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Nach dem Ende der FARC
Kolumbiens mühsamer Weg zum Frieden

Frieden in Kolumbien - die Welt freute sich, als im vergangenen September Präsident Juan Manuel Santos und der FARC-Chef Rodrigo Londono nach langen Verhandlungen ein Abkommen unterzeichneten. Seitdem sind große Fortschritte zu verzeichnen. Dennoch fehlt es in Kolumbien an Enthusiasmus für den Frieden.

Von Victoria Eglau | 14.08.2017
    Makabre Souvenirs zeigen kolumbianische Soldaten mit einem amputierten Bein
    Makabre Souvenirs zeigen kolumbianische Soldaten mit einem amputierten Bein (Deutschlandradio / Victoria Eglau)
    Die Kleinstadt Mesetas liegt im Tiefland Kolumbiens, nahezu im geographischen Zentrum des Landes. Von hier aus geht es per Jeep über eine Schotterpiste durch eine sattgrüne, hügelige Landschaft mit Bananen-, Ananas und Maniok-Plantagen. Nach anderthalb Stunden rumpelnder Fahrt erscheint am Straßenrand ein buntes Transparent – Bienvenidos steht darauf: Willkommen.
    Hier beginnt die so genannte Übergangs- und Normalisierungszone – eines von 27 Gebieten in Kolumbien, in denen sich die Guerilla-Organisation FARC zurzeit auf ihre Eingliederung in das zivile Leben vorbereitet. Rund 500 Angehörige der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens leben hier seit einem halben Jahr in selbst errichteten Behausungen aus Pfählen und Plastikplanen.
    Die linke Guerilla gibt sich heute offen und kommunikativ
    "Wir können einen Kaffee trinken und uns unterhalten. Danke, dass Sie gekommen sind", sagt Julián Suárez, Mitglied der FARC, und bietet an, alle Fragen zu beantworten. Eine große Kaffeekanne steht schon auf dem Tisch im Freien. Die linke Guerilla, die fünf Jahrzehnte lang gegen den kolumbianischen Staat kämpfte, gibt sich heute offen und kommunikativ. Ende Juni haben die gut 7.000 FARC-Kämpfer die letzten Waffen abgegeben. Der feierliche Akt fand hier in der Übergangszone nahe Mesetas statt. Die UNO ist zurzeit dabei, Waffen und Sprengstoff aus den FARC-Zonen und aus mehr als 700 Verstecken abzutransportieren. Anfang September wollen die FARC den Kolumbianern ihre politische Partei vorstellen.
    Neben einigen Journalisten sind heute Kirchenmitarbeiter aus der örtlichen Diözese in das Übergangslager gekommen, auch der Bischof selbst. Kolumbiens katholische Kirche engagiert sich mit einer Versöhnungskommission für den Friedensprozess, die vom deutschen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat unterstützt wird. Die Kommission vermittelt zwischen den entwaffneten Guerilleros und der Zivilbevölkerung, und sie betreut Konfliktopfer. Eines von ihnen ist Ximena Ochoa, die heute ebenfalls die FARC-Zone besucht.
    "Vor 27 Jahren haben die FARC meine Mutter entführt. Sie hatten sie mehr als 100 Tage in ihrer Gewalt. Das hohe Lösegeld gegen das sie freikam, hat meine Familie in enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht. Danach wurden wir weiter erpresst und die FARC ließen uns nicht auf unserer Finca arbeiten. Deshalb habe ich heute gemischte Gefühle. Ich erinnere mich an die jahrzehntelange Angst. Die FARC haben meiner Familie geschadet. Aber ich glaube dennoch, dass ein großer Teil ihrer Basis ebenfalls Opfer war."
    "Unsere Waffe ist heute das Friedensabkommen"
    Ximena Ochoa ist nicht mit Rachegelüsten in das Übergangscamp der Guerilla gekommen. Sie hört den entwaffneten Kämpfern aufmerksam zu. Der 30-jährige Diego Gutierrez, der sich mit 16 Jahren den FARC anschloss, trägt heute statt der Uniformjacke ein langärmliges T-Shirt:
    "Wie wir uns ohne Waffen fühlen? Also, ich fühle mich ein wenig leichter, denn so eine Waffe ist ganz schön schwer. Ich brauche sie nicht mehr, denn für unsere politischen Projekte können wir ohne Waffen kämpfen. Unsere Waffe ist heute das Friedensabkommen, das wir unterzeichnet haben. Mit unserer Botschaft, unseren Ideen und unserem Friedenswillen wenden wir uns an Teile der Gesellschaft, die wir mit dem Gewehr in der Hand nicht erreicht hätten."
    Entwaffnetes FARC-Mitglied Diego Gutierrez in der Übergangszone
    Entwaffnetes FARC-Mitglied Diego Gutierrez in der Übergangszone (Deutschlandradio / Victoria Eglau)
    Diego Gutierrez' Worte klingen glatt und routiniert – so, als hätte er sie sorgfältig eingeübt. Er ist in dieser Zone einer der Beauftragten für die externe Kommunikation. Bei den FARC war politisch-ideologische Bildung schon immer ein wichtiger Bestandteil der Aktivitäten. Auch das Friedensabkommen, das ihre Führung mit Kolumbiens Regierung aushandelte, haben die Guerilleros in allen Einzelheiten studiert. Im Übergangs-Camp wird sichtbar, dass sich die Organisation für den Frieden entschieden hat, aber an ihrer Ideologie festhält: Neben einer weißen Fahne flattert eine rote, kommunistische. Paz - Frieden - steht auf diversen Plakaten. Daneben erinnern lebensgroße Fotos an die vom Militär getöteten FARC-Anführer.
    Mängel beim Abkommen mit der Guerilla
    Ximena Ochoa, Vizepräsidentin des kolumbianischen Verbands der FARC-Opfer, betrachtet die Propaganda. Der Frieden sei notwendig, sagt sie dann, aber das Abkommen mit der Guerilla habe Mängel. Vor allem befürchtet Ochoa, dass jene FARC-Mitglieder, die für Entführungen, Morde und Massaker verantwortlich waren, zu glimpflich davonkommen könnten.
    "Wenn Verbrechen nicht bestraft werden, ist das der Keim für neue Gewalt. Wenn keine Gerechtigkeit herrscht, und wenn nicht die ganze Wahrheit ans Licht kommt, wird es schwer, Frieden zu schaffen. Um uns Opfer zu entschädigen, müssen die Gruppen, die Gewalt gegen Zivilisten ausgeübt haben, glaubhaft eingestehen, dass das ein Fehler war. Der Frieden ist das Ziel, aber das Abkommen zwischen Regierung und FARC braucht ein paar Änderungen, damit es uns auch wirklich Frieden bringt."
    In der Übergangszone: die Konterfeis getöteter Guerillaführer
    In der Übergangszone: die Konterfeis getöteter Guerillaführer (Deutschlandradio / Victoria Egla)
    So wie Ximena Ochoa denken heute viele Kolumbianer, vor allem jene, die beim Referendum über den Friedensvertrag im Oktober 2016 mit Nein gestimmt haben. Die Gesellschaft ist nach wie vor tief gespalten in Gegner und Befürworter des Abkommens. Die Umfragewerte von Präsident Juan Manuel Santos, der im vergangenen Jahr den Friedensnobelpreispreis erhielt, sind auf einem Tiefpunkt: Nur ein Viertel der Kolumbianer ist mit seiner Regierungsarbeit zufrieden.
    Uribe-Lager will Friedensabkommen "in Fetzen zerreißen"
    Die rechte Opposition, angeführt vom ehemaligen Präsidenten Álvaro Uribe, wittert Morgenluft. Uribe ist eine Allianz mit einem anderen Ex-Präsidenten eingegangen: dem Konservativen Andrés Pastrana. Beide eint der Widerstand gegen Santos' Friedensprozess mit den FARC. Ein Politiker des Uribe-Lagers verkündete sogar, im Falle eines Wahlsieges im nächsten Jahr, werde man das Friedensabkommen "in Fetzen zerreißen". Nicht zerfetzen, aber in mehreren Punkten korrigieren, stellt Carlos Holmes Trujillo klar, einer der möglichen Präsidentschaftskandidaten von Uribes Partei Centro Democrático:
    "Wir wollen das Positive des Vertrags erhalten und das Schlechte ändern. Respektieren wollen wir all jene Punkte, die den entwaffneten FARC-Mitgliedern physische, rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit gewährleisten."
    Dagegen hat Uribes Partei unter anderem der Übergangsjustiz den Kampf angesagt. Die so genannte ‚Sonderjustiz für den Frieden‘ist eine der umstrittensten Vereinbarungen zwischen Regierung und FARC. Ein 35-köpfigesTribunal, abgekoppelt von der regulären Justiz, soll sich auf die schwersten Verbrechen des jahrzehntelangen Konflikts konzentrieren – nicht nur aufdie der Guerilla, sondern auch aufdie von Militärs und zivilen Akteuren. Die Wahrheitsfindung steht über der Bestrafung: Wer seine Taten eingesteht, muss lediglich gemeinnützige und Wiedergutmachungsarbeit leisten. Damit kämen Terroristen ungeschoren davon, kritisiert Oppositionspolitiker Holmes Trujillo:
    "Das Problem ist: Die Urheber der schwersten Verbrechen werden ihre Schuld zugeben und damit einer Gefängnisstrafe entgehen. Die Sonderjustiz wird sie lediglich zu einer Beschränkung ihrer Bewegungsfreiheit verurteilen. Aber im Abkommen steht auch, dass diese Personen im Land herumreisen sollen, um die Bevölkerung über den Friedensvertrag zu informieren. Ist das eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit? Nein! Außerdem können sie bereits bei den nächsten Wahlen antreten. Wir sind dagegen, dass Verbrecher schon 2018 gewählt werden können und dass sie keinen einzigen Tag ins Gefängnis müssen."
    Gute Prognosen für Rechts-Konservative
    Holmes Trujillo lehnt auch ab, dass sich Militärs der 'Sonderjustiz für den Frieden' stellen müssen. Der Diskurs der Opposition fällt bei den Kolumbianern, die das Friedensabkommen skeptisch sehen, auf fruchtbaren Boden. Zwar hat der Uribismo noch keinen Präsidentschaftskandidaten nominiert, aber es scheint heute durchaus möglich, dass die rechts-konservativen Kräfte im Mai nächsten Jahres die Wahl gewinnen könnten.
    "Man spricht davon, dass die Präsidentschaftswahl 2018 die zweite Runde des Referendums sein wird. Die Opposition sagt: Man hat uns das Ergebnis des Plebiszits geraubt, das Volk hat Nein gesagt, aber die Regierung hat auf ihrem Abkommen beharrt. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn nach dem Nein beim Referendum wurden mehrere Punkte des Friedensvertrags neu verhandelt und vom Parlament und Verfassungsgericht abgesegnet", sagt Rodolfo Arango von der Universidad de los Andes in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá.
    Informationen über den Friedensvertrag in einer FARC-Übergangszone
    Informationen über den Friedensvertrag in einer FARC-Übergangszone (Deutschlandradio / Victoria Eglau)
    Aus Sicht des Juristen wäre ein Wahlsieg der rechten Opposition ein enttäuschender Rückschlag für den Friedensprozess, den er entschieden befürwortet. Und doch sieht auch Arango Korrekturbedarf bei der Übergangsjustiz. Das Gesetz, mit dem die ‚Sonderjustiz für den Frieden‘ins Leben gerufen wurde, überprüft zurzeit das kolumbianische Verfassungsgericht.
    "Als Rechtsphilosoph und Verfassungsrechtler sehe ich gravierende Probleme bei der Übergangsjustiz. Es besteht die Gefahr, dass die Urheber von Gräueltaten straffrei ausgehen. Ich könnte also gut nachvollziehen, dass das Verfassungsgericht einige Aspekte der ‚Sonderjustiz für den Frieden‘ändert, um die Rechte der Opfer zu garantieren."
    Probleme mit den Unterkünften
    Die Ungewissheit bezüglich der Zukunft der Sonderjustiz ist nur eins von vielen Problemen, die der Regierung Santos zu schaffen machen. Die Verzögerungen bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der FARC-Guerilla sind ein weiteres. In der Übergangszone nahe Mesetas sind Klagen zu hören:
    "Als wir im Februar hierher kamen, sollten unsere Unterkünfte fertig sein, stattdessen fanden wir ein leeres Gelände vor. Um zu beweisen, dass wir es ernst mit dem Frieden meinen, haben wir selbst dieses Zeltlager aufgebaut. Aber auch andere Probleme, etwa bei der Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung, sind bisher nicht gelöst", erzählt FARC-Mitglied Diego Gutierrez.
    Unterkünfte der Rebellen
    Mehr als bescheiden: Die Unterkünfte der Rebellen (Deutschlandradio / Ivo Marusczyk)
    Wenn es regnet, verwandelt sich die Übergangs-Siedlung in eine Schlammwüste. Wenn die Sonne scheint, wird es unter den Plastikplanen der Behausungen heiß und stickig. Zwei Dutzend Guerilleras stillen dort ihre Babys. Zum Waschen und Geschirrspülen dienen Holzbottiche, die mit Plastikfolie ausgelegt sind, und statt chemischer Toiletten benutzen die Lager-Bewohner Latrinen.
    Freilassung von gut 3.000 Guerilla-Mitgliedern verzögert sich
    Die FARC bemängeln nicht nur logistische Probleme, sondern auch die langsame Umsetzung des Amnestie-Gesetzes, das die Freilassung von gut 3.000 Guerilla-Mitgliedern aus dem Gefängnis vorsieht. Die Regierung hat im Juli reagiert und ein Dekret erlassen, das die Amnestie und Begnadigungen beschleunigen soll. Die große Aufgabe sei nun die Integration der ehemaligen FARC-Kämpfer in das zivile Leben, sagt Sergio Jaramillo, bis vor wenigen Tagen der Regierungsbeauftragte für den Friedensprozess:
    "Das Modell, auf das sich Regierung und FARC geeinigt haben, ist anders als bei früheren Friedensprozessen in Kolumbien, in denen die entwaffneten Guerilleros in die Städte gingen. Die FARC wollen sich auf dem Land in die Gesellschaft eingliedern. Das bedeutet eine große Herausforderung, denn in den ländlichen Gebieten ist der Staat nicht sehr präsent. Dennoch, das Ziel ist, dass sich die FARC-Mitglieder in den Übergangscamps, die wir unter großen Schwierigkeiten aufbauen, fortbilden und auf ein ziviles Leben vorbereiten."
    Viele FARC-Mitglieder können es sich vorstellen, landwirtschaftliche Kooperativen zu gründen. In der Übergangszone naheMesetasdenken die Bewohner bereits über eine Schweinezucht nach. Aber Sergio Jaramillo weiß, dass die sozioökonomische Integration der Guerilleros nur gelingen kann, wenn sich ihr ganzes Umfeld positiv entwickelt: die rückständigen Regionen Kolumbiens mit ihren enormen Infrastruktur-Mängeln:
    "Das Risiko ist, dass wir unter größten Anstrengungen in abgelegenen Gegenden Siedlungen für die FARC bauen und die örtliche Bevölkerung neidisch zuschaut und fragt: Warum baut die Regierung für die Guerilleros eine Kläranlage oder ein Elektrizitätswerk? Wer kümmert sich um uns?
    Entwicklungsprogramm für die ländlichen Regionen
    In ihrem Friedensabkommen haben die kolumbianische Regierung und die FARC daher ein Entwicklungsprogramm für die ländlichen Regionen vereinbart, für das Präsident Santos Ende Juli im südlichen Departement Caquetá den Startschuss gab.
    170 Gemeinden in ganz Kolumbien werden an dem Programm teilnehmen. Die Landbewohner sollen selbst festlegen, welche ihre dringendsten Prioritäten sind: Bessere Straßen, Elektrizität, Trinkwasser oder Gesundheitsversorgung.Ein weiteres Regierungsprogramm will Bauern dabei unterstützen, den rentablen Coca-Anbau durch andere Aktivitäten zu ersetzen. Für Rodolfo Arango von der Universidad de los Andes ist die ländliche Entwicklung die entscheidende Aufgabe des Post-Konflikts:
    "Wie werden wir es schaffen, in den nächsten fünfzig oder hundert Jahren jene Hälfte Kolumbiens in die Wirtschaft zu integrieren, die bisher nicht integriert ist? Wie bringen wir den Staat und seine Institutionen ins ganze Land? Nicht nur die Streitkräfte und die Polizei sondern das Gesundheits- und Bildungssystem und andere öffentliche Dienstleistungen. Eine gigantische ökonomische Herausforderung. Es wird schwierig sein, dieses Ziel zu erreichen."
    In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, welche fatalen Folgen die Abwesenheit des Staates in vielen Gebieten Kolumbiens hat, die vorher von den FARC kontrolliert wurden. Es herrscht Anarchismus: Statt der Guerilla breiten sich ungehindert kriminelle Organisationen aus, die Drogenhandel oder illegalen Bergbau betreiben. In vielen dieser Gruppen sind ehemalige rechte Paramilitärs aktiv.
    Die Gewalt, die die so genannten BACRIM, kriminelle Banden, ausüben, überschatten den Friedensprozess: Mehr als fünfzig Sozial-Aktivisten und Campesino-Führer sind seit Jahresbeginn in Kolumbien ermordet worden. Hunderte haben Drohungen erhalten. Hintergrund ist meist der Konflikt um Land, wie der Politikwissenschaftler Eduardo Pizarro erklärt:
    "Vielfach haben sich regionale Eliten, das heißt, Politiker, Unternehmer und Großgrundbesitzer, während des jahrzehntelangen Konflikts illegal Land angeeignet - von Bauern, die vertrieben wurden. Nun, da Regierung und FARC Frieden geschlossen haben, fordern viele Campesinos ihr Land zurück. Es gibt eine soziale Mobilisierung, auf die manche der vermeintlichen Landbesitzer mit Gewalt reagieren. Sie beauftragen kriminelle Banden damit, gegen Campesino-Aktivisten vorzugehen. Die Banden wiederum streben an, ganze Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen."
    Hoffnung auf die sozialen Kräfte
    Ob die Morde an Sozial-Aktivisten System haben oder Einzelfälle sind, ist in Kolumbien umstritten. Während die Regierung nicht von systematischen Verbrechen sprechen will, prangern Menschenrechts-Organisationen genau dies an. Der Unterschied ist durchaus von Bedeutung, denn:
    In den 1980er und neunziger Jahren wurden in Kolumbien mehr als 3.000 Mitglieder einer Linkspartei systematisch umgebracht – von Paramilitärs, staatlichen Sicherheitskräften und Drogenmafias. Die Unión Patriótica war während eines gescheiterten Friedensprozesses entstanden und sollte der FARC-Guerilla den Einstieg in die Politik ermöglichen. Könnte sich jenes blutige Kapitel der kolumbianischen Geschichte wiederholen? Könnten die entwaffneten Rebellen zu Opfern werden?
    "Wir glauben, dass die sozialen Kräfte, die den Frieden wollen, gewachsen und gereift sind", zeigt sich der FARC-Verhandlungsführer Andrés Paris zuversichtlich. Dass der Friedensvertrag viele Gegner hat und die rechte Opposition die Wahlen im kommenden Mai gewinnen könnte, weiß aber auch er:
    "Ein Triumph des Uribe-Lagers wäre katastrophal und würde das Ende der Hoffnungen auf Versöhnung bedeuten."
    Ein Banner mit der Aufschrift «Campamento por La Paz» («Camp für den Frieden») hängt am 03.03.2017 zwischen zwei Bäumen am Eingang des Farc-Entwaffnungscamps, nahe dem Dorf Cornejo im Departement La Guajira im Norden Kolumbiens. 
    Farc - Entwaffnungscamp (dpa / picture alliance / Georg Ismar)
    Wie viel Erfolg die FARC selbst mit ihrer politischen Partei haben werden, die sie in wenigen Wochen aus der Taufe heben wollen, muss sich erst zeigen. Völlig ungewiss ist auch der Ausgang des Dialogs mit der weiterhin aktiven Guerilla-Bewegung ELN, der zurzeit in Ecuador stattfindet. Die Verhandlungen könnten sich noch viele Jahre hinziehen, glauben manche Beobachter. Kein Zweifel: Kolumbiens Weg zum Frieden ist gepflastert mit vielen Unwägbarkeiten, Risiken und Hindernissen. Der Politologe Eduardo Pizarro ist dennoch fest überzeugt: Es gibt kein Zurück, selbst im Falle eines Wahlsiegs der Opposition nicht:
    "Der Friedensprozess mit den FARC ist absolut unumkehrbar. Ihre Mitglieder haben mit der Abgabe ihrer Waffen ein klares Zeichen gesetzt: Sie wollen keinen Krieg mehr. Sie wollen als Zivilisten leben."