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Mess-Weltrekord auf Sylt

Meteorologie. - Viel Sonne ist gut für's Gemüt, aber nicht für die Haut - Krebs kann die Folge sein. Doch wer glaubt, wenn die Sonne nicht besonders scheint, sei man vor Sonnenbrand sicher, der irrt. Bei bestimmten Wolkenbildern ist die Gefahr mitunter besonders hoch, fanden Kieler Forscher heraus.

Von Volker Mrasek |
    Sommer. Sonne. Sylt. Und dann auch noch unmittelbare Strandnähe ...

    "Ja, es ist auch ’ne schöne Station da, direkt auf der Düne."

    Arbeiten, wo andere Urlaub machen: Da musste Nils Schade durch. Zwei Sommer lang. Nördlich von Westerland unterhält die Universität Kiel eine Strahlungsmessstation. Schade musste regelmäßig hin, um die Messdaten auszulesen:

    "Direkt gegenüber war der FKK-Strand."

    Doch Arbeit ist Arbeit, und Strand ist Strand. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Medizinische Klimatologie ließ sich offenbar nicht sonderlich ablenken. Zuverlässig trug Schade Messwerte zusammen: über die UV-Strahlung am Erdboden, die Höhe der Wolken am Himmel und deren Bedeckungsgrad. Dabei half neben Strahlungsmessern auch eine Kamera mit Fischaugen-Objektiv: Alle 15 Sekunden schoss sie ein Bild der gesamten Himmelskuppel ...

    "Wir wissen, dass Wolken zu einer Strahlungserhöhung führen können, dass also am Erdboden mehr Strahlung ankommen kann bei bewölktem Himmel als bei unbewölktem Himmel, was man erstmal nicht intuitiv vermutet."

    Darum ging es Andreas Macke bei der Messkampagne auf Sylt: Strahlungsspitzen am Strand zu erfassen und zu schauen, bei welcher Art von Bewölkung sie auftreten. Als Professor für Meteorologie am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften betreute der Physiker das Projekt von Nils Schade. Und das lieferte bemerkenswerte Ergebnisse:

    "Wir haben jetzt erstmalig sehr hoch aufgelöst quasi den Weltrekord aufgestellt und die bisher höchstgemessene Strahlungserhöhung tatsächlich auch gemessen bei bewölktem Himmel."

    1400 Watt pro Quadratmeter zeigten die Sylter Strahlungsmesser an diesem Rekordtag:

    "Also, eine Glühlampe sind 100 Watt. Wenn die auf einen Quadratmeter scheint, dann sind das 100 Watt pro Quadratmeter. Und was man an einem sehr hellen Sommertag mittags auf dem Boden abbekommt bei unbewölktem Himmel, sind etwa 900 Watt pro Quadratmeter maximal. Und wir messen auf Sylt bis 1400 Watt pro Quadratmeter. Also, wenn Sie so wollen: 14 Glühlampen scheinen dann auf diesen einen Quadratmeter im Vergleich zu sonst maximal neun."

    Zu solchen Spitzen-Strahlungsbelastungen kommt es nach den Analysen der Forscher, wenn Herden strahlend weißer Schäfchenwolken am Himmel stehen:

    "Ich kann Ihnen leider kein Bild ins Mikrofon halten. Aber Altocumuli nennen wir die, die in einer Höhe von etwa fünf, sechs Kilometern den ganzen Himmel bedecken, aber sehr lückenhaft sind. Es gibt eben sehr viele Situationen, wo die direkte Sonne noch durchscheint, aber die zusätzlichen Wolken wie ein Strahler, ein Kulissenstrahler, dann noch zusätzlich Energie nach unten reflektieren. Und dann hat man eben bei einem Himmel, der einem erstmal subjektiv als ungefährlich vorkommt, doch tatsächlich eine sehr hohe Einstrahlung. Man denkt, man ist nicht so sehr der Gefahr ausgesetzt. Aber tatsächlich ist es gerade umgekehrt der Fall."

    Bis zu zwei Minuten dauerten die Episoden mit erhöhtem Strahlungseinfall am Sylter Strand. Für die UV-Belastung der Sonnenbadenden sind sie also durchaus von Bedeutung. Gerade für Leute mit einem hellen Hauttyp, wie ihn auch Nils Schade hat:

    "Für meinen Hauttyp zum Beispiel haben wir herausgefunden, dass man sich dann maximal ungeschützt bis zu zehn Minuten draußen aufhalten darf. Dann ist die Gefahr, Sonnenbrand zu bekommen, schon da."

    In vielen Badeorten warnt die Verwaltung bereits mit einem UV-Index vor den Risiken der Sonnenstrahlung. Der Wolken-Reflektionseffekt ist darin aber noch nicht berücksichtigt. Er sollte es aber sein, findet der Kieler Leibniz-Forscher Macke:

    "Unser Plan, gemeinsam mit Professor Stick vom Institut für Medizinische Klimatologie, ist es, einen zusätzlichen Erhöhungswarnindex zu erstellen. Der dann sagt: Leute, passt auf! Bei dieser Wetterlage könnte es sein, dass Ihr kurzfristig auch mal einen UV-Index bis zu zehn bekommt statt acht oder 9."

    So etwas wäre nicht nur auf Sylt sinnvoll, sondern auch an anderen Urlaubsstränden:

    "Wenn wir natürlich zum Äquator oder in die Subtropen fahren, wo die Sonne sehr viel höher steht, dann würden wir natürlich auch sehr viel höhere Werte messen."

    Wer seinen Strandurlaub nicht auf Sylt verbringt, sondern irgendwo im Süden, muss bei Schönwetterbewölkung also noch besser aufpassen.

    Institut für Medizinische Klimatologie
    Leibniz-Institut für Meereswissenschaften