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Mensch, is dat scheun!

Platt verstohn - Plattdeutsch verstehen, das können die meisten der Sechsklässler, die Lehrer Hans-Hinrich Kahrs unterrichtet. Kommen die Schüler hier entlang des Flüsschens Oste doch aus einer Gegend in der norddeutschen Tiefebene, in der Plattdeutsch noch tief verwurzelt ist. Aber läßt sich die niederdeutsche Sprache noch damit retten, dass sie auf den Stundenplan der Schulen kommt?

Von Jörn Pietschke | 23.04.2011
    "Gooten Morgen leeve lüt . Gooten Morgen Heerr Kahrs, go sitten"."

    Klasse 6a, Gymnasium Warstade. Letzte Stunde - Erdkunde. Und dieses Fach wird für alle Schüler grundsätzlich auf Plattdeutsch unterrichtet:
    ""Das ist ein Schulversuch, der in Absprache mit dem Niedersächsischen Kultusministerium läuft und ich hab seit Beginn der fünften Klasse meinen Unterricht hier in Geschichte, Erdkunde und Sport und auch in der Verfügungsstunde rein auf Plattdeutsch gemacht. Also nicht nur den Unterricht, ich sprech ` mit den Kindern nur Plattdeutsch. Das ist die sogenannte Immersionsmethode , das heißt also, in die Sprache einzutauchen. Die Zielsetzung war: nebenbei das Plattdeutsche verstehen zu lernen."

    Platt verstohn - Plattdeutsch verstehen, das können die meisten der Sechsklässler, die Lehrer Hans-Hinrich Kahrs unterrichtet. Kommen die Schüler hier entlang des Flüsschens Oste doch aus einer Gegend in der norddeutschen Tiefebene, in der Plattdeutsch noch tief verwurzelt ist. Aber läßt sich die niederdeutsche Sprache noch damit retten, dass sie auf den Stundenplan der Schulen kommt ?

    Dr. Hartmut Arbatzat ist Pädagoge und Sprachwissenschaftler . Er hat über Plattdeutsch in der Alltagssprache seine Doktorarbeit geschrieben:
    "Es ist schwer zu sagen, ob man das retten kann. Grundsätzlich gibt es ja in vielen europäischen Ländern Regionalsprachen und die unterliegen natürlich der Konkurrenz der Standardsprache und werden wahrscheinlich zurückgehen. Die letzte Umfrage hat erwiesen, dass Plattdeutsch schon in einer Generation sehr stark zurückgegangen ist. Trotzdem ist e s so - und das erstaunt mich immer wieder - wenn man in den Klassen Plattdeutsch spricht, gibt es kaum Verstehensprobleme. Also 90 Prozent oder mehr verstehen das Plattdeutsche, weil ja die Ähnlichkeit mit dem Hochdeutschen auch gravierend ist. Und gerade hier in der Gegend gibt es noch Dörfer, die relativ abgelegen sind, wo eine große Kompetenz vorhanden ist und demgemäß - weil die Sprachbegegnung stattfindet - ist auch das Interesse größer als im städtischen Bereich, das Plattdeutsche zu lernen."

    Das Interesse der Schüler in der 6a des Gymnasiums Warstade ist jedenfalls groß. " Platt is cool " steht auf einem Plakat an der Wand des Klassenzimmers - und diesen Satz , mit dem die niedersächsischen Landschaftsverbände in einer Kampagne für Plattdeutsch an den Schulen werben, diesen Slogan können die meisten Schüler hier in Hemmoor nur bestätigen. Denn die 13jährigen Jungen und Mädchen sprechen Plattdeutsch auch außerhalb des Schulunterrichts:

    "Meine Oma und mein Opa sprechen auch Platt, also meine Großeltern sprechen Platt und meine Mutter, wenn sie auf der Arbeit ist, weil sie mit alten Leuten arbeitet, die sprechen auch öfter Platt. Ich sprech´eher selten mit meinem Oma und Opa Platt. Sprechen ist leicht. Aber , wie wird das noch mal ausgesprochen? " Broken ", woher kommt das Wort ? Von brauchen - broken! Das ist doch nich´ schwer."

    Für Nachhilfe bei der Plattdeutschförderung an niedersächsischen Schulen soll jetzt ein Erlass des Kultusministeriums sorgen, mit dem Plattdeutsch in den Lehrplänen festgeschrieben wird. Doch das allein dürfte nicht reichen. Sprachwissenschaftler Arbatzat fordert eine kontinuierliche Lehrerfortbildung, damit Plattdeutsch an den Schulen Einzug hält:
    "In anderen Bundesländern ist man da schon ein Stück schon weiter. In Hamburg ist es jetzt in die Lehrpläne aufgenommen worden. Der Plattdeutschunterricht. Realisiert wird es jedoch nur in ausgewählten Schulen. Ich denke, dass das eine wichtige Grundlage ist, dass dieser Stellenwert über die Absicherung in den entsprechenden Erlassen auch festgeschrieben wird. Daneben ist natürlich angesichts des Rückgangs der Sprache notwendig auch eine kontinuierlich Lehrerfortbildung. Niedersachsen hat damit jetzt begonnen, Kollegen auszubilden und ich wünsche mir, dass das kontinuierlich so weiterläuft. Denn die Absicherung in den Lehrplänen nützt ja nichts, wenn in den Schulen die Kollegen fehlen, die das vermitteln können."