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Nach Amoklauf in Sandy Hook
"Waffengesetze zu ändern ist kein Sprint, sondern ein Marathon"

Seit dem 14. Dezember 2012 ist in der Kleinstadt Newtown im US-Bundesstaat Connecticut nichts mehr wie vorher: Ein 20-jähriger Amokläufer erschoss damals 20 Grundschüler und sechs Angestellte. Überlebende und Hinterbliebene kämpfen seitdem für eine Änderung der Waffengesetze - bis heute erfolglos.

Von Martina Buttler | 14.12.2017
    Protest gegen die Waffenorganisation NRA am vierten Jahrestag des Sandy-Hook-Massakers
    Proteste gegen die Waffenorganisation NRA finden an jedem Jahrestag des Sandy-Hook-Massakers statt. (picture alliance / dpa / Jim Lo Scalzo)
    David Wheeler ist ein nachdenklicher Mann. Er hat kurze dunkle Haare und einen grau melierten Stoppelbart. David ist Bens Vater. Der Sechsjährige war einer von 20 Erstklässlern und sechs Lehrerinnen, die beim Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School in Newtown getötet wurden. Seitdem ist nichts im Leben von David und seiner Familie, wie es einmal war. Er weiß, dass viele um sie herum sich nach Alltag sehnen:
    "Ich weiß, dass es Leute in der Stadt gibt, die entschlossen zurück zur Normalität wollen. Ich verstehe das. Die wollen ihr angenehmes Leben von vorher zurück. Die wollen nicht diesen Schatten über der Stadt. Das ist ein Luxus, den ich niemals haben werde."
    Initiativen, die sich um Hinterbliebene kümmern
    In Newtown gibt es überall Erinnerungen an diesen Tag im Dezember. Ein Plakat im Fenster der Drogerie, das einen 5-Kilometer-Lauf ankündigt. Ein Lauf im Namen einer der Lehrerinnen, die bei dem Amoklauf getötet wurde. Ein Aufkleber an der Eingangstür zum Diner: ein Teddy mit Flügeln. Drumherum die Worte: "Immer hier, niemals vergessen. 26 Engel". In Newtown sind mehrere Initiativen entstanden, die sich um Hinterbliebene, Überlebende kümmern. Und die wie die Newtown Action Alliance für eine Änderung der Waffengesetze kämpfen. Po Murray ist Vorsitzende der Organisation:
    "Wir brauchen universelle Background-Checks. Keine Waffe sollte ohne diese Checks verkauft werden. Wir müssen sicherstellen, dass Kriegswaffen nicht für Zivilisten zugänglich sind. Wir brauchen ein System vergleichbar mit der Führerscheinprüfung mit Unterricht, Zulassung, Registrierung. Das sind ein paar einfache Prinzipien, um eine sichere Gesellschaft zu schaffen.
    Für Konsequenzen fehlt eine Mehrheit im Kongress
    An den Waffengesetzen hat sich in manchen Bundesstaaten etwas geändert. Doch die landesweiten Konsequenzen fehlen, weil die Mehrheiten im Kongress fehlen. Die Waffengesetze zu ändern ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Das weiß auch Po Murray. Die Folgen des Amoklaufs wirken unterdessen in Newtown weiter. Auch fünf Jahre danach bekommt die Newtown Foundation immer neue Anfragen von Menschen, die Hilfe suchen. Schüler, Angehörige, Polizisten, Feuerwehrleute. Lehrer müssen lernen, mit der neuen Realität umzugehen. Der Amoklauf wird noch Jahre, Generationen später betreffen, ist Jennifer Barahona von der Newtown Foundation überzeugt:
    "Die erste Gruppe von Sandy Hook Kindern ist dieses Jahr in die High School gekommen und es gab Fragen der Lehrer, was da auf sie zukommt und wie man mit ihrem Trauma, ihren Bedürfnissen umgeht.
    Vorbei geht ihr Schmerz nie
    Was, wenn es einen Feueralarm gibt, wenn Türen knallen oder etwas die Erinnerungen der Kinder in Gang setzt, sie zurück in die Situation an der Sandy Hook Elementary wirft. Die Sandy Hook Elementary School ist abgerissen worden. Eine neue Grundschule ist auf dem Gelände entstanden. Sie sieht aus wie eine moderne Schule mitten in der Natur in einem neuenglischen Bilderbuchstädtchen. Auf den zweiten Blick erkennt man all die Sicherheitsüberlegungen, die in den Bau eingegangen sind – Videoüberwachung auf dem Gelände, Wellenbrecher, Gräben, designte bunte Streben vor den Fenstern. David Wheeler und seine Familie versuchen, irgendwie durch diese Tage zu kommen. Vorbei geht ihr Schmerz nie. David Wheeler hat viel nachgedacht. Vieles in seinem Leben ist eine zerbrechliche Balance. Aber in einem ist er ganz klar:
    "Wir sind nur aus einem Grund hier: wir sind hier, um aufeinander zu achten, um uns umeinander zu sorgen. Das ist es. Darum geht’s."