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Nach der Brexit-Abstimmung
Ratlosigkeit und Ernüchterung bei EU-Parlamentariern

Wirklich überrascht scheint kein Europapolitiker über das Nein des britischen Parlaments zum Brexit-Deal zu sein. Einige machen ihrem Unmut Luft, andere mahnen weiter zu verhandeln, um einen ungeregelten Brexit zu verhindern. Doch noch ist offen, ob dafür weiterhin Theresa May der Ansprechpartner sein wird.

Von Paul Vorreiter | 16.01.2019
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    Für den den Vizepräsidenten der EU-Kommission Frans Timmermans (l.) und EU-Brexitunterhändler Michel Barnier gilt weiterhin: Den Schaden so gering wie möglich halten (Sputnik)
    Am Tag nach der Brexit-Abstimmung in London dämmert den Beteiligten in Brüssel und Straßburg allmählich, was das Votum bedeuten könnte: "Ein ungeregelter Brexit ist wahrscheinlicher für uns alle", bedauert Melania Ciot, Vertreterin der rumänischen Ratspräsidentschaft zu Beginn der Plenardebatte in Straßburg.
    Frans Timmermans, der für die EU-Kommission spricht, wagt den Blick zurück, lobt EU-Chefverhandler Michel Barnier für dessen Arbeit. Das Ergebnis, zweijährige Verhandlungen führten "zum Austrittabkommen, das den geringsten Schaden anrichtet. Und darüber sollten sich alle im Klaren sein. Brexit schadet allen, und unsere Aufgabe als Politiker ist es, den Schaden so gering wie möglich zu halten."
    "Einen geregelten Brexit zu sichern, bleibt die erste Priorität"
    Ähnliche Tonlage auch bei Michel Barnier, der hervorhebt, das Austrittsabkommen sei ein Kompromiss, eben der bestmögliche. Er sieht es weiterhin als seine Aufgabe, die Rechte der EU-Bürger zu schützen. Nüchtern konstatiert Barnier, die Zeit für eine Ratifizierung des Vertrags sei in London eben noch nicht reif gewesen: "Einen geregelten Brexit zu sichern, bleibt die erste Priorität in den nächsten Wochen. Kein Szenario darf ausgeschlossen werden, auch das, was wir verhindern wollten, den ‚No-Deal‘. Wir werden unsere Anstrengungen intensivieren und beschleunigen müssen."
    Doch zunächst heißt es in Brüssel und Straßburg abwarten, ob Theresa May das von der Labour Party angestrengte Misstrauensvotum heute übersteht. Falls ja, muss sie bis Montag ihr weiteres Vorgehen erläutern. Ob es dazu kommt, ist nicht die einzige offene Frage, die man sich in Brüssel und Straßburg stellt.
    Europaparlamentarier fordern konstruktive Lösung aus London
    "Ich bin über das Ergebnis nicht überrascht, ganz ehrlich. Westminster hat viele Mehrheiten gegen etwas organisiert, gegen die EU-Mitgliedschaft, gegen den Binnenmarkt und die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Doch um den ‚No-Deal‘ zu verhindern, brauchen wir jetzt dringend eine Mehrheit FÜR etwas", sagt Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der liberalen ALDE-Fraktion.
    Das sieht auch CDU-Außenexperte Elmar Brok so, der sichtlich genervt ist über die Ereignisse in London: "Jetzt, nach zwei Jahren zu sagen, man wird mit der Opposition reden, scheint mir zwei Jahre zu spät zu sein. Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass aus dem britischen Parlament heraus eine konstruktive Lösung kommt. Ich meine, dass es jetzt vorbei ist mit parteipolitischen und personellen Ambitionen in der britischen Politik, die es unmöglich gemacht haben, dass in Parteien und zwischen Parteien eine Mehrheit möglich ist."
    Warten auf das Misstrauensvotum
    Brexit-Verfechter Nigel Farage droht unterdessen den Parlamentariern, sollte ein zweites Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU kommen, würde das Ergebnis der Briten noch klarer für einen Brexit ausfallen.
    Nur einen Tag nach der Brexit-Abstimmung zeigt sich Ratlosigkeit und Ernüchterung in Straßburg. Die EU spielt zunächst aber den Ball nach London - dort entscheidet sich am Abend, ob Theresa May Premierministerin bleiben und ob sie jemals wieder den Ball zurück nach Brüssel spielen kann.