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Macron 100 Tage im Amt
Der Präsident geht zuversichtlich seinen Weg

Bei seinem Amtsantritt hatte Emmanuel Macron erklärt, er wolle Frankreich sein Selbstbewusstsein zurückgeben und die Nation zu neuer Größe führen. Seither musste er den Rücktritt mehrerer Minister verkraften und Kritik für seine Medienpolitik einstecken. Doch seine Bilanz kann sich sehen lassen.

Von Jürgen König | 21.08.2017
    Der französische Präsident Emmanuel Macron winkt der Menge bei seiner Ankunft in Nizza/Südfrankreich zu. Er besucht den Ort anlässlich des 1. Jahrestages des Massakers, bei dem damals 86 Menschen getötet worden waren.
    Bleibt von sinkenden Umfragewerten ungerührt: Der französische Präsident Emmanuel Macron (AFP Photo / POOL / Laurent Cipriani)
    "Seit Jahrzehnten zweifelt Frankreich an sich selbst, fühlt sich in seiner Kultur bedroht, sieht sein soziales Modell in Gefahr. Meine Amtszeit soll daher von zwei grundsätzlichen Anforderungen geleitet werden: Ich will den Franzosen ihr Selbstbewusstsein zurückgeben. Unser Land hat alle Ressourcen, zu den ersten Ländern dieser Welt zu zählen - und ich werde alles tun, um diese Kräfte wieder freizulegen. Und ich werde das in einem europäischen Rahmen machen: Das ist der zweite grundlegende Anspruch meiner Amtszeit. Europa und die Welt brauchen ein starkes Frankreich. Wir sind alle voneinander abhängig, wir sind Nachbarn."
    Die Botschaft: Frankreich gilt wieder was in der Welt
    Der Nation ihr Selbstbewusstsein zurückgeben und das Land zu neuer Größe in Europa und in der Welt führen: Was Emmanuel Macron damit meinte, konnte man schon in den ersten 100 Tagen seines Mandats erleben. Als Souverän trat er auf - mit einem Pomp, wie ihn Frankreich lange nicht mehr erlebt hatte. Im Schloss von Versailles ließ Macron sich vom russischen Präsidenten Vladimir Putin nicht einschüchtern; den Händedruck des amerikanischen Präsidenten Donald Trump erwiderte Macron mannhaft, nahm mit ihm gemeinsam am 14. Juli die Parade zum französischen Nationalfeiertag ab - nachdem er nur Stunden zuvor im Elysee-Palast zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel das Projekt eines neuen, gemeinsam entwickelten Kampfflugzeugs vorgestellt hatte. Frankreich gilt wieder was in der Welt, dies die Botschaft, die bei vielen Franzosen gut ankam - viele Medien indes fanden Macrons Auftreten befremdlich. Jean-Marc Four, Redaktionsleiter beim Sender France Inter:
    "Wenn man sich die Bilder ansieht, hat man den Eindruck, einen Märchenprinzen vor sich zu haben - charmant und mit Kennedylächeln."
    Medienpolitik und "Zensur"
    Und dieser "Märchenprinz" ging seinerseits auf Distanz zur Presse, schon das traditionelle Foto der neu ernannten Regierung hatte unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden; seine Minister wies der Präsident fortan zu äußerster Zurückhaltung bei Interviews an, in den Medien machte das Wort "Zensur" die Runde - und die zunächst hohen Zustimmungswerte gingen zurück.
    Dieser Trend setzte sich fort, nachdem Macron deutlich gemacht hatte, dass er die EU-Defizitgrenze von drei Prozent schon in diesem Jahre einhalten will - um außenpolitisches Vertrauen zu gewinnen. Mit den daraus sich ergebenden Einsparungsmaßnahmen stieß er im eigenen Land zunehmend auf Widerspruch: von der geplanten Kürzung des Wohngeldes um fünf Euro monatlich, die als für bedürftige Menschen unzumutbare Maßnahme bewertet wurde, bis hin zur Kürzung des laufenden Militärhaushalts um 850 Millionen Euro. Die intern geäußerte Kritik von Armeechef Pierre de Villiers wurde öffentlich bekannt, was wiederum Präsident Macron verärgerte: Hatte der doch mehrfach angekündigt, den Wehretat auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anzuheben - aber eben erst 2018. In einer Rede vor ranghohen Militärs wurde Macron sehr deutlich:
    "Ich bin Ihr Chef. Und die Zusagen, die ich den Bürgern und auch der Armee gegeben habe - ich weiß sie zu halten. Ich brauche da überhaupt keine Erinnerungen - und auch keine Kommentare."
    Ein "Gesetz zur Moralisierung des öffentlichen Lebens"
    Diese öffentlichen Demütigung des Fünf-Sterne-Generals Pierre de Villiers, der umgehend dessen Rücktritt folgte, wurde von vielen Franzosen als "selbstherrlicher" Akt interpretiert, Macrons Ansehen litt darunter - kommentiert hat er die immer schlechteren Umfragewerte nie, der Eindruck entsteht: da geht jemand zuversichtlich seinen Weg.
    Und Macrons innenpolitische Bilanz kann sich, gemessen an seinen Ansprüchen, sehen lassen. Die Rücktritte mehrerer Minister, die den selbst gestellten Regularien politischer Korrektheit nicht genügten, konnte er durch Umbesetzungen erstaunlich geräuschlos kompensieren. Seine große Regierungsmehrheit im Parlament verabschiedete ein "Gesetz zur Moralisierung des öffentlichen Lebens": Es verbietet unter anderem die jahrzehntelange Praxis von Parlamentariern, Familienangehörige zu beschäftigen. Und das Parlament machte auch den Weg frei, das Arbeitsrecht über Regierungsverordnungen zu lockern. Über die geplanten Maßnahmen wurde wochenlang mit Gewerkschaften und Arbeitgebern hinter verschlossenen Türen verhandelt - und die Gewerkschaften hielten erstaunlich still, auch das ein Erfolg. Nur noch die radikallinke CGT hat für den 12. September zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen. Dass es wie im vergangenen Jahr erneut zu wochenlangen Blockaden und Streiks kommen könnte - im Moment spricht wenig dafür.