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Mehr Praxis im Studium?

Unternehmen bemängeln, dass Hochschulabsolventen zwar fachlich versiert sind, ihnen aber oft soziale Kompetenzen fehlen. Kommunikationskurse und praxisorientierteres Arbeiten könnten die Lösung sein. Darüber berät nun die Hochschulrektorenkonferenz auf der Nexus-Tagung in Berlin.

Von Verena Herb | 10.07.2013
    Schon lange werden Wirtschaft und auch Studierende nicht müde zu betonen: Das Studium an vielen deutschen Hochschulen ist in den meisten Fächern nicht praxisbezogen genug. Auf der anderen Seite fürchten die Universitäten, dass ein größerer Praxisbezug zulasten der wissenschaftlichen Qualität der Studiengänge geht. Wie man diesen Widerstreit auffängt, sollte auf der heutigen Nexus-Tagung der Hochschulrektorenkonferenz diskutiert werden.

    Ein Beispiel gibt es an der Universität Rostock: Stefanie Russow macht dort gerade ihren Master in Germanistik und arbeitet nun als wissenschaftliche Hilfskraft daran, das Germanistik-Studium in Rostock praxisbezogener zu gestalten:

    "Es kommen Gastdozenten aus verschiedenen Berufen. Wir hatten jetzt zum Beispiel einen Redakteur einer literarischen Zeitschrift da. Wir haben eine Zeitschrift miteinander gemacht. Wir haben zusammen eine Ausstellung gemacht mit nem Kurator. Wir hatten literarisches Übersetzen. Da war eine Übersetzerin aus Hamburg da und hat da mit den Studenten gearbeitet."

    Praktiker als Dozenten – das ist eine Möglichkeit. Doch ist es nur ein Beispiel von wenigen. Während es für Fachhochschulen seit jeher zum Alltag gehört, mit Unternehmen zusammen zu arbeiten, ist das für viele Universitäten noch Neuland, berichtet Kevin Heidenreich, beim DIHK - dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag - Referatsleiter für Hochschulpolitik.

    "Die Unternehmen sind grundsätzlich sehr aufgeschlossen gegenüber den Hochschulen. Natürlich gibt es Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen, gar keine Frage. Aber wir verzeichnen immer mehr, dass die Unternehmen immer mehr auf die Hochschulen zugehen. Ihnen Angebote machen, wie sie die Lehre bereichern können. Ohne nun konkret in die Studiengänge einzugreifen. Das ist nicht ihr Interesse. Sondern es geht darum, die Lehre besser zu machen, die Absolventen kennenzulernen und ihnen gute Angebote für zum Beispiel Praktika zu machen."

    Unternehmen bemängeln, dass viele Studierende zwar in ihrem Fachbereich, in der Theorie, gut ausgebildet und versiert sind. Doch es hapert im Hinblick auf soziale und persönliche Kompetenzen: etwa Kommunikation, Konfliktlösung, den Soft Skills.

    In den letzten Jahren haben sich an vielen Hochschulen sogenannte Career Center gegründet, die als Schnittstelle zwischen der Wirtschaft und den Hochschulen agieren und als Berater den Studierenden zur Seite stehen, um sie auf die Berufswelt vorzubereiten. Rosmarie Schwartz-Jaroß leitet das Career Center der Berliner Humboldt Universität. Auch sie weiß: Den Studierenden fehlen soziale Fähigkeiten jenseits ihrer fachlichen Ausbildung. Da sollen die Angebote des Career Centers helfen:

    "Also unsere Angebote sind so strukturiert, dass die Studierenden die sogenannten Soft Skills auch erwerben können. Auch Kommunikationskurse in den unterschiedlichen Bereichen. Wir legen großen Wert darauf in unseren Angeboten, dass sie auch sehr praktisch tätig sind, die Studierenden. Dass sie ihr wissenschaftlich fundiertes Wissen einbringen können und das mal umsetzen können die Praxis, um auch mal sehen zu können – zum Beispiel in interdisziplinären Gruppen – wie sie Projekte durchführen können."

    So raten ihre Mitarbeiter gerade Geisteswissenschaftlern auch Kurse in Projektmanagement zu belegen oder sich betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse anzueignen. Klar ist: Die Studierenden selbst sind gefragt.

    Stefanie Russow hat mit den Zusatzseminaren nur gute Erfahrungen gemacht. Auch die Hochschullehrer stehen dahinter – solange der Praxisanteil nicht überhand nimmt. Doch das Problem komme dann, wenn es Geld kostet.

    "Im Moment werden wir über so ein Studium Optimum, das ist so ein Wettbewerb gewesen, der vom BMBF gefördert wird. Darüber werden wir momentan finanziert. Und dann liegt es an der Verstetigung. Dann müssen die Hochschulprofessoren ran und dann müssen die das bezahlen. Und bis dahin muss ich so weit sein, dass wir dieses Modul unbedingt brauchen."