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Nach der Flut

Umwelt.- Ganze Landstriche wurden unter Wasser gesetzt, als zu Beginn des Jahres die große Flut über Australien hereinbrach. Besonders Brisbane wurde hart getroffen. Zwar hat sich die Stadt mittlerweile erholt, die Unterwasserwelt aber nicht.

Von Andreas Stummer | 02.05.2011
    In der Moreton Bay, etwa 50 Kilometer außerhalb von Brisbane. Eine Handvoll Meeresbiologen der Universität Queensland entnimmt Wasserproben. Die gefüllten, durchsichtigen Behälter werden sorgfältig beschriftet und nummeriert. Seit zu Beginn des Jahres gewaltige Wassermassen der verheerenden Überschwemmungen in Queensland in die Bucht gespült wurden, haben die Wissenschaftler mehr als 200 Proben untersucht. Das Ergebnis: Brisbane hat sich von den Folgen der Flut längst erholt, nicht aber die Unterwasserwelt der Moreton Bay.

    Der dunkelgrüne Algenteppich, den Meeresbiologe Andrew Moss seit Wochen beobachtet, wird und wird nicht kleiner. Im Gegenteil. Schuld daran ist ein toxischer Cocktail, der durch die Flut in die Moreton Bay gelangt ist. Schwermetalle und Abwasser aus übergelaufenen Kläranlagen, Pestizide und Düngemittel der Landwirtschaft – angespült in der Erde von den Feldern Queenslands. Die Schadstoffe fließen nicht einfach ab – die Moreton Bay ist durch eine Reihe vorgelagerter Inseln geschützt. Paul Greenfield, ein Ökologe des Küstenschutzes, vergleicht die Bucht mit einer riesigen Badewanne, in die kaum etwas eingefüllt und aus der kaum etwas abgelassen wird. An manchen Stellen ist das sonst kristallklare Wasser der Bucht so trübe, dass der Meeresgrund in nur ein paar Metern Tiefe nicht mehr zu sehen ist.

    "Unser drängendstes Problem ist herauszufinden, ob wir weiter Fisch aus der Bucht essen können, davon hängen eine Menge Jobs ab. Es treibt soviel angeschwemmte Erde in der Bucht, dass keine Sonnenstrahlen mehr bis auf den Meeresboden kommen – für Gewächse wie Seegras, die Licht brauchen, ist das eine Katastrophe."

    Kein Seegras bedeutet auch keine Nahrung für die seltensten Bewohner der Bucht: Meeresschildkröten und eine große Kolonie Seekühe. Moreton Bay ist weltweit einmalig: Hier leben Dugongs, Delfine, Haie, Wale und unzählige Fischarten in Sichtweite einer Millionenstadt.

    Mit Unterwasserkameras wird im Schutzgebiet der Moreton Bay beobachtet wohin Strömungen, die Gezeiten und der Wind die giftige, braune Brühe treiben. Meeresbiologen rechnen damit, dass es mindestens bis Jahresende dauern wird, bis sich das Wasser der Bucht wieder erholt hat. Doch nur ein Bruchteil der Flut strömte in die Moreton Bay. Der Großteil der Wassermassen wälzte sich landeinwärts in Australiens größtes Flusssystem: Das Murray-Darling-Becken. Ausgedorrt durch zehn Jahre Dürre bekamen ganze Landstriche eine Überdosis Wasser. Giftiges Wasser. Paul Sinclair vom australischen Naturschutzbund fürchtet, dass die beiden – ohnehin schon angeschlagenen Flüsse - Murray und Darling dadurch endgültig den Bach hinunter gehen könnten.

    "Die Wassermassen sind durch einige der salzigsten Gegenden im Murray-Darling-Becken geflossen, Regionen, die seit einem Jahrzehnt nicht mehr richtig durchgespült wurden. Das heißt: Das ganze kommende Jahr über wird dieses Salz aus dem Boden heraus- und in das Flusssystem geschwemmt."

    Die Folgen für die Landwirtschaft sind verheerend: Viele Milch- und Getreidefarmen, die ihre Weiden und Felder mit Flußwasser bewässerten, haben dichtgemacht, Obstplantagen sitzen – trotz Rekordpegel am Fluss - auf dem Trockenen.

    In einigen Trinkwasser-Auffanggebieten von Adelaide wurde ein so hoher Salzgehalt gemessen, dass die Gesundheitsbehörden die Pumpen vorübergehend abschalten ließen. Ob in Brisbanes Moreton Bay oder 2500 Kilometer weiter südlich, am Murray in Südaustralien: Nach Australiens Jahrhundertflut in Queensland sitzt fast das ganze Land in einem Boot.