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Mugabe
Biografie eines Tyrannen

Seit 1980 regierte Robert Mugabe in Simbabwe. Nun ist diese Ära zu Ende. Wer ist der 93-Jährige, dessen Absetzung nicht einmal die UNO kritisiert hat? Der Duisburger Historiker Christoph Marx hat eine Biografie des wohl umstrittensten afrikanischen Herrschers geschrieben.

Von Marc Engelhardt | 20.11.2017
    Zimbabwean President Robert Mugabe adjusts his glasses as he arrives to bid farewell and bury the late Cephas Msipa at the National Heroes Acre in Harare, Zimbabwe, 22 October 2016.
    Robert Mugabe (dpa / Aaron Ufumeli)
    Robert Mugabe und Simbabwe, die beiden sind seit dem Ende des Apartheidsregimes im damaligen Rhodesien untrennbar miteinander verbunden. Eine überwältigende Mehrheit der schwarzen Bevölkerung wählte ihn am 4. März 1980 zum Premier, zum Grauen der weißen Siedler, die ihn von allen Kandidaten am meisten gefürchtet hatten. Doch Mugabe überraschte alle, als er sich am Abend seines Wahlsiegs mit einer versöhnlichen Botschaft direkt an die Siedler wandte.
    "Wir wollen, dass die Weißen in diesem Land leben, ohne Auflagen, ohne Verfolgung. Wir werden den Rassismus der Vergangenheit nicht mit Rassismus beantworten, schon aus Prinzip nicht. Wenn es nach uns geht, dann sollen sie der Nation ebenso dienen wie die Schwarzen. Deshalb hoffen wir, dass sie sich sicher fühlen, uns mehr vertrauen und sich als Teil der Nation sehen."
    Zwei Jahrzehnte später lässt Mugabe weiße Farmer von ihren Höfen vertreiben und wettert in seinen immer aggressiveren Reden gegen alle Europäer. Warum wandelte sich der Revolutionär, der in den 80er Jahren auch bei uns als Vorbild eines neuen Afrika galt, zum Tyrannen?
    In Simbabwe wurde Gewalt letztlich mit Gewalt beantwortet
    Christoph Marx, Historiker an der Universität Duisburg-Essen, hat dazu eine klare Meinung: Es gab keinen Wandel. Mugabe war in seinen Augen schon immer ein Tyrann, gezwungenermaßen als Kind seiner Zeit.
    "Blickt man auf Mugabes Lebensweg, so wird darin die Geschichte des Kolonialismus sichtbar, seine Gewaltherrschaft ist dessen unmittelbare Fortsetzung. Mugabes Diktatur spiegelt die ähnlich repressive Herrschaft der weißen Siedler, die Kontinuitäten vom autoritären Siedlerpremier Ian Smith zu Robert Mugabe sind unübersehbar. Tatsächlich ist Mugabes Herrschaft ein Wiedergänger, Folge einer Vergangenheit, die nicht vergehen kann, weil sie intellektuell und emotional nie verarbeitet wurde, weil die Gewalt der Siedler mit der Gewalt schwarzer Nationalisten beantwortet wurde, weil der rassistische Triumphalismus der Weißen vom Triumphalismus des 'Befreiungskampfes' abgelöst wurde."
    Der Aufstieg an die Spitze einer Befreiungsbewegung, gar eines Staats war Mugabe nicht in die Wiege gelegt. In den ersten Kapiteln von Marx' Buch, das nach schicksalhaften Daten sortiert ist, gewinnt der Leser sogar die Überzeugung, der Machtmensch Mugabe habe seinen Aufstieg lange weder geplant noch gewollt.
    Vom Lehrer zum politischen Führer
    Zu Schulzeiten, der Vater hat die Familie verlassen, tut sich der kleine Robert als Kopfmensch hervor, durchläuft dank diverser Stipendien die Missionsschule und macht mehrere Uni-Abschlüsse. Sein großer Traum ist die Schullaufbahn. Erst als nach Ghana ausgeliehener Lehrer lernt Mugabe den Panafrikanisten Kwame Nkrumah kennen, politisiert sich und stolpert danach in Simbabwe förmlich in die Politik. So schreibt Marx, zum Beitritt in die Befreiungsbewegung sei er 1960 regelrecht gedrängt worden. Ein Verwandter beschreibt ihn damals so:
    "Mugabe lebte sehr einfach und war sehr reserviert - außer wenn es darum ging, politische Themen zu diskutieren. Er benahm sich stets korrekt und war äußerst diszipliniert und konzentriert. Er sah aus wie einer von uns und kleidete sich wie einer von uns - korrekt, aber nicht auffallend."
    Der korrekte Herr Mugabe entwickelt sich im Windschatten der damaligen großen Anführer unbemerkt zum starken Mann. Marx selbst wirkt unsicher, wie viel Kalkül hinter diesem Aufstieg steckt. Er räumt ein, es sei vielen Zufällen geschuldet, dass Mugabe überhaupt die Macht in Simbabwe übernahm. Das ist seltsam, behauptet er doch eingangs, Mugabe habe unter den Gegebenheiten zum Despoten werden müssen. Vielleicht unterschätzt er Mugabes Langzeitplanung sogar, die gezielte Provokationen einschloss, einen langen Gefängnisaufenthalt und die Steuerung des gewaltsamen Kampfes vom sicheren Mosambik aus anstatt von der Front.
    Massenmord zum Zweck des Machterhalts
    Mugabe inszeniert sich offenkundig selbst, und das so frühzeitig wie geschickt. So geschickt, dass niemand in ihm den Tyrannen sieht oder sehen will, als er bald nach der Machtübernahme 20.000 mutmaßliche politische Gegner ermorden lässt.
    "Sicherheits-Minister Emmerson Mnangagwa, der die ganze Aktion koordinierte, sprach von 'Kakerlaken', die ausgerottet werden müssten, und drohte damit, 'alle Dörfer, die mit Dissidenten infiziert sind', niederzubrennen. [...] Es herrschte die reine Willkür, die Bevölkerung sollte terrorisiert und eingeschüchtert werden, die Suche nach den 'Dissidenten' trat rasch in den Hintergrund. Die Brigade erging sich in Auspeitschungen, Vergewaltigungen und Hinrichtungen, wobei die überlebenden Dorfbewohner zuschauen mussten."
    Ab hier gibt es für Mugabe nur noch ein Ziel: Den Machterhalt um jeden Preis. Das beschreibt Marx minutiös, und dabei wird aus der Mugabe-Biografie endgültig die Biografie Simbabwes. Handelnde Personen wie der damalige Sicherheits-Minister Mnangagwa, der nach dem Militärputsch von vergangener Woche als Mugabe-Nachfolger gehandelt wird, zeigen, wie tief das korrupte und von Gewalt zusammengehaltene Patronagegeflecht im Land reicht.
    Die Fallstudie eines Tyrannen
    Marx deckt auf, wer Simbabwe seit mindestens zehn Jahren wirklich regiert: Das Militär. Mugabe ist ihnen in vielerlei Hinsicht nur noch ein nützlicher Idiot, der mit seinen zunehmend wirren Reden wie 2016 vor der Afrikanischen Union von den wahren Hintermännern ablenkt.
    "Die Europäer fordern ein anderes Regime in Simbabwe, Mugabe soll gehen - ist das Demokratie? Sagt ihnen einfach, sie sollen die Klappe halten."
    Und so ist es gerechtfertigt, wenn Marx wenig hoffnungsvoll in die Zukunft blickt und schreibt, Mugabe hinterlasse eine zutiefst verängstigte und traumatisierte Gesellschaft. Dass jetzt Mugabes Musterschüler an die Spitze Simbabwes streben und sie bislang niemand aufhalten zu wollen scheint, unterstreicht diese These. Leichte Kost ist Marx´ Buch nicht, dafür ist es zu chronografisch und verzichtet auf Szenisches, auf Pointen, auf Zitate. Doch wer durchhält, wird belohnt. Die gewissenhafte Verfolgung des Tyrannen in einem tyrannischen Staat macht "Mugabe" zu einer hochspannenden Fallstudie auch für andere, nicht nur afrikanische Staaten.
    Christoph Marx: "Mugabe. Ein afrikanischer Tyrann"
    C.H. Beck, 333 Seiten, 18 Euro.