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Unfruchtbare Männer?

Das Sperma der Männer ist durch Umweltschäden schlechter geworden, und die Spermienzahl pro Ejakulation hat abgenommen. Das haben in den vergangenen Jahren verschiedene Studien belegt. Werden Männer also langsam unfruchtbar? Ein Thema auf dem fünftägigen Europäischen Kongress für Endokrinologie in Berlin.

William Vorsatz | 13.05.2008
    Wenn Paare ungewollt kinderlos bleiben, hat das meist mehrere medizinische Ursachen, die unglücklich zusammen spielen. Professor Eberhard Nieschlag ist Präsident der Europäischen Gesellschaft für Endokrinologie und hat lange das Institut für Reproduktionsmedizin am Uniklinikum Münster geleitet:

    "In der Hälfte der Fälle ist der Mann auch beteiligt. Und bei den meisten Paaren, die den Arzt aufsuchen, haben beide Partner Probleme. Im unterschiedlichen Ausmaß. Und dann kommen die Störungen zusammen, und dann potenzieren sie sich."

    Vor allem die Samenbildung und -reifung im männlichen Hoden sind störanfällige Prozesse. Sie entscheiden darüber, wie zeugungsfähig der Samen sein wird. Viele Faktoren können diese Fähigkeit einschränken. Dazu gehören hormonelle Störungen, Entzündungen im Körper, aber auch genetische Faktoren. Immer wieder wird behauptet, die Zeugungsfähigkeit von Männern nehme ab. Solche Behauptungen sollten allerdings genau überprüft werden.

    Es gibt keine Untersuchungen über wirklich lange Zeiträume. Die Forschungen dazu haben erst vor etwa 40 Jahren begonnen. Und viele ältere Untersuchungen sind methodisch fragwürdig. Es ist wahr, dass in den Spermien Umweltgifte nachweisbar sind. Es ist auch richtig, dass die Spermienzahl pro Samenerguss abnimmt.

    "Dabei wird aber nicht berücksichtigt, inwieweit sich eventuell die Karenzzeit, also der Abstand zwischen den einzelnen Ejakulationen verändert hat. Denn der ist von ganz entscheidender Bedeutung für die Spermienkonzentration. Derselbe Mann hat nach einer Karenzzeit von zwei Tagen eine viel niedrigere Spermienkonzentration als bei einer Karenzzeit von sieben Tagen. Wenn man also die Karenzzeit als ein Beispiel nicht ganz stringent mit berücksichtigt, kann man eigentlich keine Aussagen machen."

    Gerade ältere Untersuchungen, die als Ausgangspunkt für neuere Studien verwendet wurden, haben aber dazu keine Angaben gemacht. Viel interessanter als die Anzahl der Spermien ist die Frage, ob Paare wirklich fähig sind, Kinder zu zeugen. Die Erfolgsquote hat insgesamt sogar zugenommen.

    Es gibt dazu eine Messgröße: die Zeit vom Kinderwunsch bis hin zur tatsächlichen Zeugung, die so genannte "Time to Pregnancy". In den letzten Jahren haben Wissenschaftler in Schweden, Großbritannien und den USA diese Zeit in verschiedenen Studien gemessen. Mit eindeutigen Ergebnissen. Professor Eberhard Nieschlag:

    "Diese Zeit ist kürzer geworden über die letzten Jahre. Und außerdem ist der Prozentsatz der Paare, die infertil bleiben, ungewollt infertil bleiben, geringer geworden. Im Amerika hat der Prozentsatz über die letzten 20 Jahre von acht Prozent auf sieben Prozent abgenommen. Also, das berücksichtigt natürlich die reproduktiven Funktionen sowohl von der Frau wie vom Mann. Aber wir können immerhin sagen: Was auch immer mit dem Mann geschehen ist, das hat im Nettoergebnis nicht dazu geführt, dass die Fruchtbarkeit insgesamt abgenommen hat."

    Obwohl die Paare zum Kinder kriegen immer älter werden… Was nicht nur die Fruchtbarkeit der Frau einschränkt. Beim Mann nimmt die Zahl und Qualität der Samen ebenfalls ab. Es gibt zwar keinen Altergrenze wie bei der Frau, von wo an kein Kind mehr möglich ist. Aber auch für Männer wird es später schwieriger, Kinder zu zeugen:

    "Das beginnt mit dem 40. Lebensjahr. Ab dem 40. Lebensjahr geht es deutlich herunter. Sie können weniger gut befruchten, und die Embryonen, die produziert werden, haben eine höhere Abortrate. Also, es gibt häufiger Fehlgeburten und Frühaborte."

    Gesunde Männer haben bessere Chancen, sich fortzupflanzen. Verschleppte Geschlechtskrankheiten, Übergewicht und hormonelle Störungen dagegen können den Nachwuchs verhindern. Es gibt viele mögliche Ursachen, aber die moderne Medizin bietet mittlerweile fast genauso viele Therapien. So kann heute im Schnitt schon drei von fünf kinderlosen Paaren zur Schwangerschaft verholfen werden. Hoffnung auch für unfruchtbare Männer.