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Methadon
(K)ein Wundermittel gegen Krebs

Methadon ist als Substitutionsdroge für Heroin bekannt. Das Opioid wird aber auch als starkes Schmerzmittel zum Beispiel in der Krebstherapie eingesetzt und könnte auch gegen Krebs selbst helfen - darum ist nun eine hitzige Debatte entbrannt.

Anneke Meyer im Gespräch mit Ralf Krauter |
    Süchtiger trinkt Methadon: Die Ersatzdroge soll Süchtige von der Beschaffungskriminalität fernhalten
    Ein Süchtiger trinkt Methadon: Ob es auch gegen Krebs hilft, sollen Studien zeigen. (dpa/picture alliance/Ponizak Paulus)
    Ralf Krauter: Wollen die Ärzteverbände und die Uniklinik Ulm Patienten eine möglicherweise lebensrettende Therapie vorenthalten?
    Anneke Meyer: Das ist zumindest der Eindruck, den einige Medienberichte hinterlassen haben. Da wurde doch teilweise ein bisschen zu einfach ein Bild von Gut und Böse gemalt, das sicher dazu beigetragen hat, bei Patienten übertriebene Hoffnungen in Methadon als Anti-Tumor-Medikament zu wecken.
    Krauter: Sind diese Hoffnungen denn nicht gerechtfertigt?
    Meyer: Genau das weiß man eben nicht. Denn richtige klinische Studien zur Kombinationstherapie von Methadon und Chemo gibt es bisher nicht. Und das geben sowohl Befürworter, als auch Gegner des Ansatzes offen zu. Was es bisher gibt, sind die vielversprechenden präklinische Daten von Frau Dr. Claudia Friesen, vom Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Ulm - also Untersuchungen an Zellkulturen und Tieren, sowie retrospektive Studien. Das heißt, man guckt sich Daten von Patienten an, die bereits behandelt worden sind und quasi zufällig die fragliche Therapie bekommen haben. Dabei zeigt sich, dass das Methadon für Patienten mit Tumorschmerzen gut verträglich ist. Ob es auch das Leben verlängert - und darum geht es ja -, da sind die Ergebnisse unterschiedlich. Aber selbst wenn die Studien hier zu einem einheitlichen Fazit kämen: Im Grunde sind es Einzelfallbeschreibungen. Und die haben nicht unbedingt repräsentative Aussagekraft. Helmut Schmidt hat geraucht wie ein Schlot und ist trotzdem 97 geworden.
    Krauter: Vor dem Hintergrund, dass Methadon ein gut untersuchtes Medikament ist, das eben auch für die Schmerzbehandlung bei Krebspatienten eingesetzt wird – was spricht dagegen es Patienten einfach zusätzlich zur Chemotherapie zu verschreiben? Die Möglichkeit, dass es hilft, existiert ja.
    Meyer: Genau das fragen sich viele Betroffene auch. Ich habe mit einigen Ärzten gesprochen und tatsächlich gibt es immer öfter Patienten, die um Methadon bitten oder auch mal wütend danach verlangen. Nun kann man natürlich gerade bei todkranken Patienten sagen: Was haben die schon zu verlieren? Sollen die doch Methadon bekommen - und ob es wirksam ist, sehen wir dann. Aber in dem Moment, wo das passiert, macht man diese Menschen zu Kaninchen in einem unkontrollierten Feldversuch. Und das ist doch etwas gruselig. Um dem vorzubeugen, gibt es Regeln für die Zulassung von neuen Behandlungen. Und die besagen eben, dass die Wirksamkeit durch kontrollierte, klinische Studien belegt sein muss.
    Krauter: Vor dem Hintergrund der Befunde von Frau Dr. Friesen: Warum wurden diese klinischen Studien nicht längst gestartet?
    Meyer: Das kommt ein bisschen darauf an, wen man fragt. Zum einen dauert es einfach seine Zeit, bis ein Therapieansatz es von der Petrischale in die Klinik schafft. Dann muss man auch sagen, dass die Grundlagenforschung im Bereich Methadon und zur Krebsbekämpfung überschaubar ist. Man braucht aber eine gute Datengrundlage, um Geldgeber zu überzeugen, in eine teure klinische Studie zu investieren – hier sehen vor allem die Methadon-Skeptiker das Problem. Die Befürworter um Frau Dr. Friesen meinen dagegen, dass die Pharmaindustrie den Forschungsansatz blockiert, weil Methadon kein lohnenswertes Geschäft ist. Einzelne Medienberichte haben auf dieser Grundlage Vertretern von Ärzteverbänden, die Studien für die Pharmaindustrie durchgeführt haben, vorgeworfen, nicht die Interessen der Patienten, sondern die der Industrie zu vertreten.
    Krauter: Ist an diesem Vorwurf was dran?
    Meyer: Tatsache ist, dass die meisten klinischen Studien von der Pharmaindustrie gesponsert werden. Das ist natürlich nicht unproblematisch. Aber egal, ob uns das gefällt: Das ist im medizinischen Forschungssystem fest verankert. Solange das so ist, kann man nicht jedem Arzt der eine pharmafinanzierte Studie durchführt, pauschal unterstellen, er wäre gekauft.
    Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes und Audios wurde angegeben, dass Frau Dr. Claudia Friesen ein US-Patent auf die Kombinationstherapie aus Methadon und Chemotherapie besitzt. Diese Aussage ist nicht korrekt. Patenthalter für zwei Erfindungen in der Kombinationstherapie von Opioiden (zu denen Methadon zählt) und Anti-Krebsmedikamenten ist die Universität Ulm. Als Inhaberin besitzt die Universität Ulm das mit einem Patent einhergehende Monopol- und Verwertungsrecht. Die Erfinder, darunter Frau Dr. Claudia Friesen, werden als Urheber im Verfahren benannt, haben darüber hinaus aber keine wirtschaftlichen Rechte. Für sie gilt das Gesetz der Arbeitnehmererfindung. Von einem Interessenskonflikt ist damit nicht auszugehen.
    Krauter: Der Konflikt hat sich in den letzten Wochen auch medial aufgeschaukelt. Sind die Fronten jetzt so verhärtet, dass erstmal gar nichts mehr geht? Oder sehen Sie da doch noch Bewegung?
    Meyer: Nein, tatsächlich sieht es gerade eher nach Silberstreif am Horizont aus. Die Ulmer Forscher haben sich Anfang der Woche mit der Klinikleitung ausgesprochen. Wie die "Stuttgarter Nachrichten" berichten, will die Uni-Klinik weitere Testreihen unterstützen. Auch der Rest der Ärzteschaft scheint den Konfrontationskurs zu verlassen. Eine Gruppe von Medizinern mehrerer Universitäten hat Anfang des Monats bei der Deutschen Krebshilfe einen Antrag auf die Förderung einer klinischen Studie eingereicht. Und dass man die braucht, da sind sich ja nun alle einig.