall Verbrennungsanlagen gebaut.

    Schon heute ist ohnehin klar: Wenn ab 2005 die billige Deponierung verboten wird und jeder Müll verbrannt oder gesondert behandelt werden muss, dann werden die Müllgebühren dramatisch ansteigen. Mit einem Aufschlag von mindestens fünfzig Prozent rechnen Experten. Wenn Kommunen sich jetzt verkalkulieren und zu große Verbrennungsanlagen bauen, die auf Dauer nicht ausgelastet sind, dann wird es noch erheblich teuer.

    Noch haben nicht alle Kommunen die ihnen abverlangte Müllentscheidung getroffen. Vielerorts laufen noch ergebnisoffene Ausschreibungen, ist nicht klar, ob man sich eine Müllverbrennungsanlage leistet, die viel Kapital bindet und auf jeden Fall ausgelastet sein muss, wenn sie nicht zum teuren Zuschussgeschäft werden soll. Oder ob man eine mechanisch-biologische Anlage vorzieht, die von Umweltschützern favorisiert wird, weil sie in allem kleiner dimensioniert ist, bei der aber die gängigen Modelle noch nicht überall gänzlich ausgereift sind.

    Diese Entscheidungen wollen in Ruhe getroffen sein. Doch den Kommunen läuft die Zeit davon. Deshalb plädieren Experten wie Lutz Wicke, ehemaliger Berliner Umweltstaatssekretär und derzeit Direktor des Instituts für Umweltmanagement 2005 zumindest für eine Übergangslösung:

    Man muss zumindest noch eine Übergangsregelung schaffen oder durch entsprechende Hinweise rechtlich möglich machen. Nämlich man muss all denjenigen Verantwortlichen, die wirklich nachweislich ab dem Zeitpunkt, wo es definitiv feststand, was zu passieren hat, alles unternommen haben, um den Zeitpunkt 2005 zu erreichen, denen müsste man für maximal zwei, drei Jahre eine Übergangsmöglichkeit eröffnen, dass sie unvorbehandelte Abfälle auf basisabgedichteten Deponien ablagern dürfen.

    Noch sind nicht alle Entscheidungen getroffen. Der Bundesverband der Entsorgungswirtschaft, der die Müllverbrennungsfirmen vertritt, die nun das große Geschäft wittern, fordert, das Deutschland neben den bereits bestehenden und geplanten Anlagen mindestens 12 bis 20 weitere Müllöfen braucht. Doch führt diese Technologie – wenn sie flächendeckend eingesetzt wird - nicht in eine Sackgasse? Sollten es sich die Menschen leisten, ihre Rohstoffe einfach zu verfeuern?

    Michael Braungart vom Hamburger Umweltinstitut sieht in der augenblicklichen Entwicklung die große Gefahr, dass auf Jahre hinaus das umweltfreundlichere Recycling keine Chance mehr haben könnte. Nicht nur in Deutschland werden Müllverbrennungsanlagen gebaut, auch weltweit. Zum Beispiel sind auch in Großbritannien über 100 Großöfen vorgesehen. Die Folgen:

    Das Ergebnis ist, dass damit die Nährstoffe alle verloren sind und dass damit keine Kreisläufe geschlossen werden können.

    Bleibt die Frage an die Politik: Wenn es so viele schöne große Öfen gibt, die beschickt werden müssen, warum sollten dann noch umweltfreundliche Sofastoffe entwickelt werden?