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Mensch-Maschine-Prototypen
Musik mit VR-Brille

Musik und Bild haben eine lange gemeinsame Vergangenheit - und eine große Zukunft: Virtuelle Konzerte und digitale DJ-Sets im eigenen Wohnzimmer könnten unser Musikerleben schon bald revolutionieren.

Von Dennis Kastrup | 23.07.2016
    Bild zeigt Gäste des Virtual-Reality-Kinos von Amsterdam, die eine Virtual-Reality-Brille tragen
    Gäste des Virtual-Reality-Kinos von Amsterdam (Deutschlandradio/Kerstin Schweighöfer)
    In der amerikanischen Serie "Portlandia" gibt es eine Szene, in der die beiden Protagonisten Carrie Brownstein und Fred Armisen ihre Köpfe in überdimensional große Helme stecken. Damit können sie von Zuhause aus eine Drohne steuern, die auf einem Festival Bandauftritte filmt und sie live in ihre Bildschirmhelme überträgt.
    "It is gonna be insane! How close can we get to the band? Can we just go right to the front? Over above the front row, yeah, why not? I already feel relaxed, no crowds, no lines."
    Keine langen Schlangen, direkt in der ersten Reihe stehen. Und trotzdem das volle Konzerterlebnis! In der Comedy-Serie "Portlandia" wird all das natürlich ins Lächerliche gezogen. Aber ist es wirklich so abwegig? Nein, sagt Jens Christensen, Geschäftsführer von Jaunt. Das US-amerikanische Unternehmen hat sich auf Virtual-Reality-Filme spezialisiert. Vor zwei Jahren knüpften sie sich als eine der ersten Firmen ein Konzert von Paul McCartney vor.
    Der Sound erobert die Virtual Reality
    Die User können sich mithilfe der Brille an verschiedenen Punkten im Saal einklicken und einen 360-Grad-Blick genießen. Auch direkt von der Bühne. Der Sound reagiert dabei auf die Blickrichtung. Jens Christensen:
    "Wir glauben, dass der Klang 50 Prozent der Erfahrung ausmacht und arbeiten hart daran, dass er sich an die unterschiedlichen Blickwinkel anpasst. Wenn man zum Beispiel seinen Kopf dreht, dann bleibt die Klangquelle akustisch auch da, wo sie sein sollte. Hört man also zum Beispiel einen Schlagzeuger auf der rechten Seite und dreht sich nach rechts um, dann sieht man da eben einen Schlagzeuger. "
    Ein anderes Beispiel für die Verbindung von Virtual Reality und Musik: der Kanadier "The Weeknd". In seinem Clip zum Song "The Hills" läuft er durch ein apokalyptisches Los Angeles, und wir als Zuschauer können mitlaufen. Dafür ist nicht mal eine Virtual-Reality-Brille nötig, es geht auch mit bestimmten Webbrowsern. Auf Augenhöhe mit "The Weeknd" bewegen wir uns vorbei an brennenden Autos - und wenn wir in den Himmel gucken, können wir Meteoriten beobachten, die auf die Erde zurasen.
    So wird das Musikerlebnis intensiviert. Es gibt aber auch Virtual-Reality-Programme, mit denen man selber Musik machen kann. Bei "Playthings" zum Beispiel wird jeweils ein Steuergerät in beiden Händen gehalten. Damit kann virtuell auf bunt animierte Gegenstände geschlagen werden, die Klänge erzeugen.
    Oder man kämpft sich in "Audioshield" durch den eigenen Lieblingssong. Einmal hochgeladen wird er in rote und blaue Noten umgewandelt, die synchron zur Musik auf einen zufliegen. Zwei virtuelle Schilde sollen sie dann abwehren.
    Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt
    Diese Virtual Reality ist programmiert, also nicht gefilmt. Die Software "Amplify" ist eine Mischung aus beidem. Hier können Amateur-Musiker gefilmte Kopien ihrer Selbst in virtuelle Welten beamen. Entwickelt wurde die Software unter anderem von dem Briten Tom Szirtes:
    "Musiker können selber entscheiden, wo sie auftreten wollen. Das könnte auf dem Mond, unter Wasser oder in einem großen Club sein. Sie können sich ihren Raum selber ausstatten: mit eigenen Logos und abwechselndem Licht. Außerdem können sie entscheiden, wie die Umgebung mit den Usern interagiert."
    In diesem Herbst soll eine erste Version auf dem Markt kommen. Das Interesse der Musikbranche ist groß. Mit im Boot ist bereits ein großes Label. Auch DJs entdecken die Virtual Reality als Verbreitungsmöglichkeit für ihre Tracks. Anfang des Jahres ging DJ Grimecraft in die ungeschriebenen Geschichtsbücher des Plattenauflegens ein - als erster DJ, der seinem Job komplett in der virtuellen Welt nachgegangen ist. Die Entwickler haben das Ganze "The Wave" genannt. Der Amerikaner stand in Los Angeles in seinem Zimmer, trug eine Brille und gestikulierte wild mit den Händen. Seine Technik:
    "Das DJ Pult funktioniert wie jedes andere auch, aber anstatt von echten, physischen Knöpfen, benutze ich 3-D-Schnittstellen. Bei "The Wave" sieht man dann überall Würfel. All meine Songs sind also Würfel und man wirft Würfel in andere Würfel hinein, um sie zu spielen."
    Jeder Würfel kann mit einem Song oder Effekt belegt werden, der bei Berührung abgespielt wird.
    Die Virtual Reality ist der logische nächste Schritt in der Digitalisierung der Entertainmentbranche. Besonders die Musik wird davon profitieren. Die Illusion, live und wahrhaftig die Künstler vor einem stehen zu sehen, ist fast so gut wie das Original. Dazu kommen interaktive und spielerische Elemente, die das Gefühl vermitteln, selber Entscheidungen zu treffen. Früher hingen Poster an der Wand. Bald können sich Teenager ihren eigenen, persönlichen und "lebendigen" Justin Bieber ins Kinderzimmer holen.