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Mit Ventilen und Wasserdampf gegen die Atemnot

Lungenerkrankungen sind zur Volkskrankheit geworden: Die COPD, zu Deutsch: "Chronisch obstruktive Lungenerkrankung", ist laut Weltgesundheitsorganisation die vierthäufigste Todesursache weltweit. Die Kombination aus chronischer Bronchitis und Lungenemphysem ist nicht heilbar. Aber es gibt Hoffnung.

Von Inga Pflug | 03.04.2012
    Das trichterförmige Geflecht ist nur wenige Millimeter klein, die Membran zwischen den dünnen Drähtchen fast durchsichtig. Und doch befindet sich in diesem winzigen Trichter ein kleines Ventil, das - eingebaut in die Lunge - den Patienten das Atmen erleichtern kann.
    "Durch diese Lippe kann die Luft nach außen, außen heißt in dem Fall: Richtung Luftröhre wieder hoch Richtung Nasenspitze, aber nicht in die Bronchien hinein. Sodass dann letztendlich, wenn ich auch zwei, drei vier Ventile eingebracht habe, aus dem gesamten, besonders stark vom Emphysem befallenen Bereich die Luft nur noch raus kann, keine mehr rein und dann wird dieser Oberlappen einfach immer kleiner. "

    Was Professor Joachim Ficker, Chefarzt der Abteilung für Pneumologie am Klinikum Nürnberg Nord, hier beschreibt, klingt zunächst paradox: Der Patient soll besser atmen können, wenn er weniger Luft in der Lunge hat. Allerdings ist ein Lungenemphysem auf den ersten Blick auch eine paradoxe Krankheit: Die Lunge der Patienten wächst und trotzdem bekommen sie keine Luft.

    Der Grund dafür liegt in den unzähligen, winzig kleinen Lungenbläschen, die für unseren Sauerstoffaustausch verantwortlich sind. Bei einem Emphysem wachsen die vielen kleinen Bläschen zu wenigen großen Blasen zusammen. Der betroffene Bereich wird größer, hat aber keine Atemfunktion mehr.

    "Dadurch, dass er so riesengroß ist, drückt er auf die anderen Bereiche der Lunge, und die Lunge wird insgesamt in ihrer Funktion beeinträchtigt, weil auch das Zwerchfell schon immer nach unten gedrückt wird und dann beim Einatmen gar nicht mehr weiter nach unten kann, weil es ja schon unten ist."

    Die Folge sind Atemnot und Erschöpfungszustände. Patienten mit einem Lungenemphysem haben oft schon im Sitzen oder Stehen Schwierigkeiten, genug Sauerstoff zu bekommen. Der Gang vom Bett ins Badezimmer kann da zu einer Herausforderung werden, wie für einen Gesunden eine Bergbesteigung. Oft führt der Sauerstoffmangel sogar bis hin zu Erstickungsanfällen.

    "Und die treten meistens nachts auf, wenn Sie liegen."

    Der 67-Jährige war früher Polizist, seit fünf Jahren ist er Lungenpatient. Jetzt liegt er im Krankenhaus, weil eine Erkältung ihm die letzte Luft zum Atmen abgeschnürt hat. Die Sauerstoffleitung neben seinem Bett blubbert und die Erinnerung an die Panik zu ersticken, ist ihm deutlich anzusehen, wenn er erzählt.

    "Da wachen Sie auf und dann kriegen sie ganz wenig Luft, dann atmen Sie schneller durch den Mund, normalerweise sollst ja durch die Nase atmen, aber da atmest schneller durch den Mund, ja und dann raus aus dem Bett, musst Dich nach vorne beugen; Licht brauchst Du, weil im Dunkeln kannst nicht sein und dann das Notfallspray und dann geht’s einigermaßen über die Runden. Aber das ist keine Lösung."

    Bis vor Kurzem lautete die Lösung im Ernstfall, die kranken Lungen-Bereiche operativ zu entfernen. Was den geschwächten Körper eines Lungenpatienten natürlich zusätzlich belastet. Die neue Lösung mit dem Ventil ist da deutlich schonender: Der Eingriff findet im Rahmen einer Lungenspiegelung statt und dauert nur wenige Minuten. Und die Verbesserung tritt in der Regel schon nach wenigen Tagen ein.

    Allerdings können die kleinen Ventile nur dann eingesetzt werden, wenn ein abgeschlossener Bereich der Lunge betroffen ist. Wenn gesunde und kranke Areale miteinander verbunden sind, greifen die Pneumologen in Nürnberg auf heißen Wasserdampf zurück. Den blasen sie direkt in das kranke Gewebe.

    "Wir können das so präzise dosieren, dass also jetzt keine Verkochung oder so was passiert, sondern dass ein kontrollierter Wärmereiz auf des Gewebe gegeben wird, sodass das Emphysemgewebe dann allmählich schrumpft. Wir erreichen also eine Vernarbung und eine narbige Schrumpfung in diesen emphysematösen Bereichen, und damit auch wiederum eine Verkleinerung; und im nächsten Schritt eine Situation, in der die besser erhaltenen Lungenareale mehr Platz haben."

    Und das ist bei einem Lungenemphysem die einzig wirksame Linderung. Denn Lungengewebe, das einmal zerstört ist, wächst nie mehr gesund nach.